Fadengerät dünnt Baum für Baum aus
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Eine leichte Schneeschicht liegt auf den Bäumen, die in Vollblüte stehen. Immer wieder gehen heftige Graupelschauer nieder. Und die Obstbauern blicken Mitte vergangener Woche sorgenvoll auf die nächsten beiden Nächte, in denen die Temperaturskala deutlich unter null fallen soll. Unter Umständen hat sich danach das Thema Ausdünnung erledigt, weil die Blüten erfroren sind. Die Vorführung des Prototypen eines verbesserten Darwingeräts zur Ausdünnung steht damit unter einem denkbar ungünstigen Stern. Michael Zoth, am KOB zuständig für den Arbeitsbereich Ertragsphysiologie, will nicht ganz schwarz sehen. So reichen zehn bis 15 Prozent intakte Blüten in der Regel noch für einen Vollertrag aus. Zudem bietet gerade die maschinelle Ausdünnung mehr zeitliche Flexibilität als der Einsatz chemischer Präparate und nicht in jedem Jahr drohen Frostschäden, durch die sich die Behangregulierung erübrigt.
Bei der maschinellen Ausdünnung werden durch Fäden an einer rotierenden Spindel Einzelblüten oder Blütenstände abgeschlagen. Dosieren lässt sich das Ausmaß der Ausdünnung über die Fahrgeschwindigkeit, die Spindelumdrehungen und die Anzahl der Fäden. Die Voreinstellungen dieser Parameter werden bislang anhand der durchschnittlichen Blühstärke einer Anlage gewählt.
Unterschiede in der Blühstärke
Doch genau darin liegt die Crux, denn nicht jeder Baum blüht gleich stark. So kann es bei einer vorgewählten Einstellung beim einen zur Überdünnung kommen, beim nächsten reicht die Zahl der abgeschlagenen Blüten für einen optimalen Behang noch lange nicht aus. Dies war der Ansatz für die Suche nach einem verbesserten Darwingerät, das Projekt SmaArt – sensorgesteuerte baumspezifische Blütenausdünnung war geboren. Für die Versuche wurde ein handelsübliches Gerät mit einer an einer Halterung angebrachten Kamera ausgestattet. Zudem wurde ein GPS-System für die Erhebung weiterer Daten angebracht.
Diese Kamera blickt zwei, drei Meter voraus und lichtet die Bäume ab. Aus den Bildern berechnet der Bordcomputer anschließend die Anzahl Blüten je Baum. Dieser Wert wird mit einer hinterlegten Systemdatei zur Bestimmung der optimalen Ausdünnungsintensität verglichen und in Umdrehungszahlen für den betreffenden Baum umgerechnet. Vom Steuerungscomputer geht ein entsprechendes Signal an das Ventil zur Regulierung der passenden Spindel-Umdrehungszahl. „Die Spindel kann binnen 0,3 Sekunden die Umdrehungszahl ändern“, erklärt Andresas Riehle, der am KOB die Versuche zu dem Forschungsprojekt durchführt. Sollte an einem Baum keine Ausdünnung nötig sein, so wird die Spindel nicht abgeschaltet, sondern auf 150 bis 200 U/min zurückgefahren, was keine Ausdünnungseffekte zur Folge hat.
Daten zu Sorten hinterlegt
Bislang sind für die beiden Sorten Gala und Elstar und für eine Fahrgeschwindigkeit von 8 km/h solche Systemdateien angelegt. Doch es sind noch viele weitere Optionen denkbar. Beispielsweise war ursprünglich auch anvisiert, mit der Fadenspindel in die Tiefe des Baumes zu variieren. „Aber das ist noch zu komplex“, erklärt der KOB-Mitarbeiter den vorläufigen Verzicht.
Ein zweiter Ansatz zur Weiterentwicklung der maschinellen Ausdünnung ist die Ausstattung des Geräts mit einer GPS-Positionierung. „Damit wäre eine automatische Geschwindigkeitsanpassung denkbar“, erläutert Riehle. Doch die Geräte sind mit 5000 bis 6000 Euro noch sehr teuer, weshalb vorerst darauf verzichtet werden soll. Unter dem Stichwort precision farming könnte die GPS-Technik aber einige Optionen für den Anbau der Zukunft bieten, wie Ludwig Schrenk von der CiS GmbH in Rostock-Bentwisch meint. Denn mit der GPS-Technik ist es möglich, ein ganzes Informationssystem zu einer Anlage aufzubauen. Beispielsweise lassen sich damit Daten zu Bäumen, Blütenzahlen, Umdrehung der Spindel und Erntemengen hinterlegen. Solche Einzeldaten könnten dann einmal zu einer zielgenaueren Düngung einer Anlage beitragen.
Weiß ist weiß für die Kamera
Doch noch ist dies Zukunftsmusik. Näher rückt indes die baumspezifische Ausdünnung, auch wenn bei der Vorführung der Schneefall einen Strich durch die Rechnung machte. So erfasste die Kamera eben nicht nur das Weiß der Blüten, sondern auch den auf den Blüten liegenden Schnee, wodurch die Bäume nach der Durchfahrt in den Augen der anwesenden Obstbauern eher eine Überdünnung zeigten. Doch Zoth relativiert. Zum einen ist solche eine Wetterlage zur Ausdünnung völlig untypisch, zum anderen lehre die Erfahrung der vergangenen Jahre, dass trotz vieler abgeschlagener Blüten der optimale Fruchtbehang meist noch nicht erreicht werde. „Im System sind 300 bis 320 U/s hinterlegt. Im vergangenen Jahr haben wir so ausgedünnt und es hingen noch genügend Früchte an den Bäumen“, beruhigt er.
Die Kamera scannt zwar den Blütenbesatz von den unteren Ästen bis zur Baumhöhe von zwei Metern ab. Doch für die Verrechnung im Bordcomputer wird nur ein gewisses Fenster ausgewertet. Daher wirkt sich beispielsweise ein Weißelanstrich am Stamm nicht negativ auf das Ausdünnergebnis aus. Zudem ist der nach unten ausgerichtete „Kamerablick“, um damit Blüten nicht vor einem hellen Horizont erfassen zu müssen, einstellbar.
Die am Projekt Beteiligten sind zuversichtlich, dass die Weiterentwicklung der maschinellen Ausdünnung Auftrieb verleihen wird. „Mit dem Kamerasystem wird die Unsicherheit zur richtigen Einstellung der Maschine, was Drehzahl oder Fahrgeschwindigkeit betrifft, erheblich vermindert. Zum anderen können auch weniger versierte Fahrer das Gerät dann bedienen“, führt Adolf Betz von der Herstellerfirma Fruit-Tec als Vorteile ins Feld. Er stellt in Aussicht, dass die neue Technik bis zur Messe Fruchtwelt im nächsten Frühjahr verfügbar sein dürfte, wobei sich auch Altgeräte damit ausrüsten lassen.
Hintergrundinformation:
Partner im Projekt
Das SmaArt-Projekt (= sensorgestützte, baumspezifische mechanische Blüten-Ausdünnung in der Apfelproduktion) läuft von 2013 bis 2017. Finanziert wird es von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLA) und der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Projektpartner sind neben dem KOB und der Markdorfer Firma FruitTec als Hersteller des Darwingerätes die Versuchseinrichtung ATB Potsdam, die CLK Altenberge für die Kameratechnik sowie die CiS GmbH in Rostock-Bentwisch für die GPS-Positionierung.
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