Berliner Bauernregeln empören Bauern
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Wir brauchen die Bauern. Deshalb unterstützen wir sie nach Kräften. Es gilt, die zu stärken, die eigenverantwortlich wirtschaften, und nicht hinter jeden Landwirt einen Kontrolleur zu stellen. Das versicherte Minister Peter Hauk beim Kreisbauerntag am 4. Februar 2017 in Ehningen (Landkreis Böblingen).
Gleich zu Beginn hatte Andreas Kindler die Plakataktion in 70 deutschen Städten mit „Neuen Bauernregeln“ aus dem Bundesumweltministerium heftig kritisiert. Mit diesen „primitiven Sprüchen“ werde der ganze Berufsstand verunglimpft, bedauert der alte und neue Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Böblingen.
Regelungen zum Ersticken
„Wir Landwirte ersticken in der Regelungswut“, spricht Kindler ein weiteres, die Bauern belastendes Thema an. „Wir brauchen endlich einen deutlichen Bürokratieabbau. Vier stellen hinter dem Komma, so genau können selbst wir nicht ackern.“
Der Vorsitzende lobt die neue Direktvermarktungs-Broschüre des Landkreises (www.bauernbieten.de). Dennoch müssen immer mehr Höfe aufgeben. Mit dem neuen Kassensystem würden Bauern „als Steuerhinterzieher verunglimpft“. Besenbesitzer können nicht nachts um zwei Uhr noch Abrechnungen machen. Die Politik schafft an den kleinen Bürgern vorbei. Großbetriebe können sich solche Bürokratie vielleicht leisten“, moniert er.
Mehr Tierwohl bedeutet höhere Kosten. Ob diese über den Verkaufspreis finanziert werden können, sei zu bezweifeln. Deshalb fordert Kindler Unterstützung von der Politik ein. Noch nie seien Lebensmittel so preisgünstig wie heute in Deutschland gewesen. In anderen Ländern werde deutlich mehr Geld für Nahrung ausgegeben. „Wir sind keine Brunnenvergifter, sondern lernfähig und bestens ausgebildet“, betont der Kreisbauernchef.
Vor großen Herausforderungen
„Wir stehen vor großen Herausforderungen“, erklärt Peter Hauk. Er verweist auf die nahende Bundestagswahl, auf den Austritt der Briten aus der EU, den man sich vor einem Jahr ebenso wenig hätte vorstellen können wie den Ausgang der Präsidentenwahl in den USA. Der Minister verweist auf ähnliche Entwicklungen in der politischen Landschaft bei uns. Trotz Vollbeschäftigung und Wohlstand sei dennoch eine emotionale Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu spüren.
Nicht Tatsachen, sondern Emotionen zählten, meint Hauk, das gelte auch für die Fortschritte in der Landwirtschaft und deren Akzeptanz in der Gesellschaft. Nicht nur die Haltungsbedingungen für die Nutztiere hätten sich in den vergangenen Jahren verbessert, sondern ebenso die Arbeitsergonomie für die Landwirte durch moderne Technik. Der Minister verweist auf das Beispiel der Käfighaltung, die vor Jahren in Deutschland verboten wurde, sodass Käfige von hier nach Osteuropa verfrachtet wurden und nun von dort die Eier wiederum nach Deutschland importiert werden. Insofern gelte es aufzupassen, damit nicht weitere Wirtschaftszweige abwanderten, und zugleich für den Tierschutz nichts gewonnen sei.
Die Landesverwaltung verstehe/verstecke?? keine schwarzen Schafe. Die Stalleinbrüche seien jedoch kriminell und müssten von der Staatsanwaltschaft verfolgt und aufgeklärt werden. Die Machenschaften von sogenannten Tierrechtsorganisationen geißelt Hauk; deren Vorstände hätten teils sechsstellige Einkommen, alle finanziert aus Spenden der Mitglieder, um Stimmung gegen die Bauern zu machen.
Den Strukturwandel an sich will der Minister nicht beklagen. Wandel sei notwendig, die Flächen seien bisher von anderen Landwirten übernommen worden. Allerdings gelte es acht zu geben, damit es zu keinen Strukturbrüchen kommt. Solche befürchtet er in der Schweinehaltung. In den letzten Jahren sei die Zahl der Personen bereits um 40 Prozent zurückgegangen – und das, obwohl Baden-Württemberg in früheren Zeiten einmal Nettoexporteur von Ferkeln war. Hier sei es Aufgabe der Politik, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, beispielsweise in der Investitionsförderung, im Bau- und Emissionsrecht. Hauk plädiert für eine „des Ermöglichens und nicht des Verhinderns". Er sichert den Landwirten Unterstützung der Landesregierung zu und verweist auf deren Leistungen in der Nahrungsmittelproduktion, im Naturschutz und der Landschaftspflege.
Die Innenstadtverdichtung Stuttgarts lobt Hauk und appelliert an Bürgermeister und Landräte, es den dortigen Kollegen stärker nachzutun. Der Minister will sich dafür einsetzen, den Flächenausgleich über das Öko-Konto nicht nur über Flächen, sondern auf andere Art zu realisieren.
Mit gesundem Menschenverstand
„Mit gesundem Menschenverstand kann man viel bewältigen.“ Diese Aussage Kindlers gefällt Landrat Roland Bernhard. Die Landkreisverwaltung habe sich „mächtig ins Zeug gelegt“, um möglichst einen hohen Anteil der Direktzahlungen vor dem Jahreswechsel auf den Weg zu bringen. Unter der Fülle an Rechtsvorschriften würden nicht nur die Landwirte, sondern auch die Verwaltung leiden, welche dieselben umzusetzen habe. Die Bauern „brauchen keine bevormundenden Sprüche“, betont Bernhard. Der Landrat versichert, sich weiterhin für die Belange der Landwirtschaft einsetzen zu wollen.
Die Bauern ermöglichen die Versorgung aus der Region und pflegen die Kulturlandschaft. Dafür hatte sich eingangs in ihrem Grußwort Uta Stachon, die erste stellvertretende Bürgermeisterin Ehningens, ausdrücklich bedankt.
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