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Österreich

Tierwohl hat seinen Preis: Geflügelwirtschaft Österreich fordert „neuen Vertrag mit der Gesellschaft“

Die österreichische Mastgeflügelhaltung setzt EU-weit Spitzenstandards im Bereich Tierwohl und Umwelt. Um auch in Zukunft unter diesen Standards Geflügelfleisch zu erzeugen, bedarf es jedoch eines "neuen Vertrags mit der Gesellschaft".

Veröffentlicht am
Michael Wurzer ist Geschäftsführer des Branchenverbands Geflügelwirtschaft Österreich (GWÖ).
Michael Wurzer ist Geschäftsführer des Branchenverbands Geflügelwirtschaft Österreich (GWÖ).GWÖ
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Geflügelfleisch ist inzwischen das beliebteste Fleisch der Österreicher. Damit rücken auch die Haltungsbedingungen bei Masthühnern verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Die österreichische Geflügelbranche kann dabei auf hohe Haltungsstandards verweisen: Geflügelhalter arbeiten in Österreich nach den strengsten gesetzlichen Tierschutzbestimmungen in der gesamten EU.

Masthühner haben in Österreich per Gesetz ca. 30 % mehr Platz im Stall als in den meisten anderen EU-Ländern. Der Anteil an Geflügelfleisch, das in Bioqualität produziert wird, hat sich in Österreich seit 2015 mehr als verdreifacht und liegt laut Angaben des österreichischen Branchenverbandes inzwischen bei 2,8 Mio. Mastplätzen.

Verbesserungen der Haltungsstandards im Jahr 2023

Im Dezember des vergangenen Jahres schockte die öffentliche Enthüllung von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz in einem österreichischen Hühnermastbetrieb die gesamte Geflügelbranche, berichtet Michael Wurzer, Geschäftsführer vom Verband Geflügelwirtschaft Österreich. Die Branche reagierte mit weiteren Verbesserungen ihrer Haltungsstandards. 

So wurden 2023 alle Betriebe hinsichtlich der tiergerechten Haltung von Masthühnern nachgeschult. Unabhängige Geflügelfachtierärzte informierten Geflügelhalter über die besonderen Bedürfnisse der Tiere, u. a. in Hinsicht auf die angepasste Lichtdauer im Stall, aber auch im Zusammenhang mit der sachgerechten und rechtlich vorgeschriebenen Tötung von kranken Tieren.

Geflügelbranche setzt zunehmend langsam wachsende Hühnerrassen ein

Als weitere Maßnahme führte die Branche 2023 auch in der konventionellen Haltung zusätzlich zur Biohaltung langsamer wachsende Rassen auf dem Markt ein. Diese Rassen zeichnen sich durch eine niedrigere Gewichtszunahme pro Tag aus. „Wir halten jetzt erstmals auch langsamer wachsende Tiere auf Basis der Vorgaben der EU-Masthühnerinitiative, die von europäischen Tierschutzorganisationen entwickelt wurden“, bestätigt der Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich, Markus Lukas. Dieses Geflügelfleisch kann inzwischen – im Rahmen der jeweiligen Tierwohlprogramme – auch im österreichischen Lebensmittelhandel gekauft werden. 

Arzneimitteleinsatz bei Masthühnern drastisch gesenkt

Alle Geflügelhalter in Österreich, deren Geflügel an den Handel geliefert werden, sind Mitglied beim österreichischen Geflügelgesundheitsdienst, der sogenannten Qualitätsgeflügelvereinigung (QGV), und verfügen damit verpflichtend über einen Betreuungstierarzt.

Für jede einzelne Herde werden in der „Poultry Health Data“- Datenbank des Geflügelgesundheitsdiensts laufend alle wesentlichen Daten erfasst und daraus Maßnahmen abgeleitet, die der Gesunderhaltung der Tiere dienen. Dank dieses lückenlosen Monitorings konnte der Tierarzneimitteleinsatz bei Masthühnern in den letzten zehn Jahren um rund 57 % reduziert werden, so der Branchenverband. 

Durch verbesserte Haltungs- und Hygienebestimmungen konnte auch die Salmonellenbelastung in den Herden massiv reduziert werden. Doch auch in diesem Bereich wird an weiteren Verbesserungen gearbeitet: „In naher Zukunft werden wir den Tierhaltern ein webbasiertes Dashboard mit allen relevanten Daten zur Gesundheit jeder einzelnen Herde zur Verfügung stellen – und dazu den Vergleich mit entsprechenden Zielwerten “, berichtet QGV-Geschäftsführer DI Stefan Weber.

AMA-Gütesiegel als wichtige Orientierungshilfe beim Einkauf

Von insgesamt 770 österreichischen Hühnermastbetrieben nehmen rund 570 Betriebe mit 12 Millionen Mastplätzen an der AMA-Gütesiegel-Richtlinie „Hendlmast“ teil. Jeder AMA-Gütesiegel-Hühnermäster wird routinemäßig von einer zugelassenen Kontrollstelle kontrolliert. Zusätzlich wurden 177 unangekündigte Kurzkontrollen mit dem Schwerpunkt auf Tierhaltung und Tierbetreuung durch spezialisierte Geflügelfachtierärzte eingeführt. Ergänzend dazu wurde 46-mal die Einhaltung der vorgeschriebenen Dunkelphase in der Nacht überprüft.

Die Kontrollsaison 2023 ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber es zeichnet sich ab, dass bei ca. 70 Prozent der Betriebe keine oder nur geringe Abweichungen, wie z. B. Dokumentationsmängel festgestellt wurden. Bei rund 30 Prozent der Betriebe wurden Verbesserungspotentiale aufgezeigt. Die Konsequenzen daraus reichen von Nachreichungen, Nachkontrollen, Konventionalstrafen bis hin zum Entzug der Lieferberechtigung im AMA-Gütesiegel-Programm, z. B. bei wiederholter Besatzdichtenüberschreitung. Die jährlichen Kontrollen und der relativ hohe Anteil an Spot-Audits haben zur Sensibilisierung und zu vielen Verbesserungen beigetragen, berichtet Martin Greßl, Leiter der Abteilung Qualitätsmanagement, AMA-Marketing.

Masthühnerhaltung braucht „neuen Vertrag mit der Gesellschaft“

Doch die Konkurrenz aus Ländern mit deutlich niedrigeren Tierwohlstandards mache der Geflügelbranche in Österreich schwer zu schaffen. Die Branche drohe in einer Zwickmühle zwischen steigenden gesellschaftlichen Erwartungen und harten wirtschaftlichen Zwängen „mittelfristig aufgerieben“ zu werden, so Markus Lukas: „Einerseits sollen wir immer hochwertiger produzieren, aber andererseits werden unsere Produkte durch ausländisches Billigfleisch regelmäßig aus den Regalen gedrängt. Das kann sich auf Dauer nicht gut ausgehen“, warnt der Obmann der Geflügelwirtschaft Österreich.

Mit dem Kauf von Billiggeflügel aus Ländern mit niedrigen Haltungsstandards werde nicht nur die heimische Produktion schleichend vom Markt verdrängt, sondern auch Tierleid importiert. Die Vertreter der Geflügelwirtschaft Österreich wünschen vor diesem Hintergrund eine „ehrliche öffentliche Diskussion“ über die Zukunft der Masthühnerhaltung in Österreich.

Um die Nachhaltigkeit der heimischen Branche langfristig gewährleisten zu können, brauche es einen „neuen Vertrag mit der Gesellschaft“, in dessen Mittelpunkt ein breites Bekenntnis zur Stärkung der hohen gesetzlichen Standards in Österreich stehen muss, so Obmann Markus Lukas.

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