Kampf gegen Wasser und Bürokratie
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Karlsruhe/Philippsburg/Germersheim/Graben-Neudorf, 4. Juni 2016
Ein „bisschen mehr Ökonomie und nicht nur Ökologie“ erwarten die Landwirte schon von der neuen grün-schwarzen Landesregierung. Dazu gilt es, die „Balance zu finden“ und flexiblere Lösungen unter anderem im Umwelt- und Artenschutz zu suchen. Die Landwirtschaft sei keinesfalls Bremser jeglicher Infrastrukturentwicklung. Allerdings sei hierbei stärker auf die Schonung landwirtschaftlicher Nutzflächen zu achten. Das betont Kunz bei seiner Einführung zum Abgeordnetentag, welcher am Samstag, 4. Juni 2016, zum 40. Mal stattfand.
Schlechte Preise, schlechte Stimmung
Die Stimmung in der Landwirtschaft sei sehr schlecht. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes (KBV) Karlsruhe begründet das mit der anhaltend schwierigen Marktsituation. So ginge es in der Schweinehaltung bereits seit zwei bis drei Jahre abwärts. Seitdem hätten über zehn Prozent der Schweine haltenden Betriebe in Baden-Wittenberg aufgehört, weil die Produktion nicht mehr rentabel sei. Bei Milch sei der Markt derzeit „überschwemmt“. Das Russland-Embargo und die schwächelnde Nachfrage machen den Milcherzeugern zu schaffen. Nach dem Ende der EU-Michquotenregelung ist zudem die Milchproduktion stark erhöht worden. Das will Kunz den zahlreich anwesenden Abgeordneten aus dem Landtag, Bundestag und dem EU-Parlament nicht verschweigen. So habe sich der Erzeugerpreis für Milch halbiert und sei auf ein „historisches Tief“ gesunken.
Dank für die Unterstützung
Die Betriebe, welche investiert haben, „steckten nun am meisten in der Klemme". Kunz dankt den Politikern für die angekündigte Unterstützung mit einem Liquiditäts- und Bürgschaftsprogramm. Er schließt die zusätzlichen 76 Millionen Euro für die Berufsgenossenschaft in diesem Jahr mit ein. Ferner erinnert der Vorsitzende an die Forderung des Bauernverbandes, die Landwirtschaft mit zusätzlichen Finanzmitteln für die Sozialversicherung auch in den nächsten Jahren zu unterstützen.
Die „Angst-mach-Industrie" macht Stimmung
Anfeindungen gegen die Landwirtschaft habe schon immer gegeben. In Zeiten der neuen Medien hätten sie jedoch „massiv“ zugenommen, verweist Kunz auf die Aktivitäten der „Angst-mach-Industrie“, welche aktiv Stimmung gegen die moderne Landbewirtschaftung mache. Er appelliert an die Politiker, mehr den Sachverstand zu berücksichtigen und die Landwirte in ihren Bemühungen zu unterstützen, der Bevölkerung zu erklären, wie moderne Landwirtschaft funktioniert und welche Leistungen sie erbringt. Als Beispiel nennt er die Wiederzulassung von Glyphosat, welches gerade im Kraichgau in der Vorsaat große Bedeutung hat, während ein Vorernteeinsatz im Südwesten nicht üblich ist.
Lösungen im Hochwasserschutz, welche betroffene Betriebe sichern
„Wir befinden uns hier bereits in Rheinland-Pfalz. Vielleicht meint die Landesregierung deshalb, hier, ganz im Westen Baden-Württembergs, schwierige Projekte konzentrieren zu müssen“, mutmaßt Kunz, stehend am Bootshaus Huttenheim in der Nähe des Kernkraftwerks Philippsburg, bevor es gleich danach hoch auf dem Wagen auf das Elisabethenwört geht. In diesem unter dem Spiegel des Rheins gelegenen Niederungsgebiet ist ein Rückhalteraum, ein sogenannter Retentionsraum, geplant. Die Bürgeranhörung ist bereits im Gange.
Die Landwirtschaft habe durchaus Verständnis für den Ausbau des Hochwasserschutzes, betont der Vorsitzende des Kreisbauernverbands. Allerdings solle man nicht alle erforderlichen Maßnahmen hierzu an den Rhein legen, sondern auch die Zuflüsse berücksichtigen, meint er. Andernfalls seien zunehmend betroffene landwirtschaftliche Betriebe zum Aufgeben gezwungen. Kunz fordert Lösungen im Hochwasserschutz, welche die Existenz der betroffenen Betriebe gewährleisten.
Landwirtschaft auf Elisabethenwört vom Verschwinden bedroht
Während Christian Coenen, der Sohn des früheren Kreisvorsitzenden, den Traktor mit Anhänger durch die Inselwege steuert, erklärt Polder-Experte Karl-Peter Schwall an den angefahrenen Stationen auf Elisabethenwört die Auswirkungen des geplanten Retentionsprojektes mit seinen verschiedenen Varianten auf die Landwirtschaft. Auf welche Weise auch immer die vorgesehene ökologische Flutung ermöglicht würde, durch Damm-Rückverlegung oder steuerbare Polder, die landwirtschaftliche Nutzung sei dann ganz überwiegend nicht mehr möglich.
Auf Elisabethenwört sind zwei Betriebe mit Schwerpunkt Ackerbau und Rollrasen auf insgesamt rund 200 ha Nutzfläche betroffen. Betriebsleiter Konrad Sauer, der die landwirtschaftliche Nutzung in dem vorgesehenen Retentionsgebiet erläutert, bangt um den Fortbestand seines Betriebes, wenn die Planung mit der ökologischen Flutung realisiert wird.
Mehr Flexibilität im Arbeitszeitengesetz für die Landwirtschaft erwünscht
Knapp 20 km Wegstrecke entfernt, auf seinem Spargelhof in Graben-Neudorf, erklärt Betriebsleiter Uwe Kammerer die Folgen des Mindestlohn- und Arbeitszeitengesetzes auf Betriebe mit Sonderkulturen. Die Familie Kammerer hat auf ihrem Ackerbaubetrieb unter anderem auf rund 15 ha Spargel im Anbau und beschäftigt über 30 Saison-Arbeitskräfte aus Ungarn und Kroatien.
Kammerer, der die Betriebsleitung 2010 übernommen hatte, sieht jetzt seinen Betrieb, der seit seinem Großvater mittlerweile im 40. Jahr Spargel anbaut, insbesondere wegen den bürokratischen Regeln aus dem Arbeitszeitengesetz und der Mindestlohnproblematik in der Wirtschaftlichkeit stark belastet. Es sei „absurd“, unbedingt die unflexiblen Regeln des Arbeitszeitgesetzes in der von der Natur abhängigen Landwirtschaft anwenden zu wollen, ist er sich mit Kunz einig, der mehr Flexibilität und Ausnahmen für die Landwirtschaft fordert.
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