Landwirtin aus Leidenschaft
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Angeregt hat die Studie die Arbeitsgemeinschaft der drei Landfrauenverbände in Baden-Württemberg. Die Verbände haben die Befragung auch in ihren Orts- und Kreisverbände vermittelt und beworben, ebenso wie BWagrar im Landwirtschaftlichen Wochenblatt und im Schwäbischen Bauer. In Auftrag gegeben und finanziell gefördert hat die Studie das Ministerium für Ländlichen Raum. Der Ergebnisband der Studie umfasst rund 170 Seiten, die sich nach einer methodischen Einführung und einem Blick auf die Charakterisierung der teilnehmenden Frauen auf fünf Themenfelder konzentriert: Landwirtschaft (Schwerpunkt), Nicht-landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit, Familien- und Haushaltsmanagement, Unternehmensgründung und Geschäftsideen sowie Regionale Verbundenheit und Engagement.
Im folgenden Beitrag sind ausgewählte Ergebnisse aus den 70 Fragen des 35-seitigen Fragebogens, der online mit Smartphone, Tablet oder am PC ausgefüllt werden konnte, dargestellt. Teilgenommen haben rund 2400 Frauen ab 16 Jahren, die auf einem landwirtschaftlichen Betrieb wohnen (über 80 Prozent), arbeiten oder gelegentlich mithelfen. Mehr als zwei Drittel der Studienteilnehmerinnen waren zwischen 31 und 60 Jahre alt.
Hohes Bildungsniveau
Die Hälfte der Frauen verfügt über eine abgeschlossene Lehre, eine Meisterprüfung oder ein abgeschlossenes Studium. Bereits 33 Prozent der jungen Frauen unter 30 hat einen Hochschulabschluss. Dies trifft für die Älteren zu 17 Prozent zu. Rund 90 Prozent der Antwortenden arbeitet regelmäßig in der Landwirtschaft. Die Studienleiter Prof. Dr. Heiner Schanz, Katja Baur und Beatrice Biro schlussfolgern daraus, „dass Frauen in der Landwirtschaft heute allgemein über einen hohen formalen Ausbildungsgrad verfügen, und entsprechend wichtige Wissensträgerinnen für die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes sind.“
Eine wichtige einleitende Frage war die nach der wöchentlichen Zeitaufwendung für die Tätigkeiten auf dem Hof und für nichtlandwirtschaftliche Erwerbsarbeit. Rund 40 Prozent der Antwortenden gaben an, regelmäßig außerlandwirtschaftlich erwerbstätig zu sein. Knapp die Hälfte dieser Frauen hat mindestens eine Halbstagesstelle mit 21 und mehr Wochenstunden.
Interessanterweise zeigen sich kaum Unterschiede in der zeitlichen Belastung zwischen Frauen im Haupt- und Nebenerwerb oder bei Sonderkulturen, Pflanzenbau oder Viehhaltung als Betriebsschwerpunkt. Im Mittel sind es 26 bis 32 Wochenstunden. „Die Betrachtung von Durchschnittswerten birgt allerdings generell die Gefahr der Verzerrung der tatsächlichen Situation“, geben die Studienmacher zu bedenken.
Arbeitswoche mit 56 Stunden
Blickt man nämlich auf die Frauen im Haupterwerb, so zeigen sich sehr wohl deutliche Unterschiede in der Belastung. 70 Prozent dieser Frauen arbeiten knapp 30 Stunden in der Landwirtschaft. Aber jede Dritte hat zusätzlich noch eine Halbtagsstelle außerhalb des Hofes mit durchschnittlich 21 Wochenstunden, die also noch dazukommen. Nimmt man alle Tätigkeiten (auch Familienarbeit und Haushalt) von Frauen auf den Höfen zusammen, kommen sie auf eine durchschnittliche Arbeitswoche mit 56 Stunden.
Dass da für Freizeitgestaltung kaum noch Zeit bleibt, liegt auf der Hand: Mehr als sechs Stunden pro Woche haben die Frauen nicht für ihre persönliche Freizeit. Auffallend ist die zeitliche Belastung der „Doppelverdienerinnen“ sowohl in den Haupt- wie auch in den Nebenerwerbsbetrieben. Eine außerlandwirtschaftliche Vollzeitstelle (zwischen 34 und 46 Stunden) haben 12 Prozent der Frauen auf Haupterwerbsbetrieben, bei den Nebenerwerbsbetrieben sind es sogar gut 27 Prozent.
Die Antworten zum Themenfeld Landwirtschaft werden stark aus der Sicht von Frauen aus Haupterwerbsbetrieben geprägt, die 62 Prozent der Teilnehenden ausmachen. Die Ergebnisse sind deshalb nicht zwangsläufig repräsentativ für Baden-Württemberg. Denn hier machen die Nebenerwerbsbetriebe etwa zwei Drittel aller Betriebe aus. Über 60 Prozent der Antwortenden leben auf einem Hof mit mehr als 50 Hektar. Immerhin 64 von 1900 Nennungen haben sogar zwischen 200 und über 500 Hektar.
In welchen Bereichen arbeiten die Frauen?
Etwa ein Drittel der Antwortenden sind mit Büro, Buchführung, Bankgeschäften und Finanzierung beschäftigt. Ein weiteres Drittel nennt Mitarbeit im Stall, auf dem Feld und bei der Maschinenwartung. Die Weiterverarbeitung von Erzeugnissen und die Direktvermarktung spielen wider Erwarten mit knapp 12 Prozent nur eine untergeordnete Rolle. Überrascht hat die Auswerter der Fragebögen, dass die berufliche Qualifikation oder der Bildungsabschluss keinen Einfluss auf die im Betrieb übernommenen Aufgaben zu haben scheint. Vermutlich sei schlicht die Verfügbarkeit von Arbeitskräften für notwendige Tätigkeiten der ausschlaggebende Faktor.
Gefragt nach der Entscheidungsfindung auf dem Betrieb, geben sechs Prozent der Studienteilnehmerinnen an, alleinige Betriebsleiterin zu sein. Rund acht Prozent leiten eigenständigen einen Betriebszweig. Weitere 23 Prozent teilen sich die Betriebsleitung mit jemandem. Dennoch geben 43 Prozent der Frauen an, in alle wichtigen Entscheidungsprozesse eingebunden zu sein.
Zukunftsaussichten in fünf bis zehn Jahren?
Kurzfristig wird die Perspektive für den Betrieb in den nächsten fünf Jahren überwiegend als gut eingeschätzt, eher von den jüngeren Frauen. Etwas mehr als die Hälfte der Frauen sieht aber mittelfristig, in den nächsten zehn Jahren, die Betriebsexistenz gefährdet. Nicht wirtschaftliche Gründe, sondern veränderte gesetzliche Vorgaben und bürokratische Hürden werden genannt. Deutlich wird, dass die Teilnehmerinnen die Herausforderungen weniger auf den Höfen an sich, sondern vor allem in den gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft begründet sehen.
Die übergroße Mehrheit von rund 80 Prozent gibt an, „Bäuerin aus Leidenschaft“ zu sein, für beinahe die Hälfte der Unterdreißigjährigen trifft diese Aussage voll zu. Das spiegelt sich auch in einer hohen Zufriedenheit der Frauen wieder. Insgesamt geben 81 Prozent an, mit der Gesamtsituation ihrer Tätigkeiten im Betrieb eher oder sogar sehr zufrieden zu sein. Und das, obwohl die Hälfte der Frauen eine volle Sechs-Tage-Woche in der Landwirtschaft arbeitet, knapp 16 Prozent sogar sieben volle Tage. Fast alle Frauen (90 Prozent) haben auch unter der Woche keinen vollständig freien Tag.
Image macht Sorgen
Was bedrückt oder worüber machen sich die Frauen in ihrem Alltag Sorgen? Diese sind bei allen Gruppen der Antwortenden sehr ähnlich in der Rangfolge: Preise und Kosten, Ansehen der Landwirtschaft, soziale Absicherung, Belastung durch Schulden und bevorstehende Investitionen. Finanzielle Themen machen rund 45 Prozent der Alltagssorgen aus. Generationskonflikte stehen mit etwa zehn Prozent an fünfter Stelle und sind in der jüngeren Generation relevanter.
Was Familie und Haushalt anbelangt, so gaben interessanterweise 12 Prozent der Frauen aus dem Haupterwerb und 16 Prozent aus dem Nebenerwerb an, nicht auf einem Hof zu wohnen, obwohl sie dort tätig sind. Andererseits zeigen die Studienergebnisse auch „sehr deutlich, dass ein Wohnsitz auf einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zwangsläufig mit einer Tätigkeit“ auf dem Hof einhergeht.
Zufrieden mit Familiensituation
Die Hausarbeit übernimmt die große Mehrheit der Frauen (87 Prozent) größtenteils selbst, vor allem die über 30-Jährigen (93 Prozent). Maßgeblich entlastet werden sie dabei von Müttern und Schwiegermüttern (über 20 Prozent). Immerhin 70 Prozent der Kinder werden zumindest „teilweise“ in die Hausarbeiten einbezogen. Was die Pflege von Eltern oder Schwiegereltern betrifft, so nehmen rund 45 Prozent (der 1150 dazu Antwort gebenden Frauen) neben der Unterstützung durch Familienangehörige auch mindestens teilweise professionelles Pflegepersonal in Anspruch. Mehr als Dreiviertel der Großmüter betreuen „teilweise“ die Kinder. Als „eher“ oder „sehr“ zufrieden mit ihrer Situation im Familien- und Haushaltsmanagement bezeichnen sich vier von fünf der 1900 Antwortenden. Frauen mit Erwerbstätigkeit außerhalb des Hofes, schöpfen auch wesentlich Zufriedenheit aus ihrer dortigen Arbeit, schließen die Studienauswerter. Und das, obwohl Haushaltsführung nach wie vor weitestgehend Frauensache ist.
Trotz ihrer umfangreichen Aufgaben und Tätigkeiten hat mehr als jede vierte Antwortende schon einmal in irgend einer Form eine neue Geschäftsidee erfolgreich umgesetzt, am häufigsten in einem neuen Betriebszweig. Mit zunehmendem Alter waren die Frauen darin erfolgreicher. Jede fünfte der Erfolgreichen hat dafür auch Mitarbeiterinnen eingestellt. Frauen auf dem Land stellen damit ein unternehmerisches Potential dar.
Wesentliches Zusatzeinkommen
Wie eingangs genannt, sind rund 40 Prozent der Studienteilnehmerinnen auch beruflich außerhalb der Landwirtschaft tätig. Von den rund 840 Frauen, die sich zu ihrem außerlandwirtschaftlichen Bruttoeinkommen geäußert haben, verdienen fast Zweidrittel jährlich unter 20.000 Euro, nur vier Prozent mehr als 50.000 Euro jährlich. Fast Zweidrittel, die eine Vollzeitstelle haben, gaben jährlich mehr als 30.000 Euro brutto an. Frauen auf Höfen mit geringem Betriebseinkommen tragen mit ihrem außerlandwirtschaftlichen Einkommen wesentlich zum Gesamteinkommen bei. Frauen aus Haupterwerbsbetrieben, die außerhalb viel verdienen, arbeiten überwiegend in ihrem erlernten Beruf.
Die Aussage: „Meine Zukunft sehe ich in der Stadt“, wurde von 92 Prozent der Antwortenden „eher“ oder „voll“ abgelehnt. Mit abnehemendem Bezug der Frauen zur Landwirtschaft sinkt dieser Anteil hingegen deutlich. Obwohl 80 Prozent der Antwortenden mit der Entwicklung in ihrer Region generell zufrieden sind, sehen sie Handlungsbedarf bei Internet und Telekommunikation, öffentlichem Nahverkehr, Gesundheitsversorgung, Landwirtschaft und Wohnungsmarkt. Obwohl nur etwas weniger als die Hälfte der Studienteilnehmerinnen das Gefühl hat, die Zukunft der Region mitgestalten zu können, sind die Frauen auf dem Land aber öffentlich gesellschaftlich überdurchschnittlich aktiv.
Wie die Landfrauenverbände und Minister Peter Hauk die Ergebnisse der Studie bewerten und welche Schlüsse sie daraus ziehen, lesen Sie im "Thema der Woche" in BWagrar 10/2019
Die Studie als Download unter
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