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Interview mit Felix Prinz zu Löwenstein

Gehört der Humusaufbau in die Verbandsrichtlinien?

Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist Vorstandsvorsitzender des Bio-Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und im Vorstand des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL). Im Interview mit #Ö erklärt der Naturland-Landwirt, was einer politischen Förderung des Humusaufbaus derzeit im Weg steht und ob es entsprechende Vorgaben in den Richtlinien der Anbauverbände geben sollte.

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#Ö: Herr Löwenstein, seit wann machen Sie auf Ihrem Betrieb Humusmessungen?

Löwenstein: Seit ich umgestellt habe, also seit 1992. Weil ich mir damals nicht nur die Bedingung gestellt habe, dass das, was ich vorhabe, ökonomisch funktionieren muss. Ich hatte auch Bedenken, dass ich durch die Umstellung Humus verlieren könnte. Ich habe mir damals gesagt, bevor ich Humus verliere, würde ich wieder rückumstellen. Selbstverständlich ist es andersrum gelaufen, aber so habe ich das damals für denkbar gehalten. Wir messen seitdem alle drei Jahre. Bodenproben ziehen wir häufiger, um die Bodennährstoffe untersuchen zu lassen. Über die Jahre ist der Humusgehalt gestiegen, zwischen 0,6 und 0,8 Prozent Steigung pro Jahr. In absoluten Werten heißt das, wir sind mit 1,8 gestartet und liegen nun bei etwa 2,1.

© privat
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist Vorstandsvorsitzender des Bio-Spitzenverbandes Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und im Vorstand des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL). Der Agrarökonom und Landwirt stellte seinen Betrieb 1992 um, seitdem wird das Hofgut Habitzheim nach Naturland-Richtlinien bewirtschaftet. Löwenstein war 16 Jahre lang Mitglied im Naturland-Präsidium und prägte den Öko-Verband in dieser Zeit durch eine ganze Reihe richtungsweisender Entscheidungen maßgeblich mit. 2015 wurde ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

#Ö: Eine valide Messung des Humusgehaltes ist nicht so einfach. Was halten Sie zum Beispiel vom CarboCheck Tool, dass das Thünen Institut entwickelt hat und welches anhand von Handyfotos des Boden und den Koordinaten des Standorts den Humusgehalt misst?

Löwenstein: Sowas kann ein wichtiges Instrument sein, denn ich muss als Landwirt ja wissen, wie sich mein Humus entwickelt. Inzwischen gibt es einige privatwirtschaftliche Projekte, in denen Humuszertifikate privatrechtlich verkauft werden. Vereinbaren ich und derjenige, der mein Humuszertifikat bezahlt, dass wir mit so einem Tool messen, ist das doch gut.

Aber staatliche Förderprogramme, zum Beispiel im Zusammenhang mit der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), lassen sich darauf nicht aufbauen. Das lässt sich momentan höchsten indirekt machen, indem man bei staatlichen Programmen festlegt, dass diese oder jene Maßnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Humusaufbau führt und daher gefördert wird. Dass man dann wiederum die Wirkung der Maßnahmen monitoren muss, ist klar. Aber wie gesagt, eine präzise Messung, die jährliche Humusentwicklungen misst und darauf Ausgleichszahlungen gründet, gibt es noch nicht.

#Ö: Was wäre nötig, um staatliche Förderprogramme für den Humusaufbau aufzusetzen?

Löwenstein: Will man das von staatlicher Seite verfolgen, gilt es drei Dinge zu klären: erstens die Messmethode. Zweitens, wie bewertet man das, was man misst, in Bezug auf die Quellen? Also ob der Humus importiert wurde oder vor Ort durch Photosynthese in den Boden gekommen ist. Und drittens, wie geht man damit um, wenn sich der Gehalt wieder verringert? Das sind eben dynamische Prozess, keine Einbahnstraße.

Für die Jahre 2021 bis 2023 sind aus Mitteln des Energie- und Klimafonds bereits 75 Millionen Euro für den Humuserhalt und Humusaufbau im Ackerland bereitgestellt. Die sollten zum einen genutzt werden, um einen Standard für die Messungen zu erarbeiten. Zum anderen sollten sie genutzt werden, um für Vernetzung zu sorgen. Wir haben viele Praxisbetriebe, die schon einiges in Sachen Humusaufbau machen. Aber sie machen das auf eigene Kosten und eigenes Risiko. Dies führt häufig dazu, dass sie Maßnahmen nur auf einem kleinen Teil der Fläche ausprobieren, nicht auf dem ganzen Betrieb. Zudem haben sie keine wissenschaftliche Begleitung und somit keine wissenschaftlichen Daten, die ein Upscaling erlauben würden. Für solche Betriebe brauchen wir eine finanzielle Unterstützung, wissenschaftliche Begleitung und eine Struktur von Wissensvermittlung. Es gibt da bereits Methoden, zum Beispiel die Bodenpraktikerausbildung oder das Prinzip der Stable Schools. Es geht darum, Landwirte zusammenzubringen, zu diskutieren, auf die Betriebe zu gehen und Erfahrungen auszutauschen. Wie hat das bei dir funktioniert? Was könnte bei mir funktionieren oder warum eben nicht? Es gibt zahlreiche Tools, die man nutzen kann, wir müssen sie jetzt systematisch in die Breite kriegen. Das ist auch die Idee hinter dem Projekt, das der BÖLW und der DBV bereits 2018 beim BMEL eingereicht haben und das in das Klimaschutzprogramm aufgenommen wurde. Es geht nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern all die Strukturen einzubinden, die bereits vorhanden sind.

#Ö: Wäre es für Sie ein erstrebenswertes Ziel, den Humusaufbau irgendwann in die Richtlinien der Anbauverbände aufzunehmen?

Löwenstein: Nein. Das wäre eine verquere Sicht auf die Art und Weise, wie das System Ökolandbau funktioniert. Ökolandbau wird auch durch die Richtlinien beschrieben, aber ein mindestens ebenso wichtiger Teil ist das Zusammenarbeiten, die Beratung, den Leuten helfen, es richtig zu machen. Nehmen wir das Beispiel Tierwohl. Sie können in den Richtlinien das ein oder andere beschreiben, festlegen wie viel Platz ein Tier bekommt, wie viel Auslauf es hat und wie das kontrolliert wird. Aber damit haben Sie noch nicht beschrieben, wie gut es dem Tier geht. Das hängt wesentlich von den Menschen ab, die das Tier halten.
Ein Großteil der Verbände hat zum Beispiel mit dem „Tierwohl-Check“ ein Projekt entwickelt, welches dafür sorgt, dass man mitkriegt, wenn auf einem Betrieb etwas nicht in Ordnung ist. Das Projekt hilft den Leuten, es richtig zu machen. Ähnlich wie bei den Stable Schools braucht es auch hier den Austausch. Man macht Gruppen, die Leute besuchen sich gegenseitig und entwickeln Ideen, was man gegenseitig besser machen könnte. Das ist viel wirksamer als irgendeine Richtlinie, bei der man lange diskutiert, wie sie ausformuliert sein muss, damit sie gültig ist. Das Problem ist, dass Sie immer gut beschreiben können, was Sie gar nicht wollen. Und Sie können gut beschreiben, was Sie wollen. Aber in einer Richtlinie müssen Sie trennscharf den Punkt beschreiben, bis zu dem jemand noch dabei ist und ab dem jemand nicht mehr dabei ist. Das ist oft nicht möglich. Deswegen halte ich an dieser Stelle nichts von Richtlinien, sondern ich glaube, dass das Instrument der Ausbildung, der Beratung, der gemeinsamen Weiterentwicklung deutlich effektiver ist.

#Ö: Wen konkret sehen Sie beim Thema Humusaufbau und -erhalt nun in der Pflicht? Sie sprachen bereits die Politik an. Ist das nicht auch Thema der Anbauverbände?

Löwenstein: Die Politik ist jetzt dran, weil sie viel Geld dafür zur Verfügung hat, nämlich im Energie- und Klimafonds. Sie muss all diejenigen einbinden, die bereits in dieser Hinsicht aktiv sind. Die Anbauverbände sind bereits aktiv, zum Beispiel Naturland und Bioland mit der Bodenpraktikerausbildung. Das sind tolle Instrumente, warum soll man daneben etwas Neues aufbauen? Nein, die Politik muss nun all diese Initiativen, all diese Erfahrungen und Strukturen miteinbeziehen.

Helfen Humus-Zertifikate dem Klimaschutz? Diese Frage stellte sich die Studie „CO2-Zertifikate für die Festlegung atmosphärischen Kohlenstoffs in Böden: Methoden, Maßnahmen und Grenzen“vom BonaRes-Zentrum für Bodenforschung unter Beteiligung des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Die Ergebnisse der Studie lesen Sie auf #Ö.

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