In diesen Fällen ist das Nottöten angebracht
Manche Jungtiere kommen mit gelähmten Gliedmaßen oder ohne Saugreflex zur Welt. Ihre Überlebenschance ist gering und das Nottöten der Schweine in manchen Fällen der einzige Weg, um anhaltende Schmerzen zu vermeiden. Dr. Tanja Frey vom Schweinegesundheitsdienst Baden-Württemberg klärt in einem Interview, wann die Kriterien der Nottötung nach dem Tierschutzgesetz erfüllt sind.
- Veröffentlicht am
BWagrar: Frau Dr. Frey, eine Frage auf dem Lehrgang in Boxberg lautete: „Darf oder muss ich dieses Ferkel töten?“ Was gibt den Ausschlag für eine Nottöung?
Frey: Laut Tierschutzgesetz ist das Töten von Tieren nur aus vernünftigen Gründen erlaubt. Dazu zählen beispielsweise:
- Ein fehlender Saugreflex bei zu schwachen oder lebensunfähigen Neugeborenen.
- Dahinsiechende Tiere mit nicht therapierbaren Lahmheiten, starken Lungenentzündungen und Kümmerer, die auf Therapieversuche des Tierarztes nicht reagieren.
- Tiere, die akut krank oder verunfallt sind und geringe Heilungschancen haben. Dazu zählen Schweine mit Strangulationen, Knochenbrüchen oder Lahmheiten.
Für jedes Tier müssen Erzeuger individuell über die Überlebensfähigkeit entscheiden, im Zweifel hilft dabei der Tierarzt. Wirtschaftliche Interessen sind keine vernünftigen Gründe, sondern eine Straftat nach Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes. Das gilt auch, falls ein Tier zu spät getötet und „anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen“ ausgesetzt wird.
BWagrar: Auch ein nur fünf Kilogramm schweres Saugferkel birgt ein Verletzungsrisiko, wenn es notgetötet werden soll – ganz zu schweigen von einer Altsau oder einem Eber? Welches Tötungsverfahren ist aus Ihrer Sicht am wenigsten unfallträchtig?
Frey: Bei Ferkeln mit einem Gewicht unter fünf Kilogramm ist der Kopfschlag und das folgende Entbluten aus meiner Sicht das gängige Verfahren. Diese Methode birgt nur selten ein körperliches Verletzungsrisiko für den Landwirt. Dafür gibt es oft mentale Probleme, diese Methode fachgerecht durchzuführen.
Bei Tieren über fünf Kilogramm Gewicht ist die Betäubung mittels Bolzenschuss und die anschließende Entblutung eher eine Methode, die mit einem höheren Verletzungsrisiko einhergeht. Das liegt vor allem an den Abwehrbewegungen. Zudem ist bei großen Mastschweinen, Altsauen oder alten Ebern die Gefahr der Fehlbetäubung mit dem Bolzenschussgerät groß.
Die Elektrobetäubung beziehungsweise Elektrotötung birgt hier ein geringeres Verletzungsrisiko. Dabei kann auch die Tötung eines besonders alten Tieres an körperliche Grenzen führen.
BWagrar: Das tierschutzgerechte Töten der Tiere ist das eine, die sachgemäße, getrennte Entsorung des Blutes nach dem Nottöten durch Blutentzug das andere. Welche Verfahren kommen hier in Frage?
Frey: Das Entsorgen des Blutes ist in der EU-Verordnung 1069/2009 geregelt. Das Blut getöteter Tiere muss über die Tierkörperbeseitigungsanlage gesondert vom Kadaver entsorgt werden, es darf nicht in die Gülle gelangen.
Zum Auffangen des Blutes kleinerer Tiere eignen sich organische Müllsäcke. Mit diesen kann man einen Eimer auskleiden, der das Blut auffängt. Der geschlossene Sack kann später getrennt vom Tierkörper über die TBA entsorgt werden.
Bei größeren Tieren besteht die Schwierigkeit, dass sie beim Entbluten aufgrund der Betäubung massive Kopf- und Beinbewegungen zeigen. Hier kann mit Plastikwannen mit niedrigem Rand gearbeitet werden. Das Auffangen ist aber praktisch schwer durchführbar.
Man sollte deshalb überlegen, ob bei einem so großen Tier nicht alternativ die Zerstörung des Rückenmarks die geeignetere Methode für die Nottötung ist.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.