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Fachtagung in Ulm-Seligweiler

Schweinehalter: Tierwohl hat seinen Preis

An mehr Tierwohl in den Schweineställen dürfte künftig kein Weg vorbeiführen. Doch wie diese gestiegenen Verbraucherwünsche umgesetzt werden können, ohne dass die Betriebe das wirtschaftliche Aus befürchten müssen, darüber herrscht Unklarheit. Ein Lösungsansatz: Verlässliche und politisch gewollte Standards, und: Höhere Erzeugerpreise.

 

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Auf welche Anforderungen müssen sich Schweinehalter künftig einstellen? Darüber diskutierten auf einer Fachtagung in Ulm-Seligweiler (v.l.) Hansjörg Schrade, Direktor des Bildungs- und Wissenszentrums Boxberg, Ursula Wuttge von der Stallreinigungsfirma farmworker, Landwirt Mathias Mayer aus Laichingen-Suppingen, Dr. Claus-Ulrich Honold, Leiter der Abteilung Landwirtschaft am Landratsamt Alb-Donau und Gunnar Rohwäder vom Schlachtunternehmen Tönnies.
Auf welche Anforderungen müssen sich Schweinehalter künftig einstellen? Darüber diskutierten auf einer Fachtagung in Ulm-Seligweiler (v.l.) Hansjörg Schrade, Direktor des Bildungs- und Wissenszentrums Boxberg, Ursula Wuttge von der Stallreinigungsfirma farmworker, Landwirt Mathias Mayer aus Laichingen-Suppingen, Dr. Claus-Ulrich Honold, Leiter der Abteilung Landwirtschaft am Landratsamt Alb-Donau und Gunnar Rohwäder vom Schlachtunternehmen Tönnies.Ast
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Die Realität auf den Betrieben ist bisher eine andere: Die Erzeugerpreise für Ferkel und Mastschweine schwanken und liegen oft unter den Erlösen, die die Höfe brauchen, um kostendeckend zu arbeiten. Das sorgt für Frust und befördert das Unverständnis, künftig den Stall womöglich umbauen, neu auszugestalten oder womöglich ganz neu bauen zu müssen, um mit der gesellschaftlichen Forderung nach tiergerechteren Ställen Schritt halten zu können.

„Keiner von uns möchte kein Tierwohl. Das ist doch klar“, brachte ein Landwirt die Verunsicherung von sich und seinen Berufskollegen auf den Punkt. „Doch das geht nur, wenn wir uns darauf verlassen können, dass wir nicht morgen unsere Schweine erneut anders halten sollen.“ Vom Geld ganz zu schweigen, dass nach solch einer Investition zusätzlich erwirtschaftet werden muss. Das müsse all den Verbrauchern bewusst sein, die sich für mehr tiergerechte Ställe aussprechen.

Mit Transparenz überzeugen

Einen Punkt, den Gunnar Rohwäder vom Schlachtunternehmen Tönnies in seinem Vortrag aufgriff. Tierwohl hat für den Manager Landwirtschaft beim größten deutschen Schlachtunternehmen denn auch seinen Preis. „Nicht bei der Befragung vor dem Supermarkt, sondern beim Bezahlen an der Kasse“, sagte er unter dem Beifall der gut 100 Teilnehmer der alljährlichen, ersten von mehreren Fachtagungen im Alb-Donau-Kreis. Was nichts daran änderte, dass sich der Referent in der anschließenden Diskussionsrunde mehrfach Kritik an den Bezahlmethoden - Stichwort Hauspreise - anhören musste.

„Am Ende des Tages machen die Verbraucher den Preis, nicht wir“, konterte er. Umso wichtiger sei es, dass sich Schweinehalter in die gesellschaftliche Debatte einmischten und geschlossen auftreten. Nur dann könne das derzeit zu beobachtende Auseinanderdriften wachsender gesellschaftlicher Ansprüche und einer wirtschaftlich tragfähigen Erzeugung von Fleisch gestoppt und in einen konstruktiven Prozess für die beteiligten Landwirte und Abnehmer umgemünzt werden.

Dazu gehören für den Tönnies-Mitarbeiter verlässliche Produktionsstandards. An die Schweinehalter appellierte Rohwäder, ihre Erzeugung transparent zu machen. „Sie haben nichts zu verbergen. Zeigen Sie, wie sie ihre Schweine halten.“ Erst dann seien Diskussionen auf Augenhöhe möglich, werde Spekulationen darüber der Boden entzogen.

Diskussionen um Ferkelkastration

Für den Manager Landwirtschaft bei Deutschlands größtem Schlachtunternehmen hat die Schweinehaltun Perspektiven. Zwar stünden die Märkte in Deutschland und Europa immer wieder unter Druck, der Export spiele mit einem Anteil von über 50 Prozent inzwischen eine überragende Rolle. Weltweit wächst die Nachfrage nach Schweinefleisch.

Umso wichtiger sei es hierzulande, „zu zeigen, was wir machen. Die Gesellschaft hat Fragen und möchte Antworten. Sprechen wir darüber, wie verantwortungsvoll wir mit unseren Tieren umgehen“, machte er deutlich und verwies in diesem Zusammenhang auf die Herriedener Erklärung zum „Vierten Weg“ bei der Ferkelkastration, die Tönnies mit unterstützt.

Bei dem alternativen Verfahren sollen Landwirte die Jungtiere selbst mit dem Lokalanästhetikum Lidocain örtlich betäuben können, um sie danach zu kastrieren. Denn ab 2019 dürfen Ferkel nicht mehr betäubungslos kastriert werden.  Allerdings ist das Medikament bisher in Deutschland nicht zugelassen. Und: Die Tierärzte sind gegen das Verfahren in der Hand der Landwirte. Ob die Ebermast indes eine Alternative für alle Landwirte darstelle, bezweifelt Rohwäder:

Gestiegene Anforderungen

Das Tierverhalten rückt immer mehr in den Mittelpunkt Davon zeugen gleich mehrere Studien der Europäischen Union (EU), die sich von 2012 bis 2015 mit dem Schutz und Wohlbefinden von Nutztieren auseinandersetzten und unter anderem die Einführung wissenschaftsbasierter Tierschutzindikatoren und EU-weiten Auflagen für Personen, die mit Tieren arbeiten, proklamieren.

„Es geht ums Wohlbefinden, Wohlergehen und die Tiergerechtheit der Ställe“, fasste Hansjörg Schrade, Direktor des Bildungs- und Wissenszentrums (LSZ) Boxberg, die europäischen Diskussionen über die künftige Haltung von Nutztieren zusammen. Die Schweinefleischproduktion soll nachhaltiger werden, so der Konsens der EU-“Animal Welfare“-Studien durch höhere Tierschutzstandards auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse,

- bessere Umweltverträglichkeit,

- bessere Lebensmittelsicherheit,

- bessere Wettbewerbsfähigkeit.

Für Schrade steht das Thema Tierwohl „vor der Haustür“, wie er es nannte. „Vollspaltenbodenställe, gekürzte Schwänze und betäubungslos kastrierte Ferkel fallen uns inzwischen vor die Füße“, merkte er an und appellierte an die Schweinehalter, sich mit den gestiegenen Anforderungen an Unterbringung und Management konstruktiv auseinandersetzen. Aussagen für die der LSZ-Chef Kritik aus den Reihen der Landwirte erntete.

Minimaleinstreu als Kompromiss

Wie so oft, setze sich Deutschland mit der Erfüllung solcher, durchaus fragwürdiger Vorgaben an die Spitze der Bewegung, äußerten Zuhörer ihren Unmut über die aus ihrer Sicht überzogenen Tierwohl-Anforderungen, die auf EU-Ebene diskutiert werden. „Wir kommen hierzulande an einen Punkt, wo wir mit all diesen Auflagen irgendwann keine Tierhalter mehr haben“, brachte Ernst Buck, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes (KBV) Ulm-Ehingen den Unmut seiner Berufskollegen auf den Punkt.

Kritische Töne und der ein oder andere Appell, als staatliche Einrichtung dagegen zu halten, für die Schrade Verständnis zeigte, allerdings zu bedenken gab, dass nicht er es sei, der sich diese EU-Strategien ausgedacht habe. Vielmehr sehe er es als seine Aufgabe und die seiner Mitarbeiter an, Schweinehaltern Orientierung zu geben, für das, was auf sie zukommen könne. „Wir kommen an den Themen weichere Liegeflächen, organisches Beschäftigungsmaterial und Einstreu nicht mehr vorbei“, machte der Haltungsexperte deutlich.

Vor allem letzteres, womöglich wieder Stroh einstreuen zu müssen, ließ die Emotionen der Landwirte ein weiteres Mal hochkochen. Erst habe man das Stroh aus den Ställen aus hygienischen Gründen verbannt, nun wolle man es aus fragwürdigen Annahmen wieder zurück in die Ställe befördern, formulierten mehrere Schweinehalter ihren Unmut. Für Schrade, der einräumte, damit ebenfalls Probleme zu haben, komme es hierbei allerdings darauf an, wie viel Stroh eingestreut werde und mit welcher Technik das Material wieder aus den Ställen hinaus befördert wird.

Dass die Minimaleinstreu mit Stroh funktionieren kann, die Güllekanäle nicht verstopfen und einer zusätzlichen Spülleitung bedürfen, machte unterdessen Mathias Mayer, Ferkelerzeuger und Mäster aus Laichingen-Suppingen (Alb-Donau-Kreis) in seinem Vortrag deutlich. Damit sich die Mastschweine mit organischen Material beschäftigen können, baute Mayer in den FAKT- und AfP-geförderten Stall Strohraufen ein. Auf die Festflächen vor dem Spaltenboden im Bereich der Sensorfütterung streut er regelmäßig ein wenig Stroh. Ein Teil davon gelangt in die Gülle, die  mit einer entsprechenden Schwimmschicht überzogen sei. Verstopfungen im Güllekeller seien bisher allerdings ausgeblieben. „Eine Spülleitung mussten wir bisher nicht einbauen“, erläuterte der Landwirt.

Infos aus erster Hand

Gleich mehrere heiße Eisen hatten die Initiatoren der jährlichen Fachtagung für Schweinehalter an diesem ersten Novemberfreitag auf die Agenda gesetzt. Angefangen von den Perspektiven für süddeutsche Schweineproduzenten, den hygienischen Anforderungen in den Ställen, Haltungssystemen für mehr Tierwohl und ersten Erfahrungen mit Freilauf-Abferkelbuchten. Veranstaltet wurde das Infotreffen von den Vereinen landwirtschaftliche Fortbildung (VlF) Alb-Donau-Ulm und Heidenhein, dem Erzeugerring für Qualitätsschweine Ulm-Göppingen-Heidenheim, den Kreisbauernverbänden Ulm-Ehingen und Heidenheim sowie den Landratsämtern für den Alb-Donau-Kreis und Heidenheim.

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