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DLG-Forum auf der EuroTier

Das Glück der Schweine hat seinen Preis

Quo vadis Schweinehaltung? Wohin entwickeln sich Stallsysteme für Zuchtsauen, Ferkel und Mastschweine? Eine Frage, die vielen Landwirten unter den Nägeln brennt und die auf der von der DLG initiierten gleichnamigen Infoveranstaltung viele Diskussionen auslöste. Zumal derzeit nicht klar ist, welche Ställe den gestiegenen Anforderungen auf Dauer tatsächlich Schritt halten.

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Bisher gibt es keine verbindlichen Richtlinien für konventionell gebaute Tierwohlställe. Für Landwirte, die investieren wollen, erschwert das die Entscheidung für ein bestimmtes Stallverfahren, kritisierten die Teilnehmer des Fachforums zur Mastschweinehaltung auf der EuroTier.
Bisher gibt es keine verbindlichen Richtlinien für konventionell gebaute Tierwohlställe. Für Landwirte, die investieren wollen, erschwert das die Entscheidung für ein bestimmtes Stallverfahren, kritisierten die Teilnehmer des Fachforums zur Mastschweinehaltung auf der EuroTier.Ast
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Ob es die drohenden Verschärfungen bei Kastenständen im Deckzentrum, das eigentlich nur in Ausnahme-fällen genehmigte Schwänze kupieren und ganz aktuell das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration ist: Die Anforderungen an Schweinehalter steigen und dürften es, darin sind sich Experten einig, weiter tun. Man denke nur an die TA Luft und neue Düngeverordnung, die ein weiteres Mal angepasst werden soll und damit die Ausbringung von Gülle alsbald noch strenger reglementieren dürfte.

Wie sehr das Thema Landwirte bewegt, davon zeugte der Ansturm auf die morgendliche Diskussionsrunde. Gut 100 Zuhörer drängelten sich um das Podium, das mit Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Peter Berens von der Niedersächsischen Landgesellschaft und Andreas Kopf, einem Bio-Ferkelerzeuger aus dem hessischen Hungen-Bellersheim Baufachleute und Praktiker zusammenbrachte. 

Gesetzesvorgaben fehlen

Eine, wenn nicht die wichtigste Frage, stand auch an diesem Messevormittag im Raum: Wie sollen die Ställe eigentlich konkret aussehen, mit denen man die Ansprüche von Verbrauchern nach mehr Tierwohl künftig erfüllen will? Reicht ein konventionell geführter Außenklimastall mit Ausläufen oder muss es am Ende doch ein Freiluftstall mit Stroh und erheblich mehr Platz für die Tiere sein, so wie es Bio- und Ökoverbände in ihren Richtlinien vorsehen? Aktuell fehlen hierfür die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Wie genau solch ein Haltungssystem aussehen muss, um als Tierwohlstall eingestuft werden zu können, darüber herrscht bisher Unklarheit. „Wir fühlen uns wie im Nebel. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt und müssen uns deshalb selbst kümmern“, umriss Bernhard Feller von der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftskammer das derzeitige Dilemma.

Für Landwirte, die investieren wollen, birgt das aktuell die Gefahr, dass ihr neu gebauter Stall womöglich einige Zeit später durchs Raster fällt und der erwartete Mehrerlös für die tiergerechtere Haltung der Schweine ausbleibt. Tierwohl versus EmissionenBisher ist Tierwohl ein dehnbarer Begriff und wirft Fragen auf. Macht sich das Wohlbefinden der Schweine beispielsweise an ihren biologischen Leistungen fest? Ist es das Verhalten der Tiere oder entscheiden schlussendlich die Wünsche von Verbrauchern darüber, was als tiergerecht gilt? Ungeklärt. Genauso wie der Anspruch nach umweltgerechten und klimaschonenden Ställen: Darf es aus dem Auslauf der Schweine nach den Tieren riechen? Sind diese Emissionen zulässig oder werden sie von der TA Luft ausgehebelt?

Nicht umsonst sprechen Fachleute von der Quadratur des Kreises, wenn es darum geht, zum einen praktikable, zum anderen Ställe zu bauen, die den veränderten, gesellschaftlichen Ansprüchen an die Nutztierhaltung gerecht werden. Gelöst werden soll diese Frage fortan mit einer Initiative von Landesanstalten, Landesämtern und Landwirtschaftskammern, dem Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und der DLG.  Erste Ergebnisse dieser bundesweiten Zusammenarbeit bekamen die Besucher der EuroTier zu Gesicht. Auf dem Stand der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) lag druckfrisch eine Broschüre über gesamtbetriebliche Haltungskonzepte für Schweine aus. Darin zu finden 20 Planungsbeispiele für Mastschweineställe, die diesen Ansprüchen gerecht werden sollen.

Um zwei solcher Haltungssysteme ging es denn auch in dem Fachforum. Ställen mit Zugang zu verschiedenen Klimazonen, Außenklimareizen, Buchtenzonen mit verschiedenen Bodenbelägen, Beschäftigungsangeboten, genügend Platz und den gewünscht komfortablen Liegeflächen. Denn, das kommt noch hinzu. Fragt man Verbraucher, soll es schon bald keine Schweine mit kupierten Schwänzen und abgeschliffenen Zähnen geben. 

Ausläufe erhöhen Standards

Der erste Stall, den Peter Berens von der Niedersächsischen Landgesellschaft als Beispiel aufzeigte, steht in Niedersachsen und erfüllt diese Kriterien – nach derzeitigem Stand. Das langgezogene Gebäude mit Ausläufen ist in 16 Abteile für jeweils 82 unterschiedlich große Mastschweine unterteilt. Die zwei Meter breiten Liegeflächen sind planbefestigt, daran schließt sich ein Spaltenbereich an. Über sogenannte Rüsseltüren gelangen die Schweine in ihre halb überdachten Ausläufe.

Das Gülle-Strohgemenge aus den Innenbuchten gelangt über eine Unterflur-Schieberanlage in einen Querkanal. Der Mist aus den Ausläufen wird über einen Hoftrac abgeschoben. Je nach Alter und Gewicht, verfügen die Masttiere über unterschiedlich viel Platz. Bis 50 Kilogramm Lebendgewicht sind es 0,8 Quadratmeter, bis 110 Kilogramm 1,3 Quadratmeter, ab 110 Kilogramm Lebendgewicht sind es 1,5 Quadratmeter. „Der Auslauf“, erläuterte Berens den vielen Zuhörern, „zählt zur Bewegungsfläche. Das macht solch einen Stall nicht teurer als ein konventionell errichtetes Gebäude“.

Insgesamt beliefen sich die Baukosten des vor anderthalb Jahren fertig gestellten Stalles auf rund 1,08 Millionen Euro. Pro Mastplatz: 823 Euro (brutto). Vermarktet werden die Schweine (50 Prozent) über ein Bonusprogramm (12 bis 16 Cent Zuschlag pro Kilogramm Schlachtgewicht) und an einen Großgastronomiebetrieb (50 Prozent). Hier fällt der Zuschlag mit 49 Cent Bonus pro Kilogramm Schlachtgewicht erheblich höher aus, und trage wie von den Betreibern in der Diskussionsrunde zu hören war, „erheblich zur Kostendeckung in dem Betriebszweig bei“. Denn, so die Landwirtin, „1,30 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht seien ansonsten ein Trauerspiel, mit dem kein Mäster auf Dauer Erlöse erwirtschaften kann“. Eine Bemerkung der Landwirtin, die Zustimmung fand und für die es viel Applaus gab. Getreu dem Motto: Anspruch trifft Wirklichkeit.

Mehr Platz für Ökoschweine

Der zweite Maststall, der an diesem Dienstag in Bildern an der Forums-Wand aufpoppte, wurde von seinen Betreibern nach den Richtlinien des Biolandverbandes als Pigport-Stall mit angedockten Ausläufen gebaut. Pro Schwein sind in solchen Ställen 1,5 Quadratmeter Platz im Innern, 1,2 Quadratmeter Platz im nicht überdachten Auslauf vorgeschrieben. Entmistet wird das ebenfalls langgezogene Gebäude mit seinen 800 Mastplätzen wie der konventionelle Tierwohl-Maststall mit einer Unterflurschieberanlage, die das Gülle- und Strohgemenge in einen Querkanal schiebt.

Die Baukosten beliefen sich rund 1,3 Millionen Euro, pro Mastplatz (brutto) auf 1675 Euro. Da pro Schwein erheblich mehr Platz bereitgehalten muss, verteuern sich solche Ställe gegenüber konventionell geplanten Außenklimaställen mit Auslauf erheblich, erläuterte Architekt Berens. Davon unabhängig, für welches Verfahren man sich schlussendlich entscheidet, sollte man, ist der Architekt überzeugt, „immer so bauen, dass ein Auslauf nachrüstbar ist“. 

Feste Lieferketten

Nicht bereut hat den Umstieg in die Zuchtsauenhaltung nach den Richtlinien von Bioland und Naturland derweil Ferkelerzeuger Andreas Kopf. In Hungen-Bellersheim (Landkreis Gießen) bewirtschaftet der Diplom-Agraringenieur (FH) einen Betrieb mit 300 Muttertieren. Ursprünglich waren es 700 Zuchtsauen, bis der Landwirt beschloss, aus der konventionellen Erzeugung auszusteigen.

Aus verschiedenen Gründen, wie er den Zuhörern des Forums erläuterte: Ihn beschäftigten die Diskussionen um mehr Tierwohl für die Schweine, die erwartbar höheren Haltungsauflagen, die betriebswirtschaftlichen Vorzeichen für den 85 Hektar großen Ackerbaubetrieb und die Möglichkeit, mit einem langfristigen Abnahmevertrag für die Tiere womöglich finanziell auf der sicheren Seite zu stehen. Hinzukomme, so sagte der Zuchtsauenhalter, dass er mit der Vermehrung von Öko-Jungsauen nicht so einfach ausgetauscht werden könne.

Fazit von Kopf: Er würde sich wieder so entscheiden, habe den Schritt nicht bereut und freue sich darüber hinaus, wenn er die Sauen in ihren Ausläufen sehe. „Das ist für einen selbst auch ein ganz anderes Bild“, sagte er und traf damit den Nerv der zahlreichen Zuhörer. Nicht zuletzt von Dr. Thomas Pietschmann von der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern, der durch die Vortragsrunde geführt hatte und davon ausgeht, dass sich Schweinehalter an diese Ställe gewöhnen müssten. „Und mal ehrlich“, fragte der Baufachmann zum Schluss in die Runde, „bei solch einem Stall geht einem doch das Herz auf, wenn man die Schweine im Stroh herumtollen sieht“. 

Höhere Erlöse nötig

Allerdings gibt es dieses Wohlgefühl nicht für lau: Auf zwischen 70 bis 80 Euro taxiert Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer in Münster die Kosten für die in solchen Ställen gemästeten Schweine. Pro Tier wohlgemerkt. Denn, so der Baufachmann, die Ferkelerzeuger müssten bei dieser Kostenkalkulation mit einbezogen und für die Jungtiere mehr bekommen. Verbraucheransprüche treffen demzufolge schnell auf die Wirklichkeit der Betriebe. Und hier, so das Fazit der Forums-Redner, müssen alle dasselbe wollen. Nur mehr Tierwohl zu fordern und das gleiche für das Fleisch bezahlen zu wollen, funktioniere nicht. Vielmehr, so Feller, kostet solch ein Kotelett schnell zwei Euro mehr an der Ladentheke. 

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