Start in die Apfelsaison am Bodensee
Seit Anfang August werden am Bodensee Äpfel gepflückt. Zur Ernte der Hauptsorten erfolgte jetzt in Kressbronn der offizielle Saisonstart. Menge und Qualität lassen keine Wünsche offen. Dennoch plagen die Obstbauern Sorgen, denn noch ist ungewiss, wie gut sich die diesjährigen Früchte vermarkten lassen.
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„Wir erwarten eine Riesenmenge schöner Äpfel in hervorragender Qualität, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten“, freut sich Erich Röhrenbach, einer der beiden Vorsitzenden der Obstregion Bodensee, über die diesjährige Apfelernte. Sie startete gut zehn Tage früher als im Vorjahr. Erwartet werden 258.000 Tonnen und damit 14 Prozent mehr als in der vergangenen Saison. Da Spätfröste und Unwetter weitgehend ausblieben und es auch immer wieder Niederschläge zur richtigen Zeit gab, konnten sich die Früchte gut entwickeln. Die Kaliber stimmen und die vielen Sonnenstunden führen zu einem hohen Zuckergehalt und damit zu einem ausgewogenen Zucker-Säure-Verhältnis, berichtete Röhrenbach weiter.
Erzeuger brauchen höhere Preise
Trotz der guten Vorzeichen ist die Freude nicht ungetrübt. „Wir brauchen höhere Auszahlungspreise. Bei Verkaufspreisen von 1,99 Euro pro Kilo kommt zu wenig Geld bei den Erzeugern an“, beklagte der Vorsitzende. Dabei verwies er auf die explodierenden Produktionskosten, insbesondere auf die starke Mindestlohnerhöhung. „Plus 26 Prozent in einem Jahr – Welche Branche kann dies wegstecken? Das schwächt die deutsche Ware auf dem europäischen Markt“, machte er deutlich. Sorgen bereiten ferner die Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Weiteren Druck am Markt befürchtet er durch die Folgen des Ukraine-Krieges. Polen könne seine Äpfel nicht mehr nach Russland liefern. Sie drängten nun auf die westeuropäischen Märkte und verschärften den Preisdruck.
Die Befürchtungen seien groß, dass trotz der guten Ernte und den super Qualitäten die Produktionskosten nicht gedeckt würden. Röhrenbach appellierte an alle Beteiligten, vom Handel über Safthersteller und Gastronomen bis zum Verbraucher, auf regionales Obst zu fairen Preisen zu setzen. Dazu sei eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung nötig, nicht nur beim Tafelobst, auch bei den Verarbeitungsprodukten.
Massive Kritik übte er am aktuellen Referentenentwurf der EU-Kommission zum Pflanzenschutz. „Pauschale Verbote – ob Bio oder IP – auf 26 Prozent landwirtschaftlicher Nutzfläche in Deutschland sind unsinnig. Sie führen nur zur weiteren Verknappung von Lebensmitteln, einem beschleunigten Strukturwandel und der Abhängigkeit von Importen bei einem fraglichen Nutzen für die Umwelt“, meinte er. Die Obstbauern würden sich gesellschaftspolitischen Anforderungen nicht verschließen. Das belege die im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Nachhaltigkeitsinitiative. Die beiden Modellanlagen am Bodensee mit robusten Sorten seien errichtet und stünden nun für Versuche zur Reduktion beim Pflanzenschutz bereit. „Es ist unser Ansporn, die integrierte Produktion auf ein neues Level zu bringen und wir versuchen, beim Pflanzenschutz ans untere Limit zu gehen“, versicherte Röhrenbach.
Kein einfacher Markt
Trotz der derzeitigen Herausforderungen werde der Obstbau das Flaggschiff der Landwirtschaft in Baden-Württemberg bleiben, unterstrich Staatssekretärin Sabine Kurtz vom Ministerium für Ländlichen Raum in Stuttgart. Sie gab sich überzeugt, dass der Referentenentwurf zum Pflanzenschutz nicht in seiner bisherigen Vorlage verabschiedet werde. Hier müsse dringend auf die Besonderheiten in Baden-Württemberg hingewiesen werden. Beim Absatz von heimischem Obst habe sich das baden-württembergische Qualitätszeichen bewährt. Allerdings stehe auch der Handel in der Verantwortung, regionale Lebensmittel zu vermarkten.
Dass der Absatz der diesjährigen Ernte nicht einfach wird, wurde aus den Erntezahlen von Jürgen Nüssle deutlich. Der Geschäftsführer der Württembergischen Obstgenossenschaft (WOG) in Ravensburg verwies darauf, dass der EU mit 12,2 Millionen Tonnen die größte Ernte seit dem Rekordjahr 2018 ins Haus stehe. Nach Wegfall des russischen und weißrussischen Marktes bedeutet dies eine Überproduktion von rund 1,0 bis 1,2 Millionen Tonnen Äpfeln. Erschwerend kommen deutlich höhere Produktionskosten, eine unter Umständen inflationsbedingt weitere Kaufzurückhaltung der Verbraucher sowie der Wettbewerb mit alternativen, ganzjährig angebotenen Obstsorten hinzu. Positive Effekte für den Markt in Deutschland sieht der WOG-Geschäftsführer in geringeren Überseeimporten aufgrund hoher Frachtkosten, der unsicheren Marktsituation für Exporteure der Südhalbkugel und einer nach unten korrigierten Ernteprognose aufgrund der Trockenheit in Anbaugebieten außerhalb Deutschlands, vor allem aber in einem größeren Bedarf der verarbeitenden Industrie. Dabei spielen laut Nüssle hohe Ertragseinbußen in China in Höhe von10,0 Millionen Tonnen eine Rolle.
Punkten kann Deutschland, insbesondere aber der Bodensee durch ein modernes Sortiment mit einem Anteil von zwölf Prozent bei Clubsorten. Diese seien beim Verbraucher gefragt und beliebt. Bei einem Selbstversorgungsgrad von 60 Prozent bei Tafeläpfeln würden in Deutschland außerdem noch mehr Äpfel konsumiert als produziert. „Dies bietet die Chance, dass die im Inland produzierten Äpfel eigentlich auch hier vermarktet und konsumiert werden könnten“, regte Nüssle zum Nachdenken an: laut einer aktuellen AMI-Studie stammt derzeit jeder zweite Apfel im Discounter und jeder dritte im Lebensmitteleinzelhandel aus dem europäischen Ausland.
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