Der Garten ist Lebensqualität
Walburga Schillinger ist Bäuerin, Hauswirtschafterin, Kräuterpädagogin und Buchautorin. Sie bewirtschaftet im Schiltachtal im Schwarzwald einen historischen Bauerngarten. Als Vorsitzende des Netzwerkes "Bauerngarten- und Wildkräuterland Baden" setzt sie sich für die Weitergabe von traditionellem und modernen Pflanzenwissen ein.
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BWagrar: Frau Schillinger, anders als unsere Mütter und Großmütter können wir heute das ganze Jahr über frisches Obst und Gemüse für wenig Geld im Supermarkt kaufen. Warum machen Sie sich trotzdem die Mühe und bewirtschaften einen über 2500 Quadratmeter großen Nutzgarten?
Schillinger: Weil ich das ganze Jahr bei mir vor der Haustüre ernten kann. Das finde ich super, ich gehe einfach raus, auch wenn ich nur Schnittlauch brauche. Mein Garten ist nie abgeräumt, auch im Winter nicht, da findet sich immer etwas für eine Schüssel Salat. Frischer geht es nicht. Und: ich habe Gemüse, Beeren, Kräuter in perfekter Bioqualität. Ich weiß, was drin ist, wie die Pflanzen behandelt sind. Damit ist der Garten auch ein Stück Lebensqualität, ich würde ihn sogar ein bisschen als Luxus bezeichnen. Den Luxus der Neuzeit, meine eigenen Lebensmittel herzustellen.
BWagrar: Welche Gründe sprechen noch für die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse?
Schillinger: Sobald man anfängt, Pflanzen aus Samen selber anzuziehen, steht einem eine sehr breite Palette an Obst, Gemüse und Kräutern zur Verfügung. Sorten, die man sonst nie in Gärten sieht und auch nicht als Jungpflanzen kaufen kann. Sorten, die einen Aha-Effekt haben, wie zum Beispiel die Haferwurzel. Ich kann jedes Jahr neue Sorten ausprobieren und, wenn eine Sorte nicht gelingt, auf andere Sorten zurückgreifen. Wenn ich Lust dazu habe, habe ich in meinem Stück Garten jedes Jahr ein frisches Probierfeld. Indem ich selber Pflanzen ziehe und Samen ernte, bin ich zudem Sortenerhalterin, ich trage zur Artenvielfalt von Gemüse bei.
Was außerdem für die Selbstversorgung spricht und nicht außer Acht gelassen werden darf: Ich spare lange Transportwege und Verpackungsmaterial, verbrauche also keine zusätzlichen Ressourcen für die Produktion. Natürlich macht der Garten auch Arbeit, da brauchen wir nicht drüber zu diskutieren. Gleichzeitig spare ich Zeit, weil ich nirgendwo hinfahren muss, sondern den Einkauf vor der Haustüre erledige. Auf dem Land kann man nicht einfach geschwind über die Straße gehen. Ich muss das Einkaufen planen. Ich fahre erstmal drei Kilometer durch den Wald, bis ich an einer Straße bin, ich bin einen halben Tag unterwegs.Und dann gibt es noch den wirtschaftlichen Aspekt. Ich habe angefangen aufzuschreiben, wieviel Zeit ich für den Anbau einer Kultur brauche, was die Samen gekostet haben und welchen Ertrag ich schlussendlich in Bioqualität ernte. Das Ergebnis ist hochinteressant. Bei Karotten zum Beispiel habe ich von einer Handvoll Samen, das waren fünf Reihen, letztlich 23 Kilo geerntet. Der Garten hat also auch einen geldlichen Wert, der nicht zu unterschätzen ist.
BWagrar: Stellen Sie Veränderungen fest? Geht die Zahl der Bauerngärten zurück oder verändert sich eher die Art der Nutzung?
Schillinger: Ich stelle beides fest und zwar durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die klassischen Mischbetriebe gibt es immer weniger. Die Betriebe spezialisieren sich. Der Garten hat dann meist keine Priorität mehr, es sei denn, es gibt noch eine Oma, die weiter gärtelt. Gleichzeitig erlebe ich bei Führungen immer wieder, dass vor allem junge Frauen fragen, wie mache ich das jetzt. Was uns früher von der Mutter, der Großmutter ganz selbstverständlich beigebracht wurde, weil wir im Garten auch mithelfen mussten, wissen die jungen Frauen heute oftmals nicht mehr.
Ich denke, man kann trotzdem einen Garten oder ein Stück Land bewirtschaften. Sich über die Sommermonate mit Salat, Kräuter, vielleicht Bohnen und ein paar Tomaten zu versorgen, das bekommt man auch ohne großes Wissen hin. Und dafür muss man auch nicht wahnsinnig gärtnerisch aktiv sein. Es muss kein Supergemüsegarten sein.
Und genau das stelle ich auch immer wieder fest, dass es irgendwo einen Streifen Salat und ein Kräuterbeet gibt, das dann nebenher geht, weil die Hauptaufgabe in der außerlandwirtschaftliches Tätigkeit oder in der Mithilfe auf dem Betrieb liegt. Oder es wird ein Hochbeet angelegt, das in den ersten zwei bis drei Jahren hohe Erträge bringt. Danach muss ich es allerdings neu aufsetzen. Man kann aber auch irgendwo einfach nur ein kleines Stückle umbrechen. Sie waren ja bei Margret Raible mit ihrem tollen, kleinen Gärtle hinterm Haus. Ich finde diesen Garten ein gutes Vorbild für jemand, der ein neues Gartenstück anlegen will, weil der alte Garten dem Stall, dem Maschinenschopf oder der Biogasanlage weichen musste. Hier kann man sich Ideen holen, wie so ein kleiner, neuer Garten aussehen könnte.
BWagrar: Welche Tipps können Sie Gartenneueinsteigern geben? Welche Kulturen versprechen schnelle Erfolgserlebnisse? Wo und wie lässt sich Gemüseanbau lernen?
Schillinger: Leicht anzubauen ist Salat. Und das Tolle ist: Es gibt für jede Jahreszeit einen passenden Salat, von Pflücksalaten im Frühjahr angefangen bis zu den Wintersalaten wie Feldsalat, die ich im Herbst aussäe, den Winter über stehen lasse und dann im März oder April ernten kann. Leicht gelingen auch Bohnen, egal ob Busch- oder Stangenbohnen. Sehr einfach im Anbau sind außerdem Steckzwiebeln. Sowie Radieschen und Rettiche, wenn es ein feuchtes Jahr ist, wie dieses Jahr. Sie keimen und wachsen sehr schnell, da hat man einen schnellen Erfolg. Wenn es allerdings ein trockenes Jahr ist, dann werden sie nichts, dann muss man gießen. Auch mit Tomaten hat man immer Erfolg.
BWagrar: Wenn man die Tomaten denn überdacht hat?
Schillinger: Das kommt auf die Sorte an. Es gibt einige Sorten, die ohne Dach stehen können. Ich habe seit zehn, zwölf Jahren eine Tomate im Anbau, die von Natur aus sehr resistent gegen Braunfäule und solche Geschichten ist. Auch Wildtomaten kann man generell draußen lassen, die brauchen kein Dach. Zum Beispiel die „Rote Murmel“, das ist eine tolle Sorte. Sie wächst zu einem Busch heran und braucht einen Quadratmeter Platz. Im Übrigen wollen Tomaten einen guten Boden und eine gute Versorgung. Dann wachsen sie.
BWagrar: Wo und wie lässt sich Gemüseanbau lernen?
Schillinger: Am einfachsten durch ausprobieren! Denn jeder Garten ist anders, jeder Boden ist anders. Man muss kein wahnsinniges Knowhow haben für eine Gemüseversorgung über die Sommermonate. Ich denke, sobald ich mich dafür entscheide, ein bisschen Gemüse anzubauen, habe ich mich ja schon damit befasst. Dann bin ich nicht ganz blauäugig. Wenn ich wirklich wenig Ahnung habe, lohnt es sich, mal in ein gutes Fachbuch zu schauen. Für die Grunddinge. Um zu erfahren, wie muss ich den Boden behandeln, wie bekomme ich einen guten Kompost hin, mache ich Gründüngung, mache ich keine. Das ist so das Einmaleins im Gärtnern. Alles andere mit dem Anpflanzen, mit den Kulturen, welche suche ich aus, welche kombiniere ich, kommt beim Ausprobieren. Irgendwas wächst immer. Und vor allem darf man sich nicht entmutigen lassen. Kein Jahr ist wie das andere. Es gibt immer Kulturen, die in einem Jahr nicht so toll sind, dafür sind andere perfekt. Diese Gelassenheit musste ich allerdings auch erst lernen.
BWagrar: Gibt es auch Tage ohne Garten für Sie? Was machen Sie im Winter?
Schillinger: Nein, Tage ohne Garten gibt es eigentlich nicht. Auch wenn ich nicht draußen im Garten bin, bin ich mit Gartenvorbereitungen beschäftigt. Zum Beispiel mit Samen reinigen und beizen, dann aussäen und topfen und pikieren.
Im Winter widme ich meiner zweiten Leidenschaft, den Trachten. Im Übrigen bin ich auch im Winter, wenn offenes Wetter ist, im Garten beschäftigt. Dann gilt es die Bäume und Beerensträucher zu schneiden. Oder die Beeren zu mulchen, das mache ich auch im Spätwinter. Also vor allem Arbeiten, für die ich in der Vegetationszeit, wenn es dann losgeht, keine Zeit mehr habe. Dann muss man sehen, dass die neuen Setzlinge in den Boden kommen.
Wir haben in erster Linie einen Hof, wir sind ein Vollerwerbsbetrieb. Wenn meine Männer, wie im Moment, intensiv mit der Borkenkäferreduzierung beschäftigt sind, obliegt mir der Hof und die Versorgung der Tiere. Wenn daher: langweilig wird es mir nicht.
Zum Weiterlesen:
Das Buch "Bauerngartenglück" von Walburga Schillinger und Charlotte Pohse, 192 Seiten, 29,95 Euro, Ulmer Verlag ISBN 978-3-8186-0654-1.
Was muss wann in den Boden? Wie lange sind Samen keimfähig? Welche Geräte braucht ein Gärtner wirklich? Auf all die Fragen hat Walburga Schillinger aus ihrer bald 30-jährigen Erfahrung als Gärtnerin und Selbstversorgerin eine Antwort. Dass sie es zudem versteht, ihr enormes Wissen um den bäuerlichen Nutzgarten unterhaltsam zu vermitteln, beweist der neu erschienene Ratgeber "Bauerngartenglück". In sechs großen Kapiteln beschreibt sie alle Arbeiten im Jahresverlauf, angefangen von den Beetvorbereitungen und ersten Anzuchten im Januar bis zur Ernte des Wintergemüses im Dezember. Dem Arbeitskalender vorangestellt ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum eigenen Gartenglück. Für Lesefreude sorgen auch die übers ganze Buch verteilten "Gut zu wissen"-Kästen und "Was die Oma schon wusste"-Hinweise. Spaß machen außerdem die kreativen Ideen, die die junge Gärtnerin Charlotte Pohse als Koautorin beisteuert.
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