Die GAP im Endspurt: Die Zeit drängt
In Brüssel, Berlin und den Bundesländern gehen die Verhandlungen über die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in die entscheidende Phase. Die Referenten der Onlinefachtagung des Landesbauernverbandes (LBV) nahmen die rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörer mit in den Endspurt an den Verhandlungstischen. Die Vorlage des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Nationalen Strategieplan war am Mittwochnachmittag fast noch druckfrisch.
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Norbert Lins, Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung, hatte schon ereignisreiche Stunden hinter sich, als er sich am Mitwoch, 4. März, in den virtuellen Konferenzraum zuschaltete. Gerade erst hatten zwölf Mitglieder der ungarischen Fidesz-Partei den Austritt aus der EVP-Fraktion angekündigt. Und im Anschluss an die LBV-Fachtagung werde er sich nahtlos in die nächste Trilogverhandlungsrunde begeben, sagte Lins. Denn seit drei, vier Tagen sei wieder Bewegung in den Trilog, also in die Gespräche zwischen EU-Parlament, dem Ministerrat und der Kommission über die Ausgestaltung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik gekommen. Lins hofft nun, dass es noch im März zu vorläufigen Einigungen kommt und damit der Zeitplan bis zum Start der neuen GAP 2023 eingehalten werden kann.
Die Zeit drängt. Daran ließen nach Norbert Lins auch die beiden anderen Referenten des Nachmittags, Christian Gaebel, Referatsleiter Gemeinsame Agrarpolitik beim Deutschen Bauernverband, und Brigitte Beyer, Leiterin Referat Grundsatz Agrarpolitik im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, keinen Zweifel. Damit die Landwirte im Sommer 2022 die Anbauplanung für Jahr 2023 nach den neuen Vorgaben erstellen können, muss der Nationale Strategieplan als zentrales Instrument zur Umsetzung bis zum 1. Januar 2022 bei der EU-Kommission eingereicht sein und im Anschluss ein funktionsfähiges Antrags- und Kontrollsystem in den Bundesländern aufgebaut werden.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte am Montag, ungeachtet der noch ausstehenden Einigung in Brüssel, den ersten Entwurf für diesen Strategieplan vorgelegt. Wie Brigitte Beyer erklärte, geht der Entwurf nun in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung sowie in die Abstimmung mit den Bundesländern und den Verbänden. Ziel sei es, das sich anschließende Rechtsetzungsverfahren mit Bundestag und Bundesrat noch vor der letzten Sitzung des Bundestages am 26. Juni abzuschließen. Denn was bis dahin nicht verabschiedet sei, werde im September nach der Bundestagswahl neu aufgerollt. Ministerin Klöckner habe darum jetzt die Initiative ergriffen und die Eckpunkte für den Gesetzentwurf formuliert. „Es ist Eile geboten, dass wir auf die Zielgerade kommen“, unterstrich Beyer.
Die geplante stärkere Förderung kleiner und mittlere Betriebe sowie die Stärkung der zweiten Säule dürften nach Beyers Ansicht insbesondere in Baden-Württemberg auf großes Interesse stoßen. Zudem beinhalten die Eckpunkte des BMEL eine bessere Förderung von Junglandwirten sowie im Rahmen der sogenannten Grünen Architektur ein höheres Niveau beim Umwelt- und Klimaschutz. Die vorgestellten Details seien allerdings als „Momentaufnahmen“ ohne Anspruch auf Endgültigkeit zu verstehen, betonte Brigitte Beyer. Gerade bei den Öko-Regelungen sei in Brüssel wie auch in Deutschland noch sehr viel im Fluss.
Der EU-Abgeordnete Norbert Lins begrüßte, dass Deutschland mit Klöckners Entwurfspapier nun parallel zu den fortdauernden Trilogverhandlungen in die Diskussion komme. Er erklärte, dass das EU-Parlament in diesen Gesprächen von Beginn an auf die Fortführung der Direktzahlungen in Höhe von 60 Prozent sowie auf den Erhalt des Zwei-Säulen-Systems beharrt habe. Gerungen werde nach wie vor über die Höhe der Degression, die eine Umverteilung der Fördermittel von großen auf kleine Betriebe vorsieht, sowie über die Ausgestaltung der Eco-Schemes. Einigungen zeichnen sich Lins zufolge hingegen bei den Themen Tierkennzeichnung und Bürokratieaabau ab.
Christian Gaebel hat, wie er sagt, „Bauchschmerzen“, wenn er an den engen Zeitplan in Deutschland bis zur Verabschiedung des Strategiepapiers sowie an die Fülle der ungelösten Punkte auf EU-Ebene denkt. Er befürchtet, dass viele entscheidende Fragen zwischen Parlament, Kommission und Ministerrat, insbesondere bei den Eco-Schemes, erst in einer „Nacht der langen Messer“ geklärt werden, in deren Verlauf mehr „gedealt“ als nach fachlich-sachlichen Gesichtspunkten entschieden werde. Den Vorschlag von Ministerin Klöckner für die Gestaltung der Agrardirektzahlungen hatte der Deutsche Bauernverband in einer ersten Stellungnahme als ein Papier mit „Licht und Schatten“ gewertet. Positiv seien die Ansätze bei den Eco-Schemes, heißt es. Die Vorschläge gingen grundsätzlich in die richtige Richtung, es müsse allerdings auf eine bürokratiearme Umsetzung geachtet werden. Kritisch zu sehen seien hingegen zusätzliche Kürzungs- und Umverteilungsmechanismen durch die Neueinführung einer betrieblichen Degression, eine Regelung für verbundene Unternehmen und die erhöhte Umschichtung von der ersten in die zweite Säule.
Der Bauernverband begrüße es, dass die Gemeinsame Agrarpolitik mit den freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen grüner werde, bestätigte Gaebel. Entscheidend sei für den Berufsstand allerdings, dass sich alle Maßnahmen in die tägliche Produktion integrieren und sich bundesweit, auch in intensiv genutzten Regionen umsetzen lassen. Darüber hinaus fordere der DBV einfache und schnelle Verfahren beim Beantragen, Kontrollieren und Bezahlen der Maßnahmen. Außerdem dürften die Eco-Schemes nicht die bewährten Agrarumweltprogramme der Länder in der zweiten Säule aushebeln.
Auf die Umsetzbarkeit der neuen GAP für den praktischen Landwirt hatte auch Hans-Benno Wichert, der Vizepräsident des Landesbauernverbandes, in seinen Eingangsworten abgehoben. Und: Je früher die Dinge konkret festlägen, desto besser für alle Beteiligten.
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