Kühe so managen, dass es zu einem passt
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Die Zahlen sind offenkundig: Die im Schnitt um 6,4 Cent gesunkenen Milcherzeugerpreise (netto) schmälern den Erlös pro Kuh und Jahr in diesem Jahr um satte 500 Euro. „Die Betriebe trifft dieser Rückgang existentiell“, macht Dr. Ralf Over vom Landwirtschaftsamt Göppingen deutlich, „egal ob sie größer oder kleiner sind“. Allerdings, das fügt er hinzu, treffe der gesunkene Auszahlungspreis die eine Milchviehhaltung mehr als die andere. Warum das so ist? Ein Beispiel: Drei Betriebe halten ähnlich viele Kühe (81, 79 und 71 Tiere) und erwirtschafteten im Milchwirtschaftsjahr 2013/14 mit ähnlichem Materialaufwand ganz unterschiedliche Gewinne. Ein Grund: Die großen Unterschiede bei den Kosten für die Flächenbewirtschaftung (Pachten, Treibstoff). Erwirtschaftete der eine Betrieb damals einen Gewinn von knapp 160.000 Euro, sank dieser im Fall der hohen Ausgaben für Flächenpacht und Treibstoff auf rund 25.000 Euro.
Effizient wirtschaften
Für Over ein Indiz, dass mit der Zahl der Kühe allein nicht Erfolg oder Misserfolg begreiflich gemacht werden kann. Dazu arbeiten die Milchbetriebe zu unterschiedlich, setzt der eine mit einer wachsenden Herde auf Kostenführerschaft, technisiert der andere seine Abläufe, agiert der dritte Betrieb als Allrounder mitmehreren Erwerbsquellen, behält ein vierter Betrieb seine Kühe im Anbindestall oder hat den Hof auf die Erzeugung von Biomilch umgestellt. Große Betriebe gehen durch Schwankungen bei den Milchpreisen ein zwar höheres Risiko ein, haben aber laut Over „deutlich mehr Chancen und eine bessere Rentabilität“.
Von den Kosten- und Preisschwankungen sind Betriebe, die auf Kostenführerschaft und Technik, setzen besonders betroffen. Sie müssen entsprechend finanziert und arbeitswirtschaftlich sicher aufgestellt sein.
Allround-Betrieben bescheinigt der Betriebswirtschaftsexperte derweil eine zwar geringere Rentabiltät, aber auch geringere Anfälligkeit gegenüber Preiskrisen. Und auch bei Öko-und Weidebetrieben gibt es einen Wehmutstropfen: So geführte Höfe reagieren zwar robust auf das Auf und Ab bei den Milchpreisen, „ihr Wachsstum ist wegen des hohen Flächenbedarfs jedoch begrenzt“. Und Anbindeställe? Die Arbeit dort wird schlecht entlohnt, das Enwicklungspotenzial ist begrenzt. Um über die Runden zu kommen, sind mehrere Standbeine nötig, bescheinigt Over den traditionsverbundenen Höfen.
Was beim einen Betrieb passt, kommt für den anderen nicht in Frage, so die Erkenntnis, die sich an diesem ersten Dezemberfreitag durch den Vortragstag zieht. An der Frage, wie der eigene Hof geführt werden soll, mit welchem Aufwand und Einkommensansprüchen, führe kein Weg vorbei. „Die Strategie muss zum Betrieb, den Rahmenbedingungen und Zielen der Familie passen. Größe ist nicht alles“, machte Over vor den gut 150 Besuchern in der Gemeindehalle in Fischbach, wenige Kilometer von Biberach entfernt, deutlich und bekam dafür viel Applaus. Wie viel die Erzeugung der Milch kostet, wie effektiv die Arbeit bewältigt wird, wieviel Fläche und Mitarbeiter verfügbar sind, wie es um Prämien und Rahmenbedingungen, schlussendlich der Risikobereitschaft und -fähigkeit von Familie und Betrieb bestellt ist – all das sollte besprochen und in der Familie oder mit dem Kooperationspartner geklärt werden.
„Jetzt hatten wir zwei gute Jahre mit Milchpreisen von 40 Cent. Jetzt sind es 30 Cent. Mit den Preisschwankungen werden wir umgehen müssen“, ist sich der 26-jährige Marcel Renz sicher. Mit seinen Eltern bewirtschaftet er den 240 Kühe zählenden Reisachshof in Braunsbach bei Schwäbisch Hall. Gut beraten sei denn auch gewesen, so der umtriebige Landwirtschaftsmeister, wer bei den höheren Auszahlungspreisen 2013/14 Reserven angelegt hat. In den vergangenen vier Jahren standen die Zeichen auf dem Hohenloher Milchbetrieb auf Wachstum, „was wir mit viel Eigenleistung gestemmt haben“, wie Renz betont, und seinem Vortrag ein wichtiges Stichwort liefert: Die Arbeit und deren Bewältigung auf dem expandierten Betrieb.
Flexible Arbeitszeiten
Obwohl sie in nächster Zeit planten, die Herde auf 300 Milchkühe aufzustocken: „Jetzt wollen wir erst einmal die Milchleistungen der Kühe halten (8500 Kilogramm pro Kuh und Jahr), im besten Fall steigern“, sagt der junge Landwirt, der neben den Holsteins eine 150 kW-Biogasanlage managt. Ansonsten, das macht er an diesem Tag deutlich, bleibe man als Mensch auf der Strecke, leide die Familie unter dem zu hohen Arbeitspensum. Mit allen Folgen, die das für die tägliche Motivation hat. Denn ohne Spaß, versichert Renz, seien die Arbeiten im Stall und auf dem Hof auf Dauer nicht zu schaffen.
„Wichtig ist, was ich will. Wenn ich mit einem Roboter melken will, dann nehme ich die Kosten in Kauf“, lässt Christian Guggemos keine Zweifel an seiner Entscheidung aufkommen, die er vor elf Jahren für seinen 40 Kuh-Betrieb auf 900 Meter Höhe im Ostallgäu, unweit von Nesselwang, gefällt hat. Nicht gerade typisch und schon gar nicht zu dieser Zeit. Aber, das verdeutlicht der Landwirt, der inzwischen 66 Braunviehkühe in dem 2000 gebauten Laufstall hält, sei eine höchst eigene Entscheidung gewesen, die für ihn und seine Familie die Richtige gewesen sei.
Als zweites Standbein vermieten der Braunviehzüchter und seine Frau Ferienwohnungen. Durch den Kauf des Roboters sind ihre Stallzeiten flexibler geworden, können sie bei der Grasernte schneller und unabhängiger aktiv werden. „Der Roboter verschafft uns Freiräume, voraussgesetzt man scheut sich nicht vor der damit verbundenen Technik.“ Vor einiger Zeit nun, hat der Allgäuer Landwirt in eine automatische Fütterung investiert, bei der die Kühe (8500 Kilogramm Milch pro Kuh und Jahr) sechs Mal am Tag gefüttert werden. Ein weiterer Schritt, selbstbestimmter zu agieren und sich nötige Freiräume für die Familie, Hobbies, nicht zuletzt die eigene Gesundheit zu verschaffen.
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