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BDS-Kundgebung in Rot am See

FDP-Chef Lindner auf der Muswiese

Fleiß, Talent und Risikobereitschaft machen in einer sozialen Marktwirtschaft den Unterschied zwischen Menschen aus, stellt Christian Lindner fest. In einer engagierten Rede vor Selbständigen auf dem Hohenloher Jahrmarkt Muswiese forderte der Bundesvorsitzende der FDP mehr gesellschaftlichen Respekt für Handwerker und Dienstleister ein.
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Zur traditionellen BDS-Kundgebung auf der Muswiese hatte der Bund der Selbständigen Rot am See (BDS) Mitte Oktober den FDP-Chef Christian Lindner eingeladen. Der Rheinländer freute sich, „endlich mal wieder im Südwesten“ zu sein.

In bester Festzeltlaune trat Christian Lindner am späten Nachmittag ans Mikrofon in der Festhalle Hahn. Gern erinnere er sich an Firmenbesuche in der Region zusammen mit seinen Parteifreunden Dr. Walter Döring und Friedrich Bullinger. Ein typischer Besuch bei einem schwäbischen Mittelständler war ihm auf besondere Art im Gedächtnis geblieben: Der üblicherweise servierte „Kaffee war so dünn, dass man den Boden der Kaffeetasse sehen konnte. Aber in den Regalen standen die Trophäen eines Weltmarktführers“. Lindner schwärmt geradezu für die südwestdeutsche Tugend „Mehr Sein als Schein“. In seiner Heimatstadt Düsseldorf sei es häufig genau umgekehrt.

Unternehmerische Freiheit

Nach diesem Ausflug ins Persönliche wandte sich der Bundesvorsitzende der FDP drei Themen zu: Der unternehmerischen Freiheit, dem Ausbau von Straßen und Datennetzen sowie der Bildungspolitik. Die unternehmerische Freiheit sieht Christian Lindner in Deutschland nicht nur gefährdet, sie werde bereits beschnitten. Das staatliche Vorgehen bei der Kontrolle des Mindestlohngesetzes wertet er als „Misstrauensvotum gegen Sie“ und wandte sich damit direkt an die Zuhörer des BDS aus Bundes- und Landesverbänden in der voll besetzten Festhalle. Lindner nannte ein Beispiel: Bäckereien würden heute nicht mehr „von Hungrigen gestürmt, sondern von Bewaffneten, die die Arbeitszeitdokumentation überprüfen“.

Nach seiner Ansicht werde überall in die persönliche Freiheit eingegriffen. Damit könne ein Unternehmer nicht mehr flexibel reagieren. Der Liberale nannte weitere Beispiele wie Mietpreisbremse, Dauersubvention des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes oder das geplante Verbot von Paternostern. Der FDP-Politiker hielt seine Rede quasi unter Freunden. Immer wieder applaudierten die Selbstständigen bei besonders harschen Angriffen gegenüber der grün-roten Landes- oder der schwarz-roten Bundesregierung. „Im Jahr 2015 ist nicht der Polizeistaat die Gefahr“, fuhr Lindner fort, „sondern ein Bürokratismus, der seine Tentakel in jede Ecke des menschlichen Lebens schlägt.“

Auch beim Ausbau des Datennetzes hat Lindner eine Erinnerung mit landstypischer Prägung parat. Bei einem Besuch des Anlagenbauers Zeiss in Oberkochen seien bei der Anfahrt Telefongespräche nur schrittweise möglich gewesen. Zwischen dem Flughafen Stuttgart und Schwäbisch Hall habe Lindner seine Telefonate bis zu viermal unterbrechen müssen. Wie unter diesen Bedingungen ein Unternehmen wie Zeiss arbeiten könne, fragte Lindner seine Parteikollegen. Diese antworteten, dass das Unternehmen auf eigene Kosten eine Glasfaserleitung gelegt habe.

Blutbahnen der Wirtschaft

So etwas können nur große Unternehmen, stellte Lindner nüchtern fest. Allerdings bräuchten auf dem Land auch kleine Unternehmen und Privatleute einen Breitbandanschluss. Denen fehle aber das Geld, um sich auf eigene Kosten vom nächsten Breitbandknoten eine Leitung in ihr Firmenbüro oder in den Privathaushalt legen zu lassen. Dabei seien leistungsfähige Datennetze die Blutbahnen der Wirtschaft. Er wundere sich, dass bei „Rekordsteuereinnahmen“ es nicht möglich ist, selbst im starken Südwesten Investitionen in notwendige Straßen- und Datennetze fließen zu lassen. Lindner wörtlich: „Wir sollten in Deutschland nur noch neue Aufgaben beschließen, wenn wir die alten auch finanzieren können.“ Im gleichen Atemzug lehnte er weitere Belastungen für kleine und mittlere Betriebe ab und forderte mehr Loyalität zu ihren Beschäftigten.

Fleiß und Risikobereitschaft

Beim Thema Bildungspolitik geißelte der FDP-Chef die nervenaufreibende Debatte um die Umverteilung von Vermögen, wie sie allabendlich in den Talkshows des deutschen Fernsehens geführt werde. „Ich kann es nicht mehr hören“, sagte er und fügte mit einem Schmunzeln hinzu, „es sei denn, ich bin selbst eingeladen.“ Nach Lindners Ansicht läuft die Diskussion in die falsche Richtung, nämlich in eine Art Gleichmacherei, bei der Fleiß, Talent und Risikobereitschaft keinen Unterschied mehr zwischen den Menschen machen. „Das wäre DDR in Reinkultur“. Die Planwirtschaft ist aber vor 25 Jahren untergegangen, weil die Menschen die Perspektivlosigkeit des Systems nicht mehr ertragen wollten.

In einer sozialen Marktwirtschaft hingegen machen Talent, Fleiß und Risikobereitschaft den Unterschied zwischen Menschen aus. Das sei keine Last, sondern ein Privileg. Lindner skizzierte das Bild einer Arbeitnehmerschaft, wie es sich die FDP vorstellt: "Wir wollen keine Gesellschaft der Umverteiler, sondern gut ausgebildete junge Leute, die ihre Chancen ergreifen können." Dazu sei nicht unbedingt ein Studium nötig. In Handwerk und Dienstleistung bieten sich enorme Karrieremöglichkeiten. Lindner forderte eindringlich mehr gesellschaftlichen Respekt vor Handwerkern und Dienstleistern, deren Ausbildung mit einer Lehre beginnt.

Klartext

Zuvor hatte Günther Hieber, Präsident des BDS-Bundesverbandes, die Landesverbände begrüsst und auf Lindners Rede eingestimmt. Der FDP-Bundesvorsitzende war zum Thema „Mehr Mut zur Marktwirtschaft“ eingeladen worden. Für Hieber ist Marktwirtschaft kein abstrakter Begriff, sondern die Gesamtheit der Selbständigen: „Wir sind die Triebfeder der deutschen Wirtschaftskraft“, sagte er selbstbewusst. Die vielen kleinen und mittleren Unternehmen sorgten für einen stabilen Arbeitsmarkt. Nach Hiebers Aussage erhalten bereits „85 Prozent der Azubis“ ihre Ausbildung in einem mittelständischen Betrieb. Das Besondere der Ausbildung sei, dass die jungen Leute „nicht als Nummern, sondern als Menschen“ behandelt werden.

Nachteile für kleine und mittlere Betriebe will Hieber nicht hinnehmen. Er fordert für den Mittelstand die gleichen Marktchancen wie für Großunternehmen: „Wir sind das Rückgrat der Wirtschaft. Das Selbständig sein muss sich mehr lohnen. Dafür kämpfen wir.“ FDP-Chef Lindner hatte mit seiner Rede offenbar den richtigen Ton getroffen. Hiebers Lob: „Das war Klartext Wort für Wort, Satz für Satz.“ 

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