Es ist Druck im Kessel
Der Kreisbauernverband Main-Tauber-Kreis fordert in einem Schreiben an Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk die Verschiebung des ab dem Jahr 2019 beabsichtigten Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration. Als Grund nennen die frustrierten Schweinehalter fehlende praktikable Alternativen.
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Mit der Bitte um Unterstützung übergab Vorsitzender Alois Fahrmeier anlässlich der Delegiertenversammlung des Bauernverbandes am 18. April den offenen Brief für Minister Hauk an Ministerialdirigent Joachim Hauck vom Ministerium Ländlicher Raum (MLR). Fahrmeier beklagte die grundlosen Angriffe und Anfeindungen von allen Seiten, denen die Landwirte ausgesetzt sind. „Das belastet die Landwirtsfamilien. Es hat nichts mit seriöser Politik zu tun, wenn diese sich von den Discountern treiben lässt und deren Forderungen oftmals sogar noch übernimmt“, kritisierte Fahrmeier.
Ursachenforschung noch nicht abgeschlossen
Im Vorfeld der EU-Agrarpolitik nach 2020 hält Ministerialdirigent Hauck eine Versachlichung der gesellschaftlichen und politischen Diskussion über die Landwirtschaft für zwingend erforderlich. „Wir können keine Probleme lösen, wie im Fall des Insektensterbens, wenn wir nicht einmal die genauen Ursachen kennen.“ Beim Thema Glyphosat habe er entgegen der öffentlichen Meinung die gegenteilige Erfahrung gemacht. „Bei richtigem Einsatz des Mittels werden die Lebensräume für Insekten sogar erweitert.“
Die große Aufgabe in Verbindung mit der Agrarreform ist es, endlich nachhaltig zu denken. Die gesellschaftspolitische Diskussion über deren Auswirkungen im großen Ganzen werde nicht geführt. Wie komplex die Zusammenhänge sind, verdeutlichte Hauck am Beispiel der Netto-Nahrungsmittelerzeugung, für die Deutschland 13 Millionen Hektar zusätzlich im Ausland benötigt, vorwiegend in Südamerika. „Wenn wir hier auf jegliche Effizienzsteigerung verzichten und auf Teufel komm‘ raus extensivieren, ist weiter davon auszugehen, dass in Südamerika der Regenwald stirbt“.
Es geh nicht immer aufwärts
Bei der Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik verwies Hauck auf die Abhängigkeit vom Brexit und vom künftigen EU-Finanzrahmen, in dem jährlich zehn bis 15 Mrd. Euro fehlen werden. EU-Finanzkommissar Oettinger rechnet nach jüngsten Aussagen mit fünf bis acht Prozent Einbußen beim Landwirtschaftshaushalt. Eine massive Debatte sei insbesondere mit Polen in der Frage über die Angleichung der Hektarprämien zwischen Ost und West zu erwarten. Deshalb herrsche ein gewisser „Druck im Kessel“, der zu niedrigeren Zahlungen je Hektar führen könne.
Bei der Verwendung der EU-Gelder geht es nach den Worten Haucks um eine sinnvolle Weiterentwicklung zu einer nachhaltigen, mit hoher Ressourceneffizienz arbeitenden Landwirtschaft. „ Zur Nachhaltigkeit gehöre aber auch die Ökonomie, ohne die Ökologie und Soziales nicht funktionieren können, hob Hauck hervor. Hierzu werden neue Ideen und weitere Innovationen benötigt. „Wir werden den ‚Stall der Zukunft‘ nicht bauen können, wenn wir nicht gleichzeitig die Themen Tierwohl und Emissionen in den Griff bekommen“, warnt Hauck.
Verwaltungs-Kleinklein beenden
Mutig findet er in den von EU-Kommissar Hogan im November vorgelegten Papier zu Agrarreform, das bisherige Doppelverwaltungssystem beseitigen zu wollen. Demnach gibt die Kommission die Maßnahmen und Anforderungen grob vor. Die Mitgliedsstaaten sorgen für die Erreichung der Ziele und die Einhaltung der Vorgaben. Das bedeutet, dass von der EU nicht mehr der Bürger, sondern die Mitgliedsstaaten kontrolliert werden sollen.
Martin Geißendörfer, Geschäftsführer des Ende 2017 1533 Mitglieder (minus drei Prozent gegenüber 2016) zählenden Kreisbauernverbandes, warb für eine moderate Erhöhung der Beträge, die seinen Angaben zufolge „durch die kosteneffiziente Arbeit auf der Geschäftsstelle zehn Jahre stabil gehalten werden konnten“. Nach der einstimmigen Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung gaben die Delegierten mit nur einer Enthaltung grünes Licht für die Beitragserhöhung. Geißendörfer teilte der Versammlung mit, dass er aus persönlichen und familiären Gründen seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes zum 30. Juni beenden wird. Künftig will er sich auf die Arbeit auf dem elterlichen Hof konzentrieren.
Frust über Sprachlosigkeit der Politik
Durch das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration ab dem Jahr 2019 ohne wirkliche Aussichten auf praktikable Alternativen fühlen sich die Schweinehalter alleingelassen. Die anhaltende Sprachlosigkeit von Politik und Fachbehörden führt bei ihnen zu einer enormen Frustration. Das geht aus dem Brief hervor, den Vorsitzender Alois Fahrmeier am Rande der Delegiertenversammlung des Bauernverbandes Main-Tauber-Kreis an Ministerialdirigent Joachim Hauck zur Weitergabe an Fachminister Peter Hauk überreicht hat. Wie aus dem Schreiben hervorgeht, würde der Unmut auf den Höfen durch die Tatsache verstärkt, dass in anderen EU-Ländern die Lokalanästhesie durch den Landwirt (vierter Weg) inzwischen zugelassen ist oder die Kastration ohne Schmerzlinderung erlaubt bleibt. Um einen Strukturbruch in der gesamten süddeutschen Schweinehaltung zu verhindern, bittet der Kreisbauernverband den Minister, den sogenannten „vierten Weg“ mit dem notwendigen Engagement stärker zu forcieren.
Wegen dem nahen Ende der Übergangszeit und weil die Alternativen nicht praktikabel oder rechtssicher sind, fordern die Bauern des Main-Tauber-Kreises, die Frist für das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration auszusetzen. So bleibe mehr Zeit, um funktionierende Alternativen zu finden. Die bisher diskutierten Verfahren würden alle erhebliche Nachteile aufweisen, sowohl für die Produktqualität, die Belange des Tierschutzes, die Markt- und Verbraucherakzeptanz wie auch in der praktischen Umsetzung im Stall.
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