Bevor die Abkalbung krank macht
Die Zahl lässt aufhorchen: Bis zu 70 Prozent der Kühe leiden nach der Abkalbung unter Scheidenausfluss. Hinter dieser Gebärmutterentzündung stecken häufig unterschiedliche Erkrankungen – mit weitreichenden Konsequenzen für die Gesundheit der Kühe. Umso wichtiger ist es, die abkalbenden Tiere im Auge zu behalten und sie bei Bedarf rechtzeitig zu behandeln.
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Die verschiedenen Formen der Entzündungen gehen zum Teil ineinander über und können im Einzelfall nur schwierig voneinander unterschieden werden. Grundsätzlich haben sie jedoch ihre Ursache in einer unterschiedlich schweren Entzündung des Gewebes. Die Risikofaktoren hierfür sind bekannt: Tiere nach einer Schwergeburt oder einer Nachgeburtsverhaltung entwickeln regelmäßig solche Erkrankungen.
Hygiene spielt wichtige Rolle
Allerdings liegt hier oft ein Missverständnis vor: So wird häufig davon ausgegangen, dass Erkrankungen der Gebärmutter vor allem eine Folge schlechter Geburtshygiene seien, also beispielsweise dreckiger Hände bei der Geburtshilfe oder schmutziger Einstreu in Abkalbebereich. Die eventuell nicht abgehende Nachgeburt wird in diesem Verständnis dann zu einem Infektionsweg, der die Besiedlung der Gebärmutter durch Bakterien ermöglicht. Richtig hieran ist, dass Hygienemaßnahmen rund um die Abkalbung für die weitere Gesundheit post partum wichtig sind und ein Risiko für die Entwicklung einer Metritis oder Endometritis darstellen.
Gute Hygiene allein schützt aber nicht vor diesen Problemen. Während die Gebärmutter in der Trächtigkeit steril, also frei von Bakterien ist, ändert sich dies bei der Kalbung sofort und es ist wichtig zu verstehen, dass grundsätzlich jede Kuh nach der Kalbung eine infizierte, das heißt von Bakterien besiedelte Gebärmutter hat. Im Zuge des Puerperiums, etwa bis zum 70. Tag, sollte das Immunsystem der Kuh diese Infektion dann allerdings weitgehend kontrolliert und eliminiert haben.
Entscheidend ist demzufolge nicht, ob eine Infektion stattfindet, sondern eher, wie die Kuh darauf antwortet. Während in den meisten Fällen das Immunsystem auf die Bakterien reagiert und es so direkt nach der Kalbung zu einer kontrollierten Entzündung in der Gebärmutter kommt, liegt in den dramatischen Fällen einer puerperalen Metritis eine überschießende, unkontrollierte Entzündungsreaktion vor. Das häufig zu beobachtende hohe Fieber und die Abgeschlagenheit des Tieres sind somit nicht auf die Wirkung von Krankheitserregern zurückzuführen, auf die das Immunsystem reagiert. Vielmehr antwortet das Immunsystem selbst in unkontrollierter, überschießender Weise und produziert verschiedene Signalstoffe, die den Organismus der Kuh beeinträchtigen.
Klinische Gebärmutterentzündungen sind also letztlich Abweichungen von einem sonst normalen immunologischen Vorgehen. Das erklärt sich durch die besondere Situation nach der Abkalbung, die häufig mit einer negativen Energiebilanz (NEB) einhergeht. Die starke Mobilisation von Körper-, besonders Fettgewebe, die damit verbundene Freisetzung von Fettsäuren und Entzündungsbotenstoffen und andere Mechanismen können ansonsten normale Entzündungsvorgänge entgleisen lassen: Die Folge sind überschießende oder verlangsamte Immunantworten. Daraus lassen sich verschiedene Schlussfolgerungen ziehen. Zunächst sollte man sich darüber im Klaren sein, dass eine kuhgerechte und hygienische Umgebung bei der Kalbung wichtig ist. Auch wenn eine Besiedlung der Gebärmutter mit Bakterien in jedem Fall stattfinden wird, hat die Umgebung enormen Einfluss auf das weitere Entzündungsgeschehen. Anders als häufig angenommen, liegt die Problematik bei überbelegten und damit dreckigen Abkalbebereichen aber weniger in der mangelnden Hygiene selbst, als vielmehr im latenten Stress und der damit einhergehenden reduzierten Futteraufnahme, die das Risiko erhöht.
Lesen Sie den gesamten Beitrag in der aktuellen BWagrar-Ausgabe 22/2021.
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