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Interview mit Hermann Färber

Zeit, die Wähler zu überzeugen

Hermann Färber, MdB, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, spricht über die CSU-Nominierung von Günther Felßner, notwendige Brücken in der Agrarpolitik und die politische Hängepartie in den nächsten Monaten.

von age erschienen am 02.12.2024
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Zur Person
Hermann Färber MdB
Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft
BWagrar: Herr Färber, der Bundestag hat Mitte November die Reform der Höfeordnung beschlossen. War es das in Ihrem Zuständigkeitsbereich für den Rest der Legislatur? Färber: Die Frage kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten. Es könnte aber gut sein. BWagrar: Minister Özdemir hat eine Liste mit sechs Gesetzesvorhaben vorgelegt, die nach seiner Einschätzung noch umgesetzt werden sollten, weil das europarechtlich erforderlich ist oder der Vereinfachung dient, etwa beim Agrarstatistikgesetz. Gehen Sie mit? Färber: Die Ampelkoalition hatte drei Jahre Zeit. Einen beträchtlichen Teil davon hat sie mit Streitereien verbracht. SPD und Grüne können nicht erwarten, dass wir auf den letzten Metern Gesetze mit ihnen beschließen, die die Ampel zuvor nicht auf die Reihe bekommen hat. Das ist bei wenigen wichtigen Vorhaben denkbar, etwa beim Schutz des Bundesverfassungsgerichts. In unserem Bereich sehe ich nichts, das nicht auch der nächste Bundestag beschließen könnte. BWagrar: Wahltermin ist der 23. Februar. Bis eine Regierung steht, kann es danach noch Monate dauern. Was bedeutet das für die Politik im Bund? Färber: Das wird eine monatelange Hängepartie. Allein deswegen habe ich nicht verstanden, dass der Kanzler zunächst versucht zu taktieren. Nach dem Bruch der Koalition muss man schnellstmöglich dafür sorgen, dass wir wieder geordnete Verhältnisse und eine handlungsfähige Regierung bekommen. BWagrar: Wenn es gut läuft, wird der Bundeshaushalt 2025 vor der Sommerpause beschlossen. Ist die Politik bis dahin handlungsfähig? Färber: Ja, zumindest begrenzt. Ich gehe davon aus, dass wir wie in früheren Jahren auch 2025 eine vorläufige Haushaltsführung bekommen. Das bedeutet, dass Förderprogramme etwa in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) auf dem Niveau dieses Jahres fortgeführt werden. Die Auszahlung der Mittel an die Länder erfolgt monatsweise, anteilig zur Jahressumme. BWagrar: Die Mittel für Wiederaufforstung und Waldumbau werden über die GAK ausgezahlt, stammen aber aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz im Klima- und Transformationsfonds. Was ist damit? Färber: Ich gehe davon aus, dass auch diese Mittel weiter fließen, wobei die Grundlage die 125 Mio. Euro aus diesem Jahr und nicht die im Entwurf für 2025 vorgesehenen 100 Mio. Euro sind. Aber da wird noch einiges zu klären sein. BWagrar: Sie haben sich bereits vor längerem dafür ausgesprochen, dass die Union künftig wieder das Bundeslandwirtschaftsministerium besetzen sollte. Offenbar soll das Ressort an die CSU gehen, wenn die Union die Wahl gewinnt. Wurde die CDU übergangen? Färber: Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, Kabinettsposten zu verteilen. Für die Union kommt es im Wahlkampf darauf an, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen und am 23. Februar einen klaren Regierungsauftrag zu erhalten. CDU und CSU verfügen beide über geeignete Persönlichkeiten, die das Bundeslandwirtschaftsministerium mit Fachwissen und Leidenschaft führen können. BWagrar: Die CSU hat den Bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner für den Posten des Bundeslandwirtschaftsministers nominiert. Waren Sie überrascht von der Entscheidung des CSU-Parteichefs? Färber: Bei Markus Söder muss man mit allem rechnen, sogar mit diskutablen Vorschlägen. Für Günther Felßner spricht, dass er als Landwirt die Praxis und Sorgen der Branche kennt. Darüber hinaus hat er als Bauernpräsident bei der Aushandlung des Zukunftsvertrages Landwirtschaft in Bayern bewiesen, dass er über den landwirtschaftlichen Tellerrand hinausdenkt. Ich traue ihm zu, dass er in Bayern mit seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit nicht nur beim eigenen Berufsstand punkten kann.
„Bei Markus Söder muss man mit allem rechnen“ Hermann Färber, MdB
BWagrar: Unabhängig von der Person Felßner – ist das eine gute Idee? Färber: Es ist absolut verständlich, dass die CSU jetzt klärt, mit welchem Angebot sie in die Wahl geht – inhaltlich wie personell. Jeder in der CDU/CSU weiß, dass über den Zuschnitt des Kabinetts erst nach einem möglichen Wahlerfolg in Koalitionsverhandlungen entschieden wird. Als Parteien des ländlichen Raums sollten die Unionsparteien dann die Leitung des Bundeslandwirtschaftsministeriums anstreben und eine umfassende Zuständigkeit für den ländlichen Raum einfordern. BWagrar: Bei einem solchen Wechsel von der Verbandsspitze in ein Ministeramt – wo liegen die Chancen und wo die Risiken? Färber: Wenn Verbandsvertreter in die Politik wechseln, wird leicht der Vorwurf des Lobbyismus erhoben. Wenn es sich um Verbände handelt, die Rot-Grün nahestehen, ist der öffentliche Aufschrei merkwürdigerweise meistens geringer. Aus meiner Sicht ist es eine Stärke unserer Demokratie, wenn Bürgerinnen und Bürger auch ohne die übliche Karriere eines Berufspolitikers politische Verantwortung übernehmen und ihr Wissen und ihre Erfahrung aus dem richtigen Leben einbringen. BWagrar: Sie waren selbst im Bauernverband tätig. Sie kennen inzwischen seit vielen Jahren das politische Geschäft in Berlin. Was raten Sie Herrn Felßner, sollte er tatsächlich ins Ministeramt in Berlin kommen? Färber: Eine gute Verankerung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist sehr zu empfehlen. Im aufgeregten und hektischen Berlin ist es zudem erforderlich, Ziele beharrlich zu verfolgen. Wer immer Landwirtschaftsminister nach der Wahl wird, besonders wichtig wäre, Brücken in die Gesellschaft zu bauen, um die Akzeptanz einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen, aber auch leistungsfähigen Landwirtschaft in Deutschland zu sichern. BWagrar: CSU-Chef Söder lehnt eine Koalition mit den Grünen entschieden ab. Sie auch? Färber: Ich bin da offen. Zwei Mal habe ich die Große Koalition erlebt. Die erste war deutlich erfolgreicher und leichter als die zweite. Wir haben in Baden-Württemberg gute Erfahrungen mit den Grünen gemacht. Eine Zusammenarbeit würde ich auch im Bund nicht ganz ausschließen, selbstverständlich nur unter schwarzer Führung. Wir werden nach der Wahl sehen, was geht und mit wem wir die größten Schnittmengen haben, sollten wir stärkste Fraktion werden. BWagrar: Ihr Fraktionsvize Steffen Bilger sagt, die drei Özdemir-Jahre waren verlorene Jahre für die Landwirtschaft. Stimmen Sie zu? Färber: Der Minister trägt die politische Verantwortung. Ich weiß aber, dass er an manchen Stellen anders gehandelt hätte, wenn er es allein hätte entscheiden können. Die Neigung, den Leuten alles bis ins Detail vorzuschreiben, weil man ihnen nicht traut,  ist bei vielen Grünen immer noch vorherrschend. Das ist nicht der Ansatz von Cem Özdemir, aber offenbar hat er sich da nicht immer durchsetzen können. BWagrar: Sie sind ein bekennender Unterstützer des Borchert-Konzepts und der Zukunftskommission Landwirtschaft. Sind die Vorschläge noch politisch relevant? Färber: Ich hoffe das. Leider wurden die Vorschläge bislang allenfalls andeutungsweise von der Politik umgesetzt. Das bedauere ich sehr, auch weil bei den Beteiligten, die sich in diesen Expertengremien engagiert haben, Frust entstanden ist. Viele Akteure in der Politik haben bis heute nicht verstanden, welchen Wert der Brückenschlag hat, den die Borchert-Kommission und die Zukunftskommission geschafft haben. Durch dieses Unverständnis wurde viel kaputt gemacht. BWagrar: Sollten die Vorschläge eine Rolle in möglichen Koalitionsverhandlungen spielen? Färber: Ich würde es mir sehr wünschen. Wir brauchen langfristige Konzepte für die Landwirtschaft, damit insbesondere junge Menschen Vertrauen schöpfen, in diesem Sektor ihre berufliche Zukunft zu sehen und zu investieren. Die Landwirtschaft und vor allem die Tierhaltung brauchen Perspektiven. Fehlen die, wird es zumindest in Teilen Süddeutschlands bald zu schweinefreien Zonen kommen. BWagrar: Die Ampel ist auch am fehlenden Geld gescheitert. Woher soll das Geld für eine Transformation der Landwirtschaft kommen? Färber: Der Bundeshaushalt hat knapp 500 Mrd. Euro. Die notwendigen Mittel sollten bei entsprechendem politischem Willen aufzubringen sein. Das sollten uns die Landwirtschaft und der ländliche Raum wert sein. Wenn die Politik nicht die erforderlichen Rahmenbedingungen setzt, werden der Lebensmitteleinzelhandel und Gerichte entscheiden, wohin die Reise geht mit der Tierhaltung in Deutschland. Das ist weder im Interesse der Bauern noch der Politik. BWagrar: Bei den letzten Landtagswahlen haben die Menschen auf dem Land überdurchschnittlich häufig rechts gewählt. Was ist die wichtigste Voraussetzung, diese Leute wieder in die demokratische Mitte zurückzuholen? Färber: Das Wichtigste ist Vertrauen. Politik muss den Menschen wieder was zutrauen und darf ihnen nicht das Gefühl geben, sie würden gegängelt. Wenn wir es nicht schaffen, dass wir wieder den Menschen mehr Gestaltungsspielraum und Eigenverantwortung zurückgeben, werden die Parteien der Mitte allesamt verlieren.
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