Interview mit Hermann Färber
Zeit, die Wähler zu überzeugen
Hermann Färber, MdB, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, spricht über die CSU-Nominierung von Günther Felßner, notwendige Brücken in der Agrarpolitik und die politische Hängepartie in den nächsten Monaten.
von age erschienen am 02.12.2024
Zur Person
Hermann Färber MdB
Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft
BWagrar: Unabhängig von der Person Felßner – ist das eine gute Idee? Färber: Es ist absolut verständlich, dass die CSU jetzt klärt, mit welchem Angebot sie in die Wahl geht – inhaltlich wie personell. Jeder in der CDU/CSU weiß, dass über den Zuschnitt des Kabinetts erst nach einem möglichen Wahlerfolg in Koalitionsverhandlungen entschieden wird. Als Parteien des ländlichen Raums sollten die Unionsparteien dann die Leitung des Bundeslandwirtschaftsministeriums anstreben und eine umfassende Zuständigkeit für den ländlichen Raum einfordern. BWagrar: Bei einem solchen Wechsel von der Verbandsspitze in ein Ministeramt – wo liegen die Chancen und wo die Risiken? Färber: Wenn Verbandsvertreter in die Politik wechseln, wird leicht der Vorwurf des Lobbyismus erhoben. Wenn es sich um Verbände handelt, die Rot-Grün nahestehen, ist der öffentliche Aufschrei merkwürdigerweise meistens geringer. Aus meiner Sicht ist es eine Stärke unserer Demokratie, wenn Bürgerinnen und Bürger auch ohne die übliche Karriere eines Berufspolitikers politische Verantwortung übernehmen und ihr Wissen und ihre Erfahrung aus dem richtigen Leben einbringen. BWagrar: Sie waren selbst im Bauernverband tätig. Sie kennen inzwischen seit vielen Jahren das politische Geschäft in Berlin. Was raten Sie Herrn Felßner, sollte er tatsächlich ins Ministeramt in Berlin kommen? Färber: Eine gute Verankerung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist sehr zu empfehlen. Im aufgeregten und hektischen Berlin ist es zudem erforderlich, Ziele beharrlich zu verfolgen. Wer immer Landwirtschaftsminister nach der Wahl wird, besonders wichtig wäre, Brücken in die Gesellschaft zu bauen, um die Akzeptanz einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen, aber auch leistungsfähigen Landwirtschaft in Deutschland zu sichern. BWagrar: CSU-Chef Söder lehnt eine Koalition mit den Grünen entschieden ab. Sie auch? Färber: Ich bin da offen. Zwei Mal habe ich die Große Koalition erlebt. Die erste war deutlich erfolgreicher und leichter als die zweite. Wir haben in Baden-Württemberg gute Erfahrungen mit den Grünen gemacht. Eine Zusammenarbeit würde ich auch im Bund nicht ganz ausschließen, selbstverständlich nur unter schwarzer Führung. Wir werden nach der Wahl sehen, was geht und mit wem wir die größten Schnittmengen haben, sollten wir stärkste Fraktion werden. BWagrar: Ihr Fraktionsvize Steffen Bilger sagt, die drei Özdemir-Jahre waren verlorene Jahre für die Landwirtschaft. Stimmen Sie zu? Färber: Der Minister trägt die politische Verantwortung. Ich weiß aber, dass er an manchen Stellen anders gehandelt hätte, wenn er es allein hätte entscheiden können. Die Neigung, den Leuten alles bis ins Detail vorzuschreiben, weil man ihnen nicht traut, ist bei vielen Grünen immer noch vorherrschend. Das ist nicht der Ansatz von Cem Özdemir, aber offenbar hat er sich da nicht immer durchsetzen können. BWagrar: Sie sind ein bekennender Unterstützer des Borchert-Konzepts und der Zukunftskommission Landwirtschaft. Sind die Vorschläge noch politisch relevant? Färber: Ich hoffe das. Leider wurden die Vorschläge bislang allenfalls andeutungsweise von der Politik umgesetzt. Das bedauere ich sehr, auch weil bei den Beteiligten, die sich in diesen Expertengremien engagiert haben, Frust entstanden ist. Viele Akteure in der Politik haben bis heute nicht verstanden, welchen Wert der Brückenschlag hat, den die Borchert-Kommission und die Zukunftskommission geschafft haben. Durch dieses Unverständnis wurde viel kaputt gemacht. BWagrar: Sollten die Vorschläge eine Rolle in möglichen Koalitionsverhandlungen spielen? Färber: Ich würde es mir sehr wünschen. Wir brauchen langfristige Konzepte für die Landwirtschaft, damit insbesondere junge Menschen Vertrauen schöpfen, in diesem Sektor ihre berufliche Zukunft zu sehen und zu investieren. Die Landwirtschaft und vor allem die Tierhaltung brauchen Perspektiven. Fehlen die, wird es zumindest in Teilen Süddeutschlands bald zu schweinefreien Zonen kommen. BWagrar: Die Ampel ist auch am fehlenden Geld gescheitert. Woher soll das Geld für eine Transformation der Landwirtschaft kommen? Färber: Der Bundeshaushalt hat knapp 500 Mrd. Euro. Die notwendigen Mittel sollten bei entsprechendem politischem Willen aufzubringen sein. Das sollten uns die Landwirtschaft und der ländliche Raum wert sein. Wenn die Politik nicht die erforderlichen Rahmenbedingungen setzt, werden der Lebensmitteleinzelhandel und Gerichte entscheiden, wohin die Reise geht mit der Tierhaltung in Deutschland. Das ist weder im Interesse der Bauern noch der Politik. BWagrar: Bei den letzten Landtagswahlen haben die Menschen auf dem Land überdurchschnittlich häufig rechts gewählt. Was ist die wichtigste Voraussetzung, diese Leute wieder in die demokratische Mitte zurückzuholen? Färber: Das Wichtigste ist Vertrauen. Politik muss den Menschen wieder was zutrauen und darf ihnen nicht das Gefühl geben, sie würden gegängelt. Wenn wir es nicht schaffen, dass wir wieder den Menschen mehr Gestaltungsspielraum und Eigenverantwortung zurückgeben, werden die Parteien der Mitte allesamt verlieren.
„Bei Markus Söder muss man mit allem rechnen“ Hermann Färber, MdB
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