Wie sieht die Putenhaltung in anderen EU-Ländern aus?
Vor kurzem hat das Bundesagrarressort ein Papier für Eckpunkte zu Mindestanforderungen an die Putenhaltung vorgelegt. Doch wie sieht es in anderen EU-Ländern aus? Was gelten dort für Regelungen und Gesetze? Ein Überblick zur Putenhaltung in ausgewählten Ländern der EU sowie Drittländern mit handelsbedingtem Bezug zur EU.
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Die Erzeugung von Putenfleisch umfasste in der EU 2021 insgesamt 1.853 t Tonnen Schlachtgewicht und betrug damit rund 32% der weltweiten Produktion (MEG). Spezifische gesetzliche Vorgaben zur Putenhaltung existieren jedoch in den wenigsten beschriebenen Ländern – das ist das Fazit einer Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) und des WING (Wissenschaft und Innovation für Nachhaltige Geflügelwirtschaft) in Hannover.
Zum Hintergrund
Die „Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen“ existieren in Deutschland in der aktuellen Fassung seit 2013. Sie wurden gemeinsam mit Vertretern aus dem Bundesagrarministerium, den Fachministerien mehrerer Länder sowie Vertretern von Wissenschaft, anerkannten Tierschutzorganisationen und dem Deutschen Bauernverband (DBV) auf Initiative des Verbands Deutscher Putenerzeuger (VDP) erstellt. Auch wenn die sogenannten Eckwerte nicht rechtsverbindlich sind, besitzen sie dennoch einen rechtsähnlichen Charakter, da sie durch die Behörden verschiedener Bundesländer zur Kontrolle von Putenhaltungen herangezogen werden. Auch die Zahlung von Ausgleichszahlungen kann an die Einhaltung der Bundeseinheitlichen Eckwerte geknüpft sein.
Viele EU-Länder bleiben bei Haltungsbedingungen unkonkret
Generell sorgt in den EU-Ländern die Richtlinie 98/58/EG für einen grundlegenden Standard, der jedoch in vielen Bereichen wenig konkret sei und große Spielräume zulasse, erklärten die Verfasser der Studie Julia Gickel, Anna Riedel und Prof. Dr. Nicole Kemper. So werden beispielsweise Schadgaskonzentrationen angesprochen, konkrete Obergrenzen für einzelne Schadgase jedoch nicht definiert. Ähnlich unkonkret verhalte es sich auch in den meisten nationalen Vorgaben der einzelnen Länder. Nur einzelne Vorgaben nennen Grenzwerte für Schadgase, Vorgaben zur Beleuchtungsintensität oder -dauer oder auch Mindestmaße für Trog- und Tränkelängen.
Nur Polen und Ungarn erzeugen Puten mit vorgegebenen Besatzdichten
Wie die Autoren in der Studie feststellten, zeigt Österreich bezogen auf die Besatzdichte mit 40 kg LG/m2 in allen Haltungsphasen die strengsten Vorgaben, während die Niederlande mit 59 kg LG/m2 für männliche Tiere (bei Einsatz von Beschäftigungsmaterial) die höchsten Besatzdichten vorgibt. Von den sechs EU-Ländern (Deutschland, Polen, Frankreich, Italien, Spanien, Ungarn), welche laut MEG für rund 90 % der Erzeugung von Putenfleisch in der EU aufkommen, besitzen nur Polen und seit dem 1. Januar 2023 auch Ungarn Vorgaben zur Besatzdichte.
Bezogen auf die Festlegung maximaler Besatzdichten merken die Wissenschaftler an, dass der Einfluss der Besatzdichte auf verschiedene Parameter der Tiergesundheit und des Tierwohls bei Puten wissenschaftlich nicht eindeutig belegt werden könne. Gerade auch sehr niedrige Besatzdichten könnten mit vermehrter Aggressivität und dadurch bedingter erhöhter Mortalität einhergehen. Die Festlegung maximaler Besatzdichten für die Putenhaltung sei in den untersuchten Ländern - soweit nachvollziehbar - oft nicht auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgt. Vielmehr wurden (Erfahrungs-) Werte übernommen oder die Grenzwerte aufgrund politischer Gestaltungsprozesse festgelegt. Zudem sei die Besatzdichte ist nur einer von vielen Einflussfaktoren auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere.
Beispiel Österreich
In Österreich wurden die Vorgaben zur maximalen Besatzdichte von 40 kg/m² nicht fachlich begründet eingeführt, sondern als politischer Kompromiss bei der Schaffung des Bundestierschutzgesetzes im Jahre 2004. Da es sich bei diesem Vorgang um eine Verfassungsänderung handelte, musste eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat gefunden werden, wozu die Stimmen der Opposition benötigt wurden. Diese forderte, die jeweils strengsten Regelungen eines Bundeslandes in das neue Tierschutzgesetz einfließen zu lassen. Die strengsten Regelungen bezüglich der Putenhaltung fanden sich mit 40 kg/m² in der Gesetzgebung von Vorarlberg und Wien - zwei österreichische Bundesländer, die zum damaligen Zeitpunkt zwar Gesetze zur Putenhaltung, aber keine eigene Putenerzeugung hatten (Quelle: Putenzucht Miko, 2022).
Sinnvoller als eine Festlegung maximaler Besatzdichten aufgrund politischer Kompromisse sei aus wissenschaftlicher Sicht eine Festlegung auf fachlich fundierter Basis. Hierbei sollte alle benötigte Expertise der beteiligten Akteure (wie bereits 2013 verfahren wurde) einbezogen werden, so das Fazit der federführenden Veterinäre und Agrarwissenschaftler.
Zu den Verfassern der Studie
Die Studie wurde im Auftrag des Verbandes Deutscher Putenerzeuger e.V. (VDP) von der Stiftung Tierärztliche Hochschule (TiHo) und des WING (Wissenschaft und Innovation für Nachhaltige Geflügelwirtschaft) in Hannover erstellt. Die Quellenangaben und sind auf Anfrage bei Autoren Julia Gickel, Anna Riedel und Prof. Dr. Nicole Kemper zu erhalten.