Es geht nicht ohne Pflanzenschutz
Die EU-Kommission hat vergangenes Jahr den Entwurf zur neuen Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, bekannt als Sustainable Use Regulation, kurz „SUR“, vorgelegt. Heute wurde die Bedeutung des Papiers für Baden-Württemberg in einer öffentlichen Anhörung im Landtag diskutiert.
- Veröffentlicht am
Michael Glaser vom Referat Pflanzenschutz am Landestechnologiezentrum in Augustenberg hat eine klare Meinung zu den Vorschlägen aus der EU. Werde das Papier wie geplant umgesetzt, dann sieht er große Nachteile für die regionale Landwirtschaft. Ein pauschales Pflanzenschutzmittelverbot führe zu solch massiven Einschränkungen, dass die regionale Versorgung nicht mehr sichergestellt werden könne. Zudem sei es ein Treiber des Strukturwandels. Das Gesetz fördere große spezialisierte Betriebe und koste die kleinen, diversifizierten Höfe ihre Existenz, da die kulturspezifischen Vorschriften, Berichtspflichten und Dokumentation ein großes bürokratisches Monster seien, das weder Familienbetrieb noch Agrarverwaltung aktuell stemmen könnten.
Kooperativer Ansatz
Für die Arbeitsgemeinschaft der baden-württembergischen Bauernverbände erklärte Elisabeth Böhnlein vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg, dass auf keinen Fall der für Baden-Württemberg erarbeitete Weg aus dem Biodiversitätsstärkungsgesetz (BiodivStärkG) aufgegeben werden darf. „Pauschale Reduzierungen sind nicht zielführend“, so die klare Meinung der Umweltreferentin. Pflanzenschutz sei nötig, um die Kulturen angemessen zu schützen. ISPplus sei hier eine intelligente Lösung. Zudem wäre auch der Kompromiss, der in den heimischen Schutzgebieten mit dem BiodivStärkG getroffen worden, sei für die Landwirte gangbar. Der vorgeschlagene Weg der EU sei es dagegen nicht. Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes (LBV) erklärte im offiziellen Pressestatement: „Der baden-württembergische Weg des kooperativen Naturschutzes ist gesellschaftlich anerkannt, stärkt den Artenschutz und gibt unseren landwirtschaftlichen Familienbetrieben eine Zukunftsperspektive. Mit diesem kooperativen Ansatz im Biodiversitätsstärkungsgesetz ist Baden-Württemberg Vorreiter in Deutschland und Europa. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene pauschale Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten bedroht unsere regionale Landwirtschaft existenziell. Anstatt Ordnungsrecht zu verschärfen, muss gemeinsam mit der Landwirtschaft der Artenschutz und die Erzeugung regionaler Lebensmittel gestärkt werden. Wir erwarten, dass die EU-Kommission diesen richtungsweisenden baden-württembergischen Weg nicht gefährdet und ihren ungeeigneten Vorschlag zum Pflanzenschutzmitteleinsatz zurücknimmt.“
Prof. Dr. Ralf Vögele von der Universität Hohenheim erinnerte daran, dass die „grüne Revolution, die in den 1960-er Jahren angestoßen wurde sei ohne Pflanzenschutz nicht möglich gewesen. Er stellt zugleich den Rückgang der Insekten seither sowie zunehmend mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung. Für Vögele steht allerdings fest, sollte das Gesetz in der ersten Fassung kommen, dann müsse Baden-Württemberg „den Trollinger von anderswo importieren“. Ein komplettes Verbot von Pflanzenschutzmitteln sie aus Sicht der Forschung nicht gangbar. An der Universität laufe derzeit ein Forschungsprojekt, bei dem auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Mitteln verzichtet werde und das auch die kompletten Auswirkungen erfasse. Erste Ergebnisse zeigen, dass auf jeden Fall biologische Mittel beziehungsweise Mineraldünger im Einsatz bleiben müssten. Hoffnung versprechen auch neue Verfahren aus der Gentechnik, allerdings ein Deutschland derzeit unerwünschtes Verfahren.
Andreas Ganal, Geschäftsführer Obst vom Bodensee, machte nochmals deutlich, dass aktuell jeder vierte deutsche Apfel vom Bodensee stammt. Bei einem pauschalen Verbot von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in Deutschland, wären aktuell 3500 Hektar nicht mehr mit Sonderkulturen bewirtschaftbar und würde etliche Familienbetriebe das „Aus“ bedeuten. Eine Reduktion von zehn Prozent betrachtet Ganal als unrealistisch. Auch Hermann Hohl vom baden-württembergischen Weinbauverband sieht die heimische Erzeugung massiv in Gefahr. Er fordert die komplette Rücknahme des Komplettverbots von PSM in empfindlichen Gebieten und unterstützt die Forderung nach einer Folgenabschätzung.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.