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Bundesweites "optiKuh"-Projekt

Die Milchkuh der Zukunft - wie sieht sie aus?

Die Zucht von Milchkühen ist für Dr. Wolfgang Junge von der Uni Kiel ein äußerst langwieriger Prozess, der viel Geduld von den Beteiligten einfordert. Bis sich der gewünschte Zuchtfortschritte einstelllt, dauert es erfahrungsgemäß. Der Zuchtexperte war einer von acht Referenten auf der jüngsten Aulendorfer Wintertagung vergangenen Freitag in Bad Waldsee-Reute (Landkreis Ravensburg). Über 100 Zuhörer wollten sich die Traditionstagung, die sich dieses Mal der Fütterungsintensität von Milchkühen widmete, denn auch nicht entgehen lassen.

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Sie wurden, das stand nach der ganztägigen Veranstaltung im vollbesetzten Saal des Gasthaues „Stern“ nicht enttäuscht. Denn eines steht fest: Die anhaltende Debatte um mehr Tierwohl in den Rinderställen, die ab 2018 gültige neue Düngeverordnung und die fortschreitenden wirtschaftlichen Zwänge für eine rentable Milchproduktion, haben die Fütterung der Wiederkäuer erreicht. Sie zu optimieren, dürfte in Zukunft aus dem gelungen Zusammenspiel von Haltung, Rationsgestaltung, nicht zuletzt der Zucht der Wiederkäuer auf eine hohe Futteraufnahme, abhängen.

 

Fitness spielt in der Rinderzucht immer wichtigere Rolle

Lange Jahre, das machte der Referent in seinem Vortrag deutlich, stand die Erhöhung der Milchleistung im Fokus der Zucht. Dabei seien beachtliche Leistungssteigerungen in der Milch- und Fleischerzeugung für das einzelne Tier erreicht worden. Inzwischen hat sich die Gewichtung der Zuchtwertteile Milch: Fleisch: Fitness stark in Richtung des Zuchtmerkmals Fitness verschoben. Aktuell würden diese Komplexe mit 38: 18: 44 Prozent gewichtet. „Die Leistung spielt im Vergleich zur Fitness nurmehr eine untergeordnete Rolle“, machte Junge deutlich.

Die Zuchtmethoden hätten sich von der Nachkommenprüfung hin zur Nutzung von Informationen aus den genomischen Zuchtwerten verschoben. Dadurch wurde das Generationenintervall verkürzt. Eine Folge: Immer mehr junge Vererber schaffen es auf die Empfehlungslisten der Zuchtverbände.

Im Zuchtwertteil Fitness finden sich derweil keine Merkmale der direkten Krankheitsanfälligkeit. In einem Teil der Betriebe, die unter Leistungsprüfung stehen, werden inzwischen Befunddaten für Eutererkrankungen, Fruchtbarkeits- und Stoffwechselstörungen sowie Klauenbehandlungen erfasst und schon bald für die Zuchtwertschätzung genutzt werden (pro Gesund, Kuh-Vision). Durch diese Maßnahmen, so Junge, konzentriere sich die Leistungsprüfung zwar auf weniger Betriebe, diese lieferten aber umfangreichere und genauere Daten.

Wie sieht die optimale Fütterungsintensität bei Kühen aus?

Das Projekt „optiKuh“ wird von einem Verbund der Versuchsanstalten in Deutschland durchgeführt. Diese Versuchsanstalten müssen die Futteraufnahme tierindividuell erfassen können – eine Voraussetzung für die Teilnahme an dem bundesweiten Forschungsprojekt. Damit wird mit der Futteraufnahme und den dazugehörigen Energiesalden ein Bereich züchterisch in den Fokus gerückt, der Tierwohl- und Gesundheitsaspekte der Kühe abdeckt, aber auch die Effizienz der Nutzung der eingesetzten Futtermenge in Relation zur produzierten Milchmenge aufzeigt. Hierfür wurden Daten von 327 Fleckviehkühen mit 604 Laktationen und 1341 Holsteinkühen mit 1928 Laktationen nach einem einheitlichen Erhebungsschema in einer Datenbank zusammengefasst.

Erste Auswertungen liefern nun die Laktationskurven für die Milchleistungsmerkmale sowie Futteraufnahme und Energiesalden für die einzelnen Laktationsnummern. Alle Kühe des Projektes wurden hierfür genotypisiert Dadurch verfügen die Wissenschaftler über die phänotypischen Daten zur Futteraufnahmen und zum Energiesaldo genauso wie die entsprechenden Informationen der dazu gehörigen Genotypen. „Die weiteren Auswertungen, die nun anstehen, werden zum ersten Mal die Zusammenhänge zwischen Genotyp und den Merkmalen der Futteraufnahme aufzeigen und bei einer erfolgreichen Schätzung die ersten Zuchtwerte zur Futteraufnahme der Kühe ermöglichen“, erläuterte der Referent.

Zuchtwerte für die Futteraufnahme sollen Fütterung optimieren

In weiteren statistischen Analysen sollen dann die Beziehungen zu anderen Merkmalen wie Lebendgewicht und Exterieurbeschreibung berechnet werden, um auch für die Kühe in Praxisbetrieben Schätzwerte für die Futteraufnahme ermitteln zu können. Das Merkmal Futteraufnahme müsse dabei im Laktationsverlauf unterschiedlich beurteilt und gewichtet werden. So sollten die Kühe in der Phase eines negativen Energiesaldos so viel Futter wie möglich und damit Energie aufnehmen.

„Dagegen ist das Ziel der Fütterungsphase mit positivem Energiesaldo die Auffüllung der verbrauchten Körperenergiereserven und die Sicherstellung des Wachstums bei den erstlaktierenden Kühen“, erläuterte Junge die komplizierten Zusammenhänge, die sich Rinderzüchtern offenbaren, wenn an einer Zuchtschraube gedreht werden soll. Bei der Gewichtung der Zuchtwerte im Laktationsverlauf müssten genau diese Anforderungen berücksichtigt werden. Nur dann dürfte sich in absehbarer Zeit ein züchterischer Erfolg einstellen, machte der Zuchtfachmann deutlich.

Dass hohe Grundfuttergaben und sparsame Kraftfutterzuteilungen die Ernährung der Tiere preiswerter machen, dafür hatte Frank Gräter von der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) zuvor aussagekräftige Zahlen für die Zuhörer parat: Legt man einer Kuh pro Tag anstatt 2,0 kg Getreide 1,5 kg vor, reduziert man den Rapsschrot-Einsatz von 1,0 auf 0,75 kg, verfährt gleich beim Sojaschrot und gibt anstatt 1,0 kg nur noch 0,75 kg in die Mischration macht das bei 80 Kühen pro Jahr 13.000 kg Getreide und 13.000 kg Eiweißfutter weniger.

„Das entspricht bei 15 Euro fürs Getreide und 30 Euro für Raps- und Sojaschrot einer Ersparnis von 5850 Euro pro Betrieb und Jahr aus“, stellt der Betriebswirtschaftsexperte klar. Möglich wird die Reduktion durch den 6,2 MJ NEL und 18 Prozent Rohprotein (XP) höheren Energiegehalt der zu 50 Prozent eingesetzten Grassilage (Vergleichsration: 50 Prozent Grassilage mit einem Energiegehalt von 5,8 MJ NEL und 16 Prozent Rohprotein). Die restlichen 50 Energieprozente stammten aus der verfütterten Maisssilage.

Grobfutter verbilligt Ration

Dass die Kühe viel Grundfutter fressen, schafft für Gräter die Basis für dauerhaft hohe Milchleistungen, die mit wirtschaftlich vertretbaren Kosten realisiert werden können. Darüberhinaus fördern Halme und Co. die wiederkäuergerechte Fütterung der Tiere. Welchen Spielraum unterschiedliche Kraftfuttergaben mit dem Inkrafttreten der neuen Düngeverordnung (DüV) bringen, damit hatte sich Dr. Thomas Jilg vom LAZBW im Vorfeld der Traditionstagung in mehreren Modellrechnungen auseinandergesetzt. Um den Austrag von Stickstoff (N) und Phosphor (P) auf Acker- und Grünlandflächen zu reduzieren, so wie es die ab 2018 gültige Verordnung vorsieht, führt für den Fütterungsfachmann kein Weg an weniger Getreide und Schrot auf Futtertischen und Stationen vorbei. Ansonsten verschlechtert sich die Nährstoffbilanz auf den Betrieben.

Welches Potenzial dagegen in qualitativ hochwertigen Grobfutter steckt, dokumentieren für Jilg die Ergebnisse des optiKuh-Projektes, das die Doktorandin Elisabeth Gerster und er betreuten. Nicht zuletzt sollten Milchviehhalter den Phosphorgehalt ihres Mineralfutters überprüfen. Laut Jilg lässt sich auf die prozentuale Beimischung von Phosphor verzichten.

Ob es die Düngeverordnung, Tierwohl oder landwirtschaftliche Bauvorhaben sind, für Franz Schweizer, Direktor des LAZBW, stehen Milchviehhalter inmitten einer intensiven gesellschaftlichen Debatte. Umso wichtiger sind für den Leiter des Bildungszentrums zielgerichtete Forschungsvorhaben, wie das „optiKuh“-Projekt, mit denen die öffentliche Debatte um das Wohl der Nutztiere und die wirtschaftlichen Zwänge der Betriebe durchleuchtet und nach einem für beide Seiten verträglichen Ergebnis gesucht wird.

 

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