Kooperationsmodell zur Forstneuorganisation
Im Gefolge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Auseinandersetzung von Bundeskartellamt und dem Land in Sachen Rundholzvermarktung haben sich das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und die Kommunalen Landesverbände auf das sogenannte Kooperationsmodell für die zukünftige Forstorganisation im Land verständigt.
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Das beschlossene Kooerationsmodell zeichnet sich durch nachfolgende Eckpunkte aus.
- Kommunale Waldbesitzer entscheiden, ob sie die Bewirtschaftung ihrer Wälder in Selbstverwaltung durchführen oder durch die Landesforstverwaltung wahrnehmen lassen. Die Betreuung durch die Landesforstverwaltung kann wegen des öffentlichen Interesses an dieser Tätigkeit vergabefrei erfolgen. Wer daher bisher mit der forstlichen Betreuung durch die Landesforstverwaltung zufrieden war, kann diese im Kooperationsmodell wie bisher fortsetzen. Das Angebot des Landes erfolgt zu Gestehungskosten, die um einen Gemeinwohlausgleich reduziert sind.
- Im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung kann eine Kommune sowohl eigene Revierleiter beschäftigen und auf dieser Ebene interkommunal zusammenarbeiten, als auch ein körperschaftliches Forstamt einrichten oder sich an einem kommunalen Zusammenschluss beteiligen, der ein körperschaftliches Forstamt bildet. Im Fall der Selbstverwaltung erhalten die Kommunen einen Gemeinwohlausgleich, der die mit der besonderen Allgemeinwohlverpflichtung verbundenen Sachkundeanforderungen an das forstliche Personal und die Auflagen für die Planmäßigkeit der Bewirtschaftung ausgleicht.
Durch diesen Ansatz wird die kommunale Selbstverwaltung als Alternative zur Betreuung durch die Forstverwaltung gestärkt, denn sowohl für den Revierdienst mit eigenem Personal als auch für (gemeinschaftliche) Körperschaftliche Forstämter mit eigenem Personal erfolgt eine finanzielle Unterstützung durch Gemeinwohlausgleich. Durch eine Staffelung des Gemeinwohlausgleichs soll erreicht werden, dass sich große Einheiten bei der Selbstverwaltung bilden. Dieser gestaffelte Gemeinwohlausgleich gestaltet sich vorbehaltlich der Abstimmung mit dem Finanzministerium wie folgt: Alle Kommunen, die eigenes Personal beschäftigen, erhalten einen Grundbetrag von 10 Euro je Hektar Kommunalwald. Sofern ein körperschaftliches Forstamt eingerichtet wird und dieses mindestens 7500 Hektar Körperschaftswald bewirtschaftet, erhalten diese zusammengeschlossenen Kommunen einen Aufschlag von zusätzlich 10 Euro je Hektar Kommunalwald. Ab einer Betriebsgröße von 15.000 ha wird der Aufschlag wieder reduziert um 5 Euro je Hektar, da den Mehrbelastungen dann Effizienzvorteile aufgrund der Betriebsgröße gegenüber stehen. Unabhängig von der Betriebsgröße erhält auch ein gemeinsames körperschaftliches Forstamt aller Gemeinden eines Landeskreises inklusive des Landkreises selbst den Gemeinwohlausgleich (Grund- und Aufschlagsbetrag). Diesem werden vom Land zusätzlich die Mittel zur Übernahme der hoheitlichen Aufgaben übertragen.
- Die Betreuung durch die Landesforstverwaltung umfasst nicht den Holzverkauf. Das Land zieht sich aus dem Holzverkauf im Privat- und Kommunalwald vollständig. Dadurch eröffnet sich hier ein Betätigungsfeld für Forstbetriebsgemeinschaften, kommunale Holzverkaufsstellen, Genossenschaften oder auch private Dienstleister. Der Staatswald soll als Rechtsform in einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) bewirtschaftet werden. Er wird in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht eine Vorbildfunktion übernehmen, von der alle Waldbesitzer im Land profitieren werden.
- Die Forsteinrichtung als wichtiger Beitrag einer umfassenden Daseinsvorsorge wird wie bisher angeboten und finanziert.
- Die kostenfreie, umfassende Beratung der Waldbesitzer bleibt staatliche Aufgabe der unteren Forstbehörden. Die Beratung erfolgt wie bisher durch qualifizierte, sachkundige Forstbeamte.
- Im Privatwald werden mehrjährige Betreuungsverträge mit sachkundigen Dienstleistern (untere Forstbehörden, Dritte) direkt gefördert. Zur Vermeidung von "weißen Flecken", d.h. ausbleibenden Betreuungsangeboten, gibt es für Privatwaldbesitzer unter 5 Hektar eine indirekte Förderung fallweiser Betreuungsleistungen zu landeseinheitlichen Sätzen durch die unteren Forstbehörden.
- Forstbetriebsgemeinschaften werden im Ausbau ihres forstlichen Leistungsangebots (z.B. Holzverkauf, Angebote von forstlichen Dienstleistungen) und auf dem Weg zu ihrer weiteren Professionalisierung unterstützt. Dies fördert die Eigenverantwortung der Waldbesitzer.
- Umfang und Inhalte der direkten Förderung im Privatwald werden gestärkt, dabei soll besonderes Augenmerk auf eine waldbesitzerfreundliche Abwicklung von Antrags- und Bewilligungsverfahren gerichtet werden.
Die Arbeit in der neuen Forstorganisation soll am 01.01.2020 aufgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sollen alle gesetzlichen Regelungen in Kraft getreten sein. Dazu ist es erforderlich, dass das Gesetzgebungsverfahren mit zeitlichem Vorlauf abgeschlossen sein muss.
Was die Beteiligten meinen
„Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestätigt, dass die vor rund zehn Jahren mit dem Bundeskartellamt geschlossene Vereinbarung zur Holzvermarktung Bestand hat. Auf dieser Grundlage hat das Land nun gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden einen tragfähigen Weg für die zukünftige Forstorganisation gefunden, die den Belangen der rund 260.000 Waldbesitzer im Land Rechnung trägt und gleichermaßen den Koalitionsvertrag der Landesregierung und das Bundeswaldgesetz berücksichtigt. Wir werden unseren Vorschlag dem Kabinett nach der Sommerpause zur Entscheidung vorlegen“, so der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk MdL, am 25. Juli in Stuttgart.
Mit der vorliegenden Einigung sei nun der Weg geebnet, eine Forstreform aus einem Guss umzusetzen und damit den Beschäftigten eine klare berufliche Perspektive zu einem einheitlichen Zeitpunkt aufzuzeigen. „Zum 1. Januar 2020 soll in den neuen Forststrukturen gearbeitet werden. Dazu müssen wir die notwendigen gesetzlichen Regelungen mit zeitlichem Vorlauf auf den Weg bringen“, erklärte Hauk.
Landrat Joachim Walter, Präsident des Landkreistags, begrüßte den jetzt eingeschlagenen Weg zur Forstneuorganisation mit Umsetzung aus einem Guss zum 01.01.2020. „Damit können wir die öffentliche Daseinsvorsorge im Wald erhalten und verhindern, dass die Wälder zum reinen Wirtschaftsgut degradiert werden. Mit dem vorgesehenen Kooperationsmodell werden die unteren Forstbehörden in die Lage versetzt, den Kommunal- und Privatwaldbesitzern attraktive Betreuungsangebote zu unterbreiten. Außerdem gibt es die Möglichkeit, auch ein Körperschaftliches Forstamt mit Beteiligung des Landkreises zu gründen. In der weiteren Ausarbeitung des Kooperationsmodells muss von Landesseite sichergestellt werden, dass auch die Finanzierung auskömmlich ist.“
„Das wichtigste Ziel des Gemeindetags bei der Forstreform war von Anfang an, die Rahmenbedingungen für die kommunalen Waldeigentümer auch künftig so zu gestalten, dass sie ihre Wälder mit hoher Qualität nachhaltig, wirtschaftlich und rechtssicher bewirtschaften können. Wir haben nun unter Würdigung der Erkenntnisse des Kartellverfahrens einen gemeinsamen Weg abgestimmt: Die Städte und Gemeinden können wählen, ob sie ihre Wälder selbst betreuen und sich dazu beispielsweise interkommunal zusammenschließen. Sie können aber auch weiterhin ausschreibungsfreie Betreuungsleistungen durch die Unteren Forstbehörden (UFB) in Anspruch nehmen. Bei beiden Modellen sind viele Vorteile des seinerzeitigen Einheitsforstamts für die kommunalen Waldbesitzer auch zukünftig gewahrt“, sagte Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg.
„Dem Ziel, eine Forstverwaltung aus einem Guss zu formen, werden wir mit dieser Einigung gerecht. Der Städtetag hat immer Wert darauf gelegt, dass die kommunalen Wälder nicht nur Holzanbauflächen, sondern Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten und Naherholungsraum für die Menschen im Lande sind. Damit gehen erhöhte Gemeinwohlanforderungen für den kommunalen Wald einher. Das nun vorliegende Modell ermöglicht Wettbewerb beim Holzverkauf und gewährt den kommunalen Partnern einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die Gemeinwohlfunktionen“, sagte Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg.
Forstkammer: Waldbesitzer zufrieden
Das vom MLR vorgelegte Modell der zukünftigen Forststrukturen ermöglicht in vielerlei Hinsicht ein Beibehalten der gewohnten Strukturen. Die meisten Waldbesitzer im Land sind damit zufrieden. Allerdings sind die Finanzfragen weiterhin offen. Auch die Organisation des Holzverkaufs muss weiter professionalisiert werden, heißt es in einer ersten Stellungnahme der Forstkammer Baden-Württemberg.
„Nach fast fünf Jahren ist ein Ende der Debatte über die Anpassung der baden-württembergischen Forststrukturen in Sicht“, erklärt Roland Burger, Präsident der Forstkammer Baden-Württemberg. „Für die Mehrheit der privaten und kommunalen Waldeigentümer ermöglicht das beschlossene ‚Kooperationsmodell‘ die gewünschte Fortführung der gewohnten Strukturen staatlicher Betreuung“, so Burger. „Insbesondere die flächenübergreifend zuständigen Revierbediensteten bleiben als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen der Waldbesitzer erhalten und das ist gut so.“ Positiv bewertet Burger ebenso, dass die besondere Gemeinwohlverpflichtung des Kommunalwaldes anerkannt und finanziell ausgeglichen wird. Und auch die Fortführung der indirekten Förderung für die Privatwaldbesitzer bis 5,0 ha sei sinnvoll, weil sie für über 90 Prozent der Waldeigentümer die erforderliche öffentliche Unterstützung unbürokratisch gewährleistet. Auch für die größeren privaten Forstbetriebe gebe es neue Förderansätze, die allerdings erst noch finanziell unterfüttert werden müssen. Der Forstkammer-Präsident fordert: „Das muss jetzt zügig geschehen.“ Überhaupt könnten die finanziellen Auswirkungen für die Waldbesitzer erst dann beurteilt werden, wenn Förderbeträge und zukünftige Betreuungskosten klar beziffert sind. „Hier werden wir als Forstkammer dran bleiben“, versichert der Präsident.
Offene Baustellen sieht Burger bei der Organisation des privaten und kommunalen Holzverkaufs, nachdem das Land seinen Rückzug aus dieser Dienstleistung angekündigt hat. Als Auffanglösung könnten die Holzverkaufsstellen der Landkreise dienen, auf Dauer sei eine Aufteilung der Holzmengen in über 40 getrennte Einheiten allerdings nicht sinnvoll. „Der Aufbau eigenständiger und rechtssicherer Vermarktungskooperationen für den Privat- und Kommunalwald bleibt eine drängende forstpolitische Aufgabe“, mahnt der Forstkammer-Präsident.
Ein großer Wermutstropfen in den neuen Strukturen sind zudem die weiterhin strikten Organisationsvorgaben für den Kommunalwald“, so der Präsident. So würden Städte und Gemeinden mit eigenem Forstpersonal weiterhin gezwungen, unter der Fachaufsicht der unteren Forstbehörden zu arbeiten. Die Bildung eines eigenständigen Betriebes durch die Übernahme der Betriebsleitung hätte zur Folge, dass weitere Pflichten der unteren Forstbehörde auf die Kommune übertragen würden. Eine finanzielle Honorierung seitens des Landes gäbe es aber erst ab einer Betriebsgröße von über 7500 ha. Außerdem bleibe der Einsatz von Dienstleistern auf die Ausführung der Forstarbeiten beschränkt. „Der kommunalen Selbstverwaltung bleiben im Wald enge Grenzen gesetzt“, kritisiert Burger.
Nun seien die Landesregierung und das Parlament gefordert, die Zusagen des Fachministeriums einzulösen. Die Aufmerksamkeit der Forstkammer sei hier weiter gefordert, auch, weil es noch etliche Detailfragen zu klären gebe. Ein Ende der Debatten sei aber absehbar. „Und das ist nach fast fünf Jahren auch gut so“, wertet der Forstkammer-Präsident.
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