Bauern von Gleitfristen positiv überrascht
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Mit dieser Nachricht sorgte der Ministerialbeamte bei den Landwirten auf der Ostalb offensichtlich für Erleichterung.
Konvoi durch die Innenstadt
Die Novellierung der Düngeverordnung (DüV) ist für die Landwirte im Kreis Heidenheim mit weitreichenden Wasserschutzgebieten von elementarer Bedeutung. Seinen besonderen Dank sprach Bauernverbands-Kreisvorsitzender Christian Ziegler seinem Stellvertreter Hartmut Kümmerle aus, der dazu im Vorfeld des Kreisbauerntags mit dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) eine Schlepperkundgebung organisiert hatte. Ein Konvoi von 35 Traktoren, Anhängern und Güllefässern mit Protestplakaten sorgte in der Innenstadt von Heidenheim am 20. Februar 2015 für Aufmerksamkeit und großes Medienecho.
Unterm Bürografenmist – das Bäuerlein begraben ist! So lautete zum Beispiel die Aufschrift eines mit Mist beladenen Anhängers, auf dem ein Holzkreuz prangte. Vor dem Rathaus protestierten die Bauern gegen die erheblichen Einschränkungen und Kosten, die ihnen mit der neuen DüV drohen. Knackpunkte sind unter anderem die Ausdehnung der Sperrfristen für die Gülleausbringung, die hohen Investitionen in Lagerkapazitäten aber auch der nicht gesicherte Bestandsschutz für JGS-Behälter (Jauche-Gülle-Sickersäfte) im Entwurf zur Bundesanlagenverordnung.
Ärger mit der Landeswasserversorgung
Im Landkreis hat das Thema besondere Brisanz im vergangenen Herbst gewonnen, nachdem die Landeswasserversorgung (LW) noch vor dem verbindlichen Termin Anfang/Mitte November in Problembereichen auf der Alb das Düngeverbot für sofort gültig erklärt hatte. Der Zweckverband begründete dies mit der Gefährdung des Grundwassers durch Gülle, weil die Böden nach kräftigen Niederschlägen „wassergesättigt“ sind. Gegen die eigenmächtige Bevormundung wehrte sich der Heidenheimer Kreisbauernverband auf das Schärfste. Landrat Thomas Reinhardt erinnerte in seinen Grußworten an die umgehende Unterstützung der Bauern durch das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium, das allein den zuständigen Behörden das Recht zur Umsetzung der Düngeverordnung zusprach.
Für Ziegler ist es unverständlich, dass man die bodennahe Gülleausbringung will und keine Anreize dafür schafft, auch nicht von der Landeswasserversorgung. Mit dem Hinweis auf kooperativere Wasserversorger in Deutschland rief er die Landeswasserversorgung zu einer besseren Zusammenarbeit auf.
Wenig merkt Ziegler von der Stärkung der Familienbetriebe, von der die Landesregierung immer spricht. Vor allem sei deren neues Umweltprogramm FAKT ernüchternd, von dem nur wenige Betriebe einen Nutzen ziehen können. Mittelstandsfeindlich nannte er die Umsetzung des Mindestlohns. Sie schadet den Bauernfamilien massiv. Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis, „wenn selbst die Hilfe der eigenen Kinder und deren Pausen dokumentiert werden müssen“. Angesichts der Entwicklung auf den Agrarmärkten und der Zuspitzung der öffentlichen Diskussion auf die moderne Landwirtschaft forderte Kreisvorsitzender Christian Ziegler vorab eine Politik der Verlässlichkeit und des Realismus. „Pauschale und unberechtigte Verurteilungen des gesamten Berufsstandes sind nicht akzeptabel“, verteidigte Ziegler unter Beifall der Bauernschaft. Ziegler wünscht sich eine Politik, die der Landwirtschaft Perspektiven schafft und sich nicht von undifferenzierter Landwirtschaftskritik treiben lässt.
Um gemeinsame Lösungen bemüht
Gegenüber den strengen Vorgaben der EU-Kommission konnten im Verlauf der DüV-Diskussion der letzten Monate Verbesserungen erzielt werden. Ministerialdirektor Clemens Neumann verwies auf die Aufhebung der starren Obergrenze von 170 kg N/ha, wodurch für die Qualitätsgetreideproduktion standortangepasst mit Mineraldünger ergänzt werden kann. Im Vergleich zu der vorgeschlagenen Kernsperrfrist von generell neun Monaten wurden die Fristen für Grünland auf drei und für Ackerland auf vier Monate gesenkt. Es gibt Gleitzeiten von vier Wochen, innerhalb der die Behörden vor Ort individuell entscheiden können, wann die drei- oder viermonatige Sperrfrist früher oder später umgesetzt wird.
Im derzeit „heftigen Interessenausgleich“ seines Ministeriums mit dem Bundesumweltministerium, das für die Umsetzung der EU-Nitrat- und Wasserrahmenrichtlinie zuständig ist, hofft Neumann auf weitere Verbesserungen. „Richtig weh tut die geforderte Sperrfrist über mehr als zwei Monate für Festmist.“ Für Betriebe unter drei Großvieheinheiten je Hektar reichen sechsmonatige Lagerkapazitäten weiterhin aus. Zur Einbeziehung von Biogas-Gärresten soll die Obergrenze auf 230 kg N/ha angehoben werden.
Eine Länderöffnungsklausel mit strengeren DüV-Vorgaben hält Neumann lediglich für Regionen im Norden mit sehr hohem Viehbesatz für notwendig, wo der Gülletourismus aus den Niederlanden die Situation bei Nitratrückständen im Boden und Wasser verschärft. Dagegen sei man mit den anderen Ländern im Gespräch, DüV-Erleichterungen zu schaffen. So sollen Betriebe bis 20 ha oder 25 ha von der Dokumentationspflicht befreit werden.
„Politisches Kamikaze“ der EU-Kommission
Als „politisches Kamikaze“ bezeichnete Neumann die ursprüngliche Absicht der EU-Kommission, dem Bund die möglichst schnelle Umsetzung der EU-Nitrat- und Wasserrichtlinie zu überlassen , um den Ländern anschließend die Möglichkeit zur Entschärfung der strengen Vorschriften zu geben.
Die Zusammenarbeit mit dem Bauernverband im Bemühen, gemeinsame Lösungen zu finden, bezeichnete Neumann als sehr konstruktiv. Er bat den Berufsverband und die Länder um weitere Unterstützung seines Ministeriums, das sich weiterhin standhaft gegen den Bundesratsbeschluss zur JGS-Anlagenverordnung stemmen will und auf dem einst von Umweltminister Peter Altmaier zugesagten Bestandsschutz beharrt.













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