Erntebericht im Klimawandel
- Veröffentlicht am

Die Folgen der Klimakrise stellen die deutsche Landwirtschaft nach Özdemirs Einschätzung zunehmend vor Schwierigkeiten. Das belege der amtliche Erntebericht 2022, den er in Ditzingen bei Stuttgart vorstellte: „Die Folgen der Klimakrise lassen sich inzwischen auf unseren Äckern und Weiden ablesen. Unser Erntebericht wird immer mehr zum Zeugnis der Klimakrise. Fast überall wurde dieses Jahr früher gedroschen, gerodet oder gepflückt“, sagte der Minister. Was die Erträge angehe, „sehen wir Licht und Schatten“, kommentierte er die regionl unterschiedlichen Ergebnisse. Der Bericht zeige aber auch, dass sich einige Bäuerinnen und Bauern auf die Klimaveränderungen einstellen und zunehmend Sorten und Kulturen anbauen würden, die mit Hitze und Trockenheit besser umgehen könnten.
Knapp fünf Prozent mehr
Die Ernte fällt je nach Kultur unterschiedlich aus. Die Getreideernte insgesamt - ohne Körnermais - wird sich voraussichtlich auf rund 39,7 Millionen Tonnen (Mio. t) belaufen und fällt damit in diesem Jahr um 4,8 Prozent höher als im Vorjahr aus. Gegenüber dem sechsjährigen Durchschnitt ergibt sich eine Zunahme um 1,5 Prozent.
Beim Körnermais zeichnet sich nach Schätzungen aus derzeit sieben Bundesländern ein durchschnittlicher Hektarertrag von rund 7,5 t ab, der eine Körnermaisernte von rund 3,5 Mio. t erwarten lässt; dies wären 21,5 Prozent weniger als im Vorjahr und 12,7 Prozent weniger als im sechsjährigen Durchschnitt. Für Getreide einschließlich Körnermais werden 43,2 Mio. t erwartet, 2 Prozent mehr als im Vorjahr und noch 0,2 Prozent mehr als im sechsjährigen Schnitt.
Winterungen schneiden besser ab
Der durchschnittliche Hektarertrag beim Winterweizen liegt bei 7,62 t. Die Erntemenge erreicht damit etwas mehr als 22 Mio. t, das wären 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Hinter dem mehrjährigen Durchschnitt bleibt das Ergebnis jedoch um 0,8 Prozent zurück.
Die Winterrapsernte 2022 fällt mit voraussichtlich fast 4,3 Mio. t insbesondere vor dem Hintergrund der diesjährigen Hitze und Trockenheit laut Minister sehr erfreulich aus: 22,3 Prozent mehr als im Vorjahr und 14,8 Prozent mehr als im langjährigen Mittel.
Felderbsen sind laut Özdemir die dominierende Körnerleguminose in Deutschland mit einem vorläufigen Anbau von rund 106.600 Hektar. Es folgen Ackerbohnen mit rund 71.200 Hektar und Süßlupinen mit rund 31.700 Hektar. Für diese Kulturen wächst die Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr um gut 19 Prozent auf rund 260.900 Hektar. Mit rund 50 Prozent fällt der Flächenzuwachs für die Sojabohnen am höchsten aus. Belastbare Schätzungen zu den aktuellen Ernteerträgen bei den Hülsenfrüchten sind derzeit noch nicht verfügbar.
Unter Trockenheit und Hitze leiden dieses Jahr auch die Zuckerrüben; das Grünland ist vielerorts von der Dürre gezeichnet, was weniger Futter bedeutet. Gute Erträge gibt es beim Obst, beispielsweise bei den Kirschen, auch die Apfelernte verspricht ein gutes Ergebnis.
Insgesamt kommt Özdemir zu dem Schluss, dass „wir dankbar und teilweise zufrieden sein können mit der Ernte“. Perspektivisch werde es darum gehen, den Anteil regional erzeugter Produkte zu erhöhen. So werde heute mehr Gemüse in Deutschland angebaut, das auch hier auf die Teller komme. Die Landwirte setzen nach Einschätzung des Ministers auch zunehmend auf Eiweißpflanzen wie Erbsen oder Soja, um mehr heimisches Futter für ihre Tiere zu haben. „Mit unserer Eiweißpflanzenstrategie wollen wir weitere Anreize setzen und klimaschädliche Soja-Importe aus Südamerika, für das dort Regenwälder abgeholzt werden, verzichtbar machen.“
Spürbar sei, dass schon viele Bäuerinnen und Bauern mit ihrer Anbauplanung auf das veränderte Klima reagierten. Melonen aus Franken oder Kichererbsen aus Bayern seien zwar noch eher Exoten. Kulturpflanzen, die Hitze oder Trockenheit besser vertragen, werden aber auf immer mehr Feldern eine wichtige Rolle spielen, gibt sich Cem Özdemir überzeugt.
Zu Gast bei einem Bioverarbeiter
Der Bundeslandwirtschaftsminister hatte sich für die Vorstellung des amtlichen Ernteberichts einen traditionsreichen Verarbeiter von Biogetreide in Baden-Württtemberg ausgesucht: Die seit 1347 bekannte Tonmühle in Ditzingen. Das Unternehmen wird heute von Ulrich (62), Maria (61) und Michael Siegle (38) geführt. Die Inhaber hatten nur wenige Tage Zeit, um die werktäglich rund um die Uhr produzierende Mühle so auf Vordermann zu bringen, dass Kamerateams und Medienleute sicher zwischen Walzenstühlen und Abfüllrohren arbeiten konnten.
In der Mühle wird seit mehr als 30 Jahren Biogetreide vermahlen, seit dem Jahr 2005 ausschließlich. Familie Siegle und ihre Mitarbeiter mahlen im Jahr rund 4000 Tonnen Weizen, Roggen und Dinkel für den Eigenbedarf und für Lohnaufträge. Das Getreide kommt von Landwirten aus der Region und findet ebenso in einem Umkreis von rund 35 Kilometern seine Käufer.
Nach Ulrich Siegles Einschätzung war die diesjährige Biogetreide-Ernte in seinem Einzugsgebiet ganz ordentlich ausgefallen. Größere Ertragseinbußen habe es nicht gegeben, weil dem zu mahlenden Weizen, Roggen und Dinkel die Winterfeuchte zugute kam. Sorgenvoll schaut der Müller indes auf die anstehende Herbstsaat des Biogetreides. Der trockene Sommer hatte bisher den Aufwuchs einer Gründüngung vereitelt, die als Grundlage für die Herbstsaat dient.
BU: Prominenter Besuch in der Tonmühle: Agrarminister Cem Özdemir (r.) zu Gast bei Maria und Ulrich Siegle. Foto: Singler
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.