Spätfrost trifft Odenwälder Christbaumproduzenten hart
Durch einen extremen Luftfrost am Morgen des 12. Mai bei stellenweise bis zu -5 Grad wurden die Odenwälder Christbaumproduzenten in diesem Jahr so stark getroffen wie nie zuvor. Auch die Gegend um Stuttgart war teilweise betroffen. Vor Ort hat sich jetzt Landwirtschaftsminister Peter Hauk am 15. Juni ein Bild von den Schäden verschafft.
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Vor allem im badischen Odenwald, dem größten Anbaugebiet südlich der Mainlinie mit seinen mehr als 100 Weihnachtsbaumbetrieben, sind enorme Schäden zu beklagen. Manche Betriebe verzeichnen bis zu 80 Prozent an geschädigten Bäumen aller Altersstufen. Betroffen sind alleine in dieser Region über 1 Million Bäume. Der aktuelle Schaden wird auf bis zu 10 Millionen Euro beziffert. Zahlreiche verkaufsfähige Kulturen erlitten Totalverluste. Besonders betroffen waren Flächen in den Senken und an Südhängen, aber auch Höhenlagen wurden nicht verschont. Spät austreibende Sorten waren weniger betroffen. Minister Peter Hauk informierte sich auf dem Hof der Tannen-Galm GbR in Mudau- Langenelz im Odenwald um sich ein Bild der Lage vor Ort zu machen.
Die Tannen-Galm GbR, bestehend aus den Brüdern Konrad & Philipp Galm sowie dessen Sohn Mathias, betreibt ihren landwirtschaftlichen Hof bereits in siebter Generation und produziert hier auf 40 ha seit über 40 Jahren Weihnachtsbäume. Die Betriebsleiter informierten den Minister über die vielen Arbeitsschritte und umfangreichen Handarbeiten im Betrieb. So belaufen sich die Arbeitsstunden in der ganzjährigen Pflege inklusive Ernte auf über 200 Stunden pro ha – was nach zehn Jahren Kulturzeit Gesamtkosten von etwa 60.000 Euro pro ha verursacht. Weitere 200 Stunden pro ha entfallen auf die Vermarktung. Unterstützung erhalten sie von bis zu 80 Saisonarbeitern.
In seinen Ausführungen erläuterte Mathias Galm, dass aufgrund des erneuten frühen Vegetationsstartes die Nordmanntannen in diesem Jahr bereits Ende April, Anfang Mai drei Wochen früher als sonst ihre Knospen öffneten und zu treiben begannen. Durch den Wetterumschwung am 11. Mai mit Einströmen von polarer Kaltluft und einem Aufklaren des Himmels am Abend erreichte das Thermometer bereits vor Mitternacht den Gefrierpunkt. Dadurch herrschte die ganze Nacht Frost und der Stoffwechsel im neuen Maitrieb war dermaßen gestört, dass die neuen, oft noch ganz winzigen und empfindlichen Maitriebe abstarben. Früh austreibende Baumarten wie die Korktanne oder Abies Bornmülleriana erlitten Totalausfälle. Bei Nordmanntannen mit frühem bis mittlerem Austrieb waren vor allem auf der Südseite, die aufgrund des Mehr an Sonnenstunden einige Tage früher austreiben, einseitige Knospenerfrierungen zu beobachten. Besonders schlimm waren die Erfrierungen im Terminaltriebbereich. Verwachsen sich Erfrierungen im unteren Bereich des Baumes durch neue Knospenbildungen und regelmäßigen Formschnitt in den Folgejahren recht gut, sind Schäden im Terminaltriebbereich meist irreparabel. Lediglich spätaustreibende Nordmanntannenherkünfte waren noch nicht ausgetrieben und blieben somit weitestgehend verschont.
Der anwesende stellv. Bürgermeister der gleichermaßen stark betroffenen Gemeinde Limbach, Gerhard Noe, selbst Weihnachtsbaumproduzent und CDU-Kreistagsmitglied, berichtete ebenfalls über erhebliche flächendeckende Schäden.
Konrad Galm erläuterte dem Minister die in den kommenden Jahren notwendigen Schnitt- und Korrekturmaßnahmen und Mitarbeiter Jürgen Heckmann zeigte dies exemplarisch mit der Heckenschere. Ein weiteres Problem in diesem Jahr war der invasionsartige Insektenbefall der Bäume, der den geschwächten Bäumen zusätzlich zu schaffen machte.
Das größte Problem bei Frostschäden ist aber, dass aufgrund der vielen erfrorenen Seitentriebe die ganze Energie in der Pflanze in die einzig verbliebene Terminalknospe fließt. Dadurch bekommt der Terminaltrieb im Frostjahr oft eine extreme Länge von bis zu 80 cm, die den Baum unverkäuflich machen. Um hier entgegenzuwirken, gibt es sowohl mechanische als auch chemische Triebverkürzungsmethoden. Allerdings zeigen sowohl die „Topp stopp“-Zange als auch das auf Alpha-Naphthylessigsäure (NAA) basierende und aus dem Obstbau bekannte Produkte nur begrenzte Wirkungen.
Mathias Galm wies den Minister auf das neuartige Produkt Conshape hin, dass unmittelbar nach der Anwendung eine Stoppwirkung zeigt. Das Produkt basiert auf einer Sorbinsäure, die auch in der Humanernährung als Konservierungsstoff eingesetzt wird. Konrad Galm zeigte wenig Verständnis dafür, dass trotz der intensiven Zulassungsbemühungen des Christbaumverbandes Baden-Württemberg mit ihrem Geschäftsführer Dr. Martin Rometsch in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesverbandes das BVL in Braunschweig fast drei Jahre in dieser Sache nichts geschehen ist, zumal das Produkt in vielen Nachbarländern wie Dänemark bereits zugelassen ist. Kurz nach dem Besuch des Ministers erhielt das Produkt Conshape wider Erwarten Anfang dieser Woche die ersehnte Notfallzulassung auch in Deutschland, was für die gesamte Branche ein Meilenstein werden könnte.
Deutlich wurde bei dem Vor-Ort-Gespräch, dass die Auswirkungen des Spätfrostes 2020 die Betriebe noch mindestens drei bis vier Jahre beschäftigen wird, da vor allem die jüngeren Kulturen massive Schäden erlitten und deshalb die künftigen Erntemengen deutlich geringer ausfallen dürften. Der genaue Schaden lässt sich deshalb im Moment noch schlecht beziffern, wird aber allein bei Tannen-Galm zwischen 500.000 Euro und einer Million Euro liegen.
Da die Gefahr von Spätfrösten aufgrund des Klimawandels auch im Weihnachtsbaumanbau stetig steigt, wurden mit dem Minister Möglichkeiten zur Risikominimierung diskutiert. Er könne sich gut vorstellen, dass man Weihnachtbäume in der Mehrgefahrenversicherung mit aufnehme und wolle dies prüfen lassen.
Als einzige funktionierende Maßnahme brachte Mathias Galm die Frostschutzberegnung ins Spiel, die bei Kollegen in Bayern bereits seit Jahren einwandfrei funktioniert. Da sich knapp 30 ha der Betriebsfläche arrondiert um den landwirtschaftlichen Hof befinden, wäre eine Frostschutzberegnung denkbar. Minister Hauk machte auf ein Pilotprojekt aufmerksam und wollte dies ebenfalls prüfen.
Große Mühe bereiteten die Reiseverbote osteuropäischer Saisonarbeiter. Mathias Galm berichtete, dass in manchen Beständen in den letzten Wochen aufgrund des Frostes bereits zusätzlich über 150 Arbeitsstunden pro Hektar angefallen sind. Dies konnte man nur durch die Hilfe zahlreicher deutschen Rentner, Freiwilligen und Kurzarbeiter mit überragender Hilfsbereitschaft bewältigen. Er wies darauf hin, dass in den Odenwälder Betrieben über 1000 Deutsche Saisonarbeiter vor allem im Dezember tätig sind und machte hier speziell auf den Hinzuverdienst bei Kurzarbeit aufmerksam.
Die Politik hat hier bereits enorme Verbesserungen in die Wege geleitet. Trotzdem befürchte er, dass bei ihren über 70 deutschen Saisonarbeitern im Dezember die unbeschränkte Hinzuverdienstgrenze aufgrund der jährlich neuen Arbeitsverträge zu einem Verlust von vielen Arbeitern die sich in Kurzarbeit befinden führen könnte. Der Minister zeigte großes Verständnis für dieses Problem und wollte sich hier intern über Möglichkeiten informieren.
Zum Abschluss äußerte Mathias Galm die Hoffnung, dass der Odenwälder Weihnachtsbaum als regionales, landwirtschaftliches Qualitätsprodukt noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt und die regionalen Produzenten in ganz Baden-Württemberg den bestehenden Eigenversorgungsgrad von 50 Prozent trotz der aktuellen Schadensereignisse weiterhin halten können.
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