
Die Betriebe zukunftsfit machen
Der Klimawandel macht auch vor den Milchviehbetrieben im Südwesten nicht halt. Wie die Landwirte darauf reagieren können, darum ging es auf einem von der Rinderunion Baden-Württemberg (RBW) erstmalig initiierten Wissensmarkt mit angeschlossener Fachmesse. Eine Idee, die ankam: Das Treffen von Praktikern, Wissenschaftlern, Mitarbeitern von Agrarorganisationen, Futtermittel- und Stallbaufirmen auf dem Milchhof von Familie Keller in Allmendingen-Hausen (Alb-Donau-Kreis) wollten sich am Donnerstag dieser Woche rund 240 Besucher nicht entgehen lassen.
von Petra Ast, Redaktion BWagrar Quelle Petra Ast, Redaktion BWagrar, Stuttgart erschienen am 14.02.2025Zwar war an dem kalt-verschneiten Donnerstagvormittag auf dem Fleckviehzuchtbetrieb von Joachim Keller und seiner Familie von drohenden Hitze- und Dürreperioden erst einmal nichts zu spüren. Vielmehr zeigte sich der Winter, wenn auch von seiner seltener gewordenen, kalten Seite. Die vielen Besucher, die auf den außerhalb von Allmendingen gelegenen Milchhof strömten, ließen sich davon nicht abhalten. Im Gegenteil: Zeitweise war in der zur Ausstellung umfunktionierten Maschinenhalle kein Durchkommen mehr. Dort präsentierte die veranstaltende Rinderunion Baden-Württemberg (RBW) ihr Herdentypisierungsprogramm, mit dem Kühe gezielt angepaart und selektiert werden können, der Landeskontrollverband (LKV) informierte über die Möglichkeiten, frühzeitig Veränderungen im Stoffwechsel der Kühe zu erkennen und darauf zu reagieren, und das Landwirtschaftliche Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) stellte einen Versuch vor, in dem die Hitzetauglichkeit von Hirse mit der von Mais verglichen wurde. Am Stand des Zuchtwertschätzteams des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) gab es Informationen zur Entwicklung neuer züchterischer Merkmale wie das Saugverhalten und die Lebenseffizienz. Ein Beispiel dafür, wie von den Veranstaltern zu hören war, wie wichtig eine Datenerfassung ist, die durch solche, unterschiedlichen Projekte ermöglicht werde.
Ideen aus erster Hand
Worum es beim Netzwerk Fokus Tierwohl geht und wie die Rinderzucht auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren will, darüber gab es Informationen auf den Infoständen der Universität Hohenheim und des Forschungsverbandes Förderverein Bioökonomieforschung (FBF). Nicht zu vergessen: Fütterungsfirmen, Stallbauunternehmen und die Beratungsfirma AgriConcept Beratungsgesellschaft mbH, bei denen sich die Praktiker über bedarfsgerechte Rationen und die Anforderungen an moderne, tiergerechte Rinderställe informieren konnten. Denn dass die Kühe an heißen Sommertagen genügend fressen, hängt unter anderem davon ab, wie durchlüftet und für die Kühe angenehm kühl der Boxenlaufstall ist, und ob sie die Möglichkeit haben, in den kühleren Nachtstunden zu fressen. Ganz abgesehen davon, wie schmackhaft das Grund- und Kraftfutter für die Wiederkäuer ist. Ohnehin sollten die Kühe so gezüchtet sein, dass sie über hohe Fitnesswerte verfügen und sie Wetterextremen begegnen können, ohne dass sie in der Leistung nachlassen oder im schlimmsten Fall sogar krank werden.
Impulsvorträge im Infobus
Wie das im Einzelnen aussehen kann, welche Zuchtprogramme – Stichwort Herdentypisierung – die Widerstandsfähigkeit der Kühe fördern, welche Rationen in Frage kommen, wie sie ergänzt und wie im Zuge der Milchleistungsprüfung Gesundheitsdaten frühzeitig erfasst und für die Krankheitsvorsorge eingesetzt werden können – darüber konnten sich die Teilnehmer den Tag über in Kurzvorträgen informieren – übrigens in einem hierfür abgestellten, beheizten Bus, in dem die Referenten ihre Ideen und Visionen für die Herausforderungen durch den Klimawandel präsentierten. Ein Angebot, das gerne angenommen wurde, und den Theoriepart lieferte zu den Betriebsführungen, die Joachim Keller und sein Sohn Felix Keller anboten, und in denen die beiden Landwirtschaftsmeister, versierten Züchter und neuerdings Bullenmäster die Entwicklung des Milchhofes aufzeigten.
Eines machten die beiden Milchviehhalter beim Gang über den ausgesiedelten Betrieb mit seinem im vergangenen Jahr EIP-geförderten fertiggestellten Fresseraufzucht- und Bullenmaststall der Haltungsstufe 3 dabei mehr als einmal deutlich: Ohne das nötige Tierwohl, die intensive Betreuung der Kälber, Rinder und Milchkühe, lässt sich ein Betrieb – vor allem nicht angesichts der heißer werdenden Sommer und eines womöglich knapperen Futterangebotes – nicht dauerhaft effizient und erfolgreich führen. Vielmehr komme es darauf an, beginnend bei der Besamung über die Aufzucht bis zur ersten Laktation und den Folgelaktationen frühzeitig auf die Bedürfnisse der Tiere reagieren zu können und ihre Gesundheit im Auge zu behalten. Und sich, wenn es darauf ankommt, neu aufzustellen: Seit März 2024 verkaufen Kellers beispielsweise keine Kälber mehr. Vielmehr werden alle männlichen und weiblichen Jungtiere aufgezogen. Die männlichen Fresser werden in dem neu gebauten Tierwohlstall gemästet und später an den Schlachthof in Ulm verkauft.
Der Wissensmarkt mit angeschlossener Fachmesse auf dem Milchhof Keller bildete den Abschluss des Projektes „KlimaFit“ (www.fitklima.de). In der vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum (MLR) und der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) geförderten dreijährigen Studie (1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2024) sollte die Frage geklärt werden, wie die Milchviehbetriebe in Baden-Württemberg mit neuen Züchtungsstrategien auf den Klimawandel reagieren und auf ihren Standorten unter den sich ändernden Bedingungen weiterhin kostendeckend Milch erzeugen können. Ein Ziel dabei: Die Lebenseffizienz der Fleckvieh-, Brown Swiss- und Holsteinkühe steigern. Hierfür untersuchten Wissenschaftler der Universität Hohenheim die Robustheit und Resilienz von Kühen. Am Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung (LGL) Baden-Württemberg stand die Entwicklung von Prototypen für die Zuchtwertschätzung im Fokus. Und: Für die Auswertung der gesammelten Informationen wurde eine gemeinsame Schnittstelle zwischen dem Rinder-Datenverbund (RDV), dem LKV-Herdenmanager und der RDV-App geschaffen. Damit sollen die aus verschiedenen Quellen herrührenden Informationen von den Betrieben in eine gemeinsame Datenbank eingespeist werden. Das sind beispielsweise die täglichen Milchmengen der Kühe aus automatischen Melksystemen oder Luftfeuchte- und Temperaturdaten aus Klimamessgeräten. Diese Daten werden schließlich mit anderen im Projekt erhobenen Daten, wie den Gesundheitsdaten oder Gewichten der Kühe, verknüpft. Fundament des Projektes war und ist die bäuerliche Rinderzucht. Die Landwirte sind aktive Partner, für die Weiterbildungen angeboten und Datenauswertungen als Rückberichte für ihr Management bereitgestellt werden. Unterstützung bei der Koordination der Projekte und bei der Organisation des Wissensmarktes gab es für die Rinderunion Baden-Württemberg (RBW) durch den Forschungsverband Förderverein Bioökonomieforschung (FBF).
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.