Ernte wird zur Zitterpartie
Der größte Teil der Ernte im Land ist eingefahren –mit vielen, wetterbedingten Unterbrechungen. Was vor wenigen Monaten noch vielversprechend aussah, bringt nun Enttäuschung. „Unsere Erwartungen wurden nicht erfüllt, in Summe gehen wir von einer unterdurchschnittlichen Ernte aus“, erklärt Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes (LBV) auf der Ernte-Pressekonferenz des Verbandes Mitte der Woche in Stuttgart Mühlhausen.
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Die Aussaat im Herbst 2020 fand unter guten Bedingungen statt. Die Ackerbaukulturen kamen ordentlich aus dem Winter. Das kalte, sonnenarme und nasse Frühjahr verzögerte das Wachstum. Gebietsweise kam es Ende April zu Nachtfrösten, wodurch punktuell Schäden im Obst- und Weinbau auftraten. Die Niederschlagsmengen waren ausreichend, Vorsommertrockenheit wie in den vergangenen Jahren blieb aus. „Ende Juni zeigten sich die Bestände optisch gut, aber erste Ernteergebnisse enttäuschten“, erklärt Rukwied. „Dies hat sich bestätigt, die Erntemengen sind den hohen Erwartungen nicht gerecht geworden.
Ernte in einigen Regionen noch nicht abgeschlossen
Auf den kühlen und regenreichen Mai folgte ein warmer Juni. Ende Juni sorgten Starkregen und Hagel regional für schwere Schäden in den Kulturen bis hin zum Totalausfall. „Die schwierigen und teils extremen Witterungsverhältnisse sorgten für ständige Ernte-Unterbrechungen. Die Getreideernte ist zur Zitterpartie gewor-den, in einigen Regionen Baden-Württembergs sind die Landwirte daher noch mittendrin“, erklärt der Bauernpräsident.
Vor allem beim Weizen ist die Enttäuschung groß, im Schnitt ernteten die baden-württembergischen Bauern 69 Dezitonnen je Hektar. Das sind 14 Prozent weniger als im Vorjahr (2020: 80,7 dt/ha). Ähnlich enttäuschend sehen die Ernteerträge beim Raps aus. Mit einem Minus von zwölf Prozent holten die Landwirte im Schnitt lediglich 37 dt/ha vom Acker. Die Sommergerste konnte einen Ertrag von durchschnittlich 56 dt/ha erreichen, das entspricht sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Die Wintergerste lag mit 74 dt/ha rund sieben Prozent über dem langjährigen Mittel.
An den Agrarbörsen ziehen die Preise an
Schwächere Erträge machen sich nicht nur im Südwesten bemerkbar. In Europa und den USA wurden die Ernteerträge ebenfalls nach unten korrigiert. Die welt-weite Ernteschätzung beim Raps liegt auf dem niedrigsten Stand seit 22 Jahren. „Die globale Getreideknappheit führt dazu, dass beispielsweise der Weizenpreis in den zurückliegenden Wochen von einem Kursniveau um 200 Euro/t an der französischen Terminbörse MATIF auf inzwischen über 260 Euro/Tonne zulegen konnte“, sagt LBV-Präsident Rukwied. „Die Rapskurse an der Pariser Börse sind seit Jahresbeginn von 375 auf über 550 Euro/Tonne gestiegen.“ Die aktuell höhe-ren Preise kämen nur zum Teil beim Landwirt an, weil Teilmengen bereits vorkon-traktiert wurden. Zudem stünden den gestiegenen Erlösen stark erhöhte Betriebskosten gegenüber – egal ob für Ackerbauern oder Tierhalter. Preissteigerungen für die Konsumenten wegen der gestiegenen Rohstoffpreise erwartet der Bauern-präsident dennoch nicht: „Beim Brötchen macht der Weizenpreis beispielsweise nur einen Cent aus“, zeigt Rukwied auf.
Gestiegene Produktionskosten schlagen in allen Bereichen voll durch
Bereits zu Jahresbeginn waren die landwirtschaftlichen Betriebsmittelpreise auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Die Gründe für den starken Preisanstieg liegen unter anderem bei Lieferengpässen durch unterbrochene und nicht funktionie-rende Lieferketten sowie beim starken Anstieg der Energie- und Treibstoffpreise. Auf der anderen Seite fährt die Wirtschaft in vielen Ländern nach dem dramati-schen Corona-Einbruch die Produktion wieder hoch und braucht dringend Roh-stoffe und Vorprodukte. Das Resultat: Eine explodierende Nachfrage trifft auf ein ausgesprochen knappes Angebot. „Die hohen Produktionskosten fressen die ge-stiegenen Erlöse der Ackerbauern auf. Für die Tierhalter steigen zusätzlich die Futterkosten. Besonders dramatisch ist die Lage bei den schweinehaltenden Be-trieben, da der Schlachtschweinepreis und die Ferkelpreise massiv eingebrochen sind“, sagt Rukwied. „Unsere Schweinehalter stehen mit dem Rücken zur Wand.“
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