„Geplante Auflagen treffen Ferkelerzeuger im Land besonders“
Ob es das Kastenstandurteil, Schwänze kupieren, die ausstehende Lösung für das baldige Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration, nicht zuletzt die drohenden Verschärfungen bei der Düngeverordnung sind: Mit Patentrezepten für die krisengeschüttelten Ferkelerzeuger im Land konnte Ministerialdirigent Joachim Hauck am vergangenen Freitag auf einer Fachtagung für Schweinehalter in Ulm-Seligweiler nicht aufwarten. Vielmehr appellierte der Leiter der Landwirtschafts-abteilung am Stuttgarter Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucher-schutz (MLR) an die gut 100 Zuhörer, darunter viele Schweinehalter aus dem Alb-Donau- und dem Landkreis Heidenheim, bei allen durch Politik und Gesellschaft ausgelösten Zwängen, immer den eigenen Betrieb im Auge zu behalten. „Suchen Sie für sich und Ihren Betrieb nach Lösungen, auch wenn das die schwierigste aller Aufgaben sein dürfte“, machte der Landwirtschaftsexperte deutlich. Mit Schuldzuweisungen allein sei niemandem geholfen.
- Veröffentlicht am

Viele Ferkelerzeuger denken ans Aufgeben
Die Stimmung unter den Sauenhaltern könnte schlechter nicht sein. Laut einer Umfrage der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) will über die Hälfte von ihnen in den nächsten zehn Jahren aufgeben. Befragt worden waren 645 Ferkelerzeuger im Bundesgebiet mit im Schnitt 379 Zuchtsauen, darunter Betriebe mit unter 20 bis hin zu mehreren tausend Sauen. In Baden-Württemberg haben in den vergangenen, knapp zehn Jahren 55 Prozent der Sauenhalter aufgegeben. Die Anzahl der Zuchtsauen ging zeitgleich um 35 Prozent zurück. Laut Auswertungen der LEL Schwäbisch Gmünd sank die Zahl der Zuchtsauenhalter im vergangenen Jahr auf 1369, der Zuchtsauenbestand ging auf 131.832 Tiere zurück. Besonders die kleinen und mittleren Betriebe, so Hauck, geben die Ferkelerzeugung auf.
Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Die aktuell vorgesehenen Auflagen treffen die Ferkelerzeuger im Land am stärksten. Gleichzeitig nimmt der Konkurrenzdruck aus den Nachbarländern zu, ganz besonders aus Dänemark und den Niederlanden. In der Mast ist die Situation dagegen ausgeglichen. „Entsprechend schlecht ist die Stimmung unter den Betrieben hierzulande“, bilanzierte Hauck.
Eine Auflage, die Ferkelerzeugern derweil besonders unter den Nägeln brennt, ist das ab Januar gültige Verbot für die betäubungslose Kastration der Jungtiere. Dass sich hier keine für die Betriebe verträgliche Lösung abzeichnet, empörte die bei der Fachtagung anwesenden Schweinehalter. Mehrere äußerten ihren Unmut darüber, darunter Ernst Buck, der Vorsitzende des Bauernverbandes Ulm-Ehingen, der stellvertretend für seine Berufskollegen Hauck mit der Frage konfrontierte, was Betriebsleiter erwarte, die ihre Jungtiere auch nach dem Stichtag 1. Januar 2019 ohne Betäubung kastrierten. „Darauf habe ich Ihnen aktuell keine Antwort“, räumte der Ministerialdirigent Buck gegenüber ein. Allerdings, so Hauck, werde intensiv an einer Lösung des für viele Landwirte existenzbedrohenden Problems gearbeitet.
Praktikable Alternativen gefragt
Hintergrund: Gemäß Paragraf 1 Satz 2, Nummer 2a i.V.m. Paragraf 21 Absatz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) ist ab 1. Januar 2019 die betäubungslose Ferkelkastration bei Ferkeln unter acht Tagen verboten. Eine von mehreren Bundesländern angestrebte Fristverlängerung fand am 21. September keine Mehrheit im Bundestag. Derweil haben die Koalitionsfraktion eine Initiative im Bundestag zur Änderung des Tierschutzgesetzes im Sinne einer Verschiebung der Übergangsfrist für zwei Jahre beschlossen. „Die Änderung des Tierschutzgesetzes steht dabei noch aus, sie soll noch 2018 erfolgen“, erläuterte Hauck den Zuhörern den aktuellen Stand der Diskussion über das strittige Thema.
Aber auch wenn die Fristverschiebung umgesetzt wird, müsse sich, so Hauck, jeder Betrieb schon bald für eine der drei Alternativen entscheiden. Dazu zählen die Immunokastration (Impfung gegen Ebergeruch), Jungebermast oder die Kastration unter Betäubung mit Tierarztvorbehalt.
Damit Ferkel mit einer Inhalaltionsnarkose betäubt kastriert werden dürfen, muss das hierfür nötige Narkosemittel Isofluran in Deutschland zunächst zugelassen werden. Das ist bisher nicht der Fall. Die Zulassung, so Hauck, sei allerdings noch für dieses Jahr geplant. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) plane zudem eine Verordnung, bei der Landwirte die Narkose mit einem entsprechenden Sachkundenachweis selbst durchführen können. Die Lokalanästhesie, der sogenannte „Vierte Weg“ sei als Anwendung durch den Tierhalter gemäß Paragraf 5 Absatz 1 Satz 4 im Tierschutzgesetz grundsätzlich auch vorgesehen. Aktuell sei jedoch kein geeignetes Präparat für die Indikation zugelassen, erläuterte Hauck. Im Koalitionsvertrag sei deshalb vereinbart worden, dass die rechtlichen Voraussetzungen für weitere Alternativen auf wissenschaftlicher Basis geschaffen werden sollen. Eine Fristverlängerung, so Hauck, müsse produktiv genutzt werden.
Regionale Fleischerzeugung bietet Chancen
Dass die Situation für die Ferkelerzeuger im Land alles andere als einfach ist, verhehlte der Landwirtschaftsexperte derweil nicht. Am Beispiel der Ferkelerzeugung zeige sich, wie sehr sich der Blick von Verbrauchern auf die Nutztierhaltung inzwischen geändert hat und weiter ändern wird: So wünscht sich wachsende Zahl von Verbrauchern Fleisch, das in der Region erzeugt worden ist, erläuterte Hauck. Weil aber immer Betriebe aus der Ferkelerzeugung aussteigen würden, werden die Jungtiere für die Mast in Süddeutschland knapp. Um das zu verhindern, sollten die Jungtiere im Verbund, in geschlossenen Betrieben oder mit regionaler Abnahme erzeugt werden. „Begegnen sie Verbrauchern mit Transparenz und fachlichem Wissen und nutzen sie regionale Vermarktungswege und Programme“, schlug Hauck in Ulm zur Lösung der Probleme in dem Produktionszweig vor.
Ohnehin stünden die Chancen, aus dem Betriebszweig künftig noch einkömmliche Ergebnisse zu erzielen, nur für wenige Betriebe gut. Unabdingbar hierfür sei die ausreichende Ausstattung mit Produktionsfaktoren, sprich genügend und funktionsfähiger Technik. Hierzulande treffe diese Situation nur auf wenige Betriebe zu, stellte Hauck in seinem Vortrag fest. Grundsätzlich, so der Ministeriumsmitarbeiter, müssten Produktionstechnik und Faktorausstattung der Betriebe gut sein. Für viele Betriebe im Land sei der Ausstieg deshalb die sinnvollere Alternative, „so hart das klingen mag“. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Wissen. Das schaffe für Landwirte mit Know-how, aber unzureichender Faktorausstattung neue Chancen. So geht Hauck davon aus, dass sich künftig andere Formen der Zusammenarbeit entwickeln werden: Beispielsweise Teilkooperationen sowie Lohnarbeit, auch in Teilen der Betriebsleitung. Eine stärkere Marktorientierung und größere Ausrichtung auf die Wirtschaftlichkeit biete für solche Betriebe neue Chancen.
Über die weiteren Inhalte der Fachtagung, darunter die ganzheitliche Bestandsbetreuung, Chancen durch eine nährstoffangepasste Fütterung und die Erzeugung von Ferkeln für das Bio-Landgut-Fleisch-Programm, für das sich Alexander Häckel aus Langenau-Osterstetten entschieden hat, berichten wir in einer der kommenden Ausgaben von BWagrar.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.