Rechtsgrundlagen für den Öko-Getreidenachbau
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Jens Beismann ist Rechtsanwalt bei Bernzen Sonntag in Hannover. Sein Fokus liegt unter anderem auf Saat- und Sortenschutz.
Auf einen Blick
Landwirte dürfen bestimmte Arten für den eigenen Bedarf nachbauen, ohne damit gegen das Sortenschutzrecht zu verstoßen (Landwirteprivileg). Synthetische und Hybridsorten sind von dieser Regelung ausgenommen. Das Privileg gilt nur, wenn der Landwirt die Nachbaubedingungen erfüllt und, je nach Anforderung des Züchters, die Nachbauentschädigung zahlt. Wird er ordnungsgemäß zur Auskunft über die nachgebauten Sorten aufgefordert, muss er diese erteilen. Das Erntegut zu Saatzwecken an Dritte abzugeben, ist unzulässig!
#Ö: Worauf muss ich achten, wenn ich mein eigenes Öko-Getreidesaatgut nachbaue?
Beismann: Der Nachbau ist gesetzlich im Sortenschutzrecht geregelt und durchbricht das geistige Eigentumsrecht des Züchters zugunsten der Landwirte. Grundsätzlich ist der Nachbau nur aus der eigenen Ernte und für den eigenen Betrieb möglich. Der Nachbar darf diese Ernte nicht übernehmen und ebenfalls anbauen. Die Nichtbeachtung würde nicht nur gegen das Sortenschutzrecht verstoßen, das das geistige Eigentum der Züchter schützt, sondern auch gegen das Saatgutverkehrsrecht, nach dem Saatgut nur mit staatlicher Anerkennung in Verkehr gebracht werden darf. Sobald sie eine geschützte Sorte nachbauen, müssen sich Landwirte an die gesetzlichen Nachbaubedingungen halten. Unter anderem ist eine „angemessene“ Nachbauentschädigung bis zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres zu leisten – sofern vom Züchter nicht anders geregelt. Als angemessen gelten maximal 50 Prozent der Z-Lizenz.
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#Ö: Muss ich über den Nachbau Auskunft geben?
Beismann: Das hängt vom Einzelfall ab und ist schwer zu durchschauen. Zur Wirksamkeit muss ein Auskunftsersuchen sortenspezifische Anhaltspunkte benennen. Um über diese verfügen zu können, nutzt die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) beispielweise Informationen aus alten Nachbauerklärungen, Aufbereitermeldungen und Z-Saatgutkäufen. Daraufhin bittet sie die Betriebe um Auskunft über den etwaigen Nachbau. Aber auch dann sind die Landwirte nicht in jedem Fall zur Auskunft verpflichtet. Es gilt die Faustregel: Wenn in dem Schreiben spezifische Sortennamen abgefragt werden, spricht vieles für eine Auskunftspflicht – sofern sich das Auskunftsverfahren auf das Wirtschaftsjahr bezieht, in dem die Sorten angebaut wurden. Es kann sinnvoll sein, sich rechtlich beraten zu lassen.
#Ö: Mit welchen Konsequenzen müsste ich bei einem Verstoß rechnen?
Beismann: Bei einem vom Züchter oder der STV aufgedeckten Sortenschutzverstoß im Nachbau kann pauschal eine volle Z-Lizenz als Schadenersatz verlangt werden. Der Züchter kann aber auch nach seiner Wahl den konkreten ihm entstandenen Schaden oder den Verletzergewinn heraus verlangen. Nach einem solchen Vorfall muss man eine Erklärung unterschreiben, dass man in Zukunft die Sortenschutzrechte der jeweiligen Sorte einhalten wird und für jede neue Zuwiderhandlung eine zusätzliche Strafzahlung versprechen. Verstößt man erneut gegen den Sortenschutz derselben Sorte oder einer anderen Sorte desselben Züchters, kann zudem ein Strafschadensersatz fällig werden. Bei einem Wiederholungsverstoß kann theoretisch der vierfache Satz der Z-Lizenz gefordert werden. Die Rechtsgültigkeit dieser Regelung ist aber zurzeit strittig.
#Ö: Gibt es im Öko-Nachbau rechtliche Unterschiede zum konventionellen Anbau?
Beismann: Es gibt keinen rechtlichen Unterschied zwischen öko und konventionell. Kein Züchter ist verpflichtet, seine gesetzlichen Ansprüche auf Nachbaugebühren durchzusetzen. Die Getreidezüchtung Peter Kunz (gzpk) arbeitet zum Beispiel sehr landwirtefreundlich mit einem freiwilligen Gebührenverfahren. Das Gute: Die Regelung für einmal erworbenes Saatgut kann nicht nachträglich geändert werden. Neue Regelungen gelten erst wieder für neu erworbenes Z-Saatgut.
#Ö: Was gilt für Hofsorten?
Beismann: „Hofsorten“ sind kein Rechtsbegriff! Es gibt Erhaltungssorten, die oft als Hofsorten verstanden werden. Wenn ich im Betrieb Sorten verwende, deren Sortenschutz ausgelaufen ist oder nie bestanden hat, kann damit Nachbau betrieben werden. Trotzdem darf dieses Vermehrungsmaterial nicht ohne Weiteres in den Verkehr gebracht oder an Dritte weitergegeben werden.
#Ö: Was gilt, wenn ich als Vermehrer für ein Züchtungsunternehmen arbeite?
Beismann: Dann muss ich die Vorschriften des Vermehrungsvertrags haarklein einhalten, denn im Regelfall hat der Züchter ein Prüfungsrecht zur Überwachung der Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen. Für etwaige Verstöße sind in den Verträgen allgemein empfindliche Vertragsstrafen geregelt. Der neue Standardvertrag für Getreide und grobkörnige Leguminosen vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) kann für den Landwirt nachteilig sein. Er ist zwar rechtsklarer als der Vorgänger, enthält aber zahlreiche Strafklauseln und eine Vorschrift, den Nachbau der sich in der Vermehrung befindlichen Sorten zu prüfen. Aus dem Gesetz gäbe es ein derartiges Prüfrecht nicht. Landwirte, die Sorten nur in der Vermehrung und nicht im Konsumanbau haben, sind auf der sicheren Seite. Wenn sie diese und eventuell weitere Sorten jedoch auch im Konsumanbau haben, kann es passieren, dass der BDP bis ins Detail wissen will, woher das jeweilige Saatgut kommt.
#Ö: Was gilt, wenn ich verschiedene Sorten auf einem Feld nachbaue?
Beismann: Auch wenn ich Sortenmischungen anbaue, gilt die Nachbauentschädigungspflicht. Rechtlich bin ich dazu angehalten, zu schätzen, welche Anteile welcher Sorte des eigenen Ernteguts zur Wiederaussaat genutzt wurden. Was viele nicht wissen: Wenn ich Saatgut aus Sortenmischungen aufbereiten lasse, genügt es, wenn der Aufbereiter „Sortenmischung zum Nachbau“ vermerkt.
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