Finanzspritze für tier- und umweltgerechte Bauvorhaben
Kühe, soweit das Auge reicht: Die vielen Milchviehbetriebe im Allgäu und Oberschwaben sind ein bedeutendes Standbein für die dortige Landwirtschaft. Fast 50 Prozent der Milchhöfe im Land finden sich im Gebiet des Regierungs-bezirkes Tübingen. Grund genug, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe zu erhalten und weiter zu verbessern, wie Regierungspräsident Klaus Tappeser bei der Besichtigung eines Milchviehbetriebes vor kurzem in Isny-Neutrauchburg (Landkreis Ravensburg) deutlich machte.
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Einen wichtigen Beitrag hierzu leiste das Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP), führte Tappesser bei seinem Besuch auf dem Allgäuer Milchviehbetrieb von Karl und Georg Anwander aus. Aus gutem Grund: Milchviehhalter, die in ihren Ställen in Tierwohl investieren, bekommen dieses Engagement bisher nicht ausreichend vergütet. „Dazu sind die Lebensmittelpreise zu niedrig“, machte Tappeser deutlich. Vielmehr seien diese Betriebe darauf angewiesen, dass sie bei ihren Investitionen mit öffentlichen Geldern unterstützt würden. Das Förderpro-gramm AFP legt dabei Wert auf besonders tiergerechte, umweltschonende und wettbewerbsfähige Bauvorhaben.
Fördergelder sind an Auflagen gebunden
Für eine solche Unterstützung müssen allerdings bauliche Anforderungen eingehalten werden, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen beziehungsweise Empfehlungen beim Tierschutz hinausgehen. „Dabei muss man beachten, dass ein Stallneubau zum einen betriebswirtschaftlichen Zielen wie einer höheren Arbeitsproduktivität und Arbeitsqualität dient, zum anderen trägt solch ein Neubau zu mehr Tierwohl und Tiergesundheit bei“, erläuterte Pressetermin Dr. Ottmar Röhm, der stellvertretende Leiter des Referates Betriebswirtschaft, Agrarförderung und Strukturentwicklung am Regierungspräsidium Tübingen, den mitgereisten Journalisten. Der Grund: Moderne Milchviehställe verfügen laut Röhm „generell über viel Luft, Licht und Platz“.
Der neugebaute Boxenlaufstall von Karl und Georg Anwander in Isny-Neutrauchburg erfüllt diese Anforderungen. Der auf einer Anhöhe errichtete, geräumige Offenfrontstall bietet seit seiner Inbetriebnahme vor einem Jahr 150 Milchkühen Platz. Gemolken werden die Tiere von zwei in der Mitte des Stalles installierten Melkrobotern.
„Der Neubau zeigt, dass sich Wirtschaftlichkeit im Betrieb und Wohlbefinden der Tiere in einem modernen landwirtschaftlichen Betrieb nicht gegenseitig ausschließen“, erläuterte Regierungspräsident Klaus Tappeser bei seinem Rundgang über das weitläufige Stallareal.
Im alten Liegeboxenstall ist seit der Inbetriebnahme im Sommer des vergangenen Jahres das Jungvieh untergebracht. Der ehemalige Jungviehstall wurde zum Heu- und Strohlager umgebaut. In den Nebenräumen des neuen Stalles sind ein Büro, Umkleidemöglichkeiten und eine Hygieneschleuse für den Tierarzt eingebaut.
Optimal halten, optimal betreuen
Dabei spielt für den tiergerechten Umgang mit den Wiederkäuern neben den baulichen Voraussetzungen das Management der Kühe durch den Landwirt eine gewichtige Rolle. Ein guter Landwirt, so Dr. Conrad Maas, Leiter des Referates Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung am Regierungspräsidium Tübingen, könne seinen Tieren auch bei baulichen Unzulänglichkeiten annehmbare Lebensbedingungen schaffen.
„Ein schlechter Landwirt schafft dies auch bei einem optimalen Stall nicht notwendigerweise“, erläuterte Maas den zahlreichen Zuhörern, die an diesem heißen Julivormittag auf den Betrieb der Allgäuer Familie gekommen waren. Unabhängig davon hänge die Möglichkeit für arteigene Verhaltensweisen der Kühe davon ab, wie die Kühe auf dem jeweiligen Betrieb gehalten werden.
Dem Stallneubau von Karl und Georg Anwender bescheinigen die Tübinger Experten derweil, dem Tierwohl viel Bedeutung zugemessen zu haben. Besonders, was das Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten der Milchkühe anbelangt. Der Stall übererfülle die Tierwohl-Anforderungen der AFP-Premiumförderung, hoben Dr. Ottmar Röhm und sein RP-Kollege Dr. Conrad Maas vor den angereisten Journalisten hervor. Worauf legten Karl und sein Bruder Georg bei der Konzeption des neuen Milchviehstalles für ihre gemischte Herde Wert? Die Tierwohl-Maßnahmen, die mit einem 30-prozentigen Zuschuss gefördert wurden, hier im Einzelnen:
- Die 2x2-reihige Bauweise bietet den Kühen gegenüber der verbreiterten 3-reihigen Bauweise mehr Platz auf den Laufflächen. Darüber hinaus fällt das Tier:Fressplatz-Verhältnis systembedingt günstig aus, so dass alle Tiere gleichzeitig fressen können. Die Fressplätze sind zusätzlich vom Gang abgetrennt und höhergelegt. Das bietet den Kühe mehr Ruhe beim Fressen und zudem eine saubere, trockene Standfläche.
- Die Lauf- und Fressgänge überschreiten die empfohlene Mindestbreite. Dadurch können sich die Tiere stressfrei begegnen und rangniedere Kühe besser ausweichen. Hintergrund: Kühe sind Herdentiere und haben eine feste Rangordnung.
- Die Kühe kalben in einem großzügigen Strohbereich ab, der durch einen Treibgang mit den beiden Melkrobotern verbunden ist. Der Bereich für die trockenstehenden und frischmelkenden Kühe wurde in der Nähe der Abkalbe- und Krankenbuchten – und damit separat von der melkenden Gruppe - installiert. „Das stellt sicher, dass die Tiere individueller und bedarfsgerecht gefüttert werden können“, macht Tierarzt Dr. Maas deutlich.
- Ein Futterroboter sorgt dafür, dass regelmäßig frisches Futter nachgeschoben wird. Zudem können die beiden Melkroboter jederzeit mehrmals am Tag von den Kühen aufgesucht werden. Schließlich können die Tiere dauerhaft nach draußen auf einen geräumigen Laufhof.
- Die Unterbringung des Jungviehs im alten Liegeboxenstall und der Umbau des ehemaligen Jungviehstalles zum Heu- und Strohlager bringt weitere Vorteile: Der separate Kälberstall mit Außenklima und Tiefstreu sowie in Einzelboxen bietet dem Nachwuchs mehr Platz. Infolge des angrenzenden Heu- und Strohlagers sind die Wege kurz.
Hintergrundinformation:
Das Regierungspräsidium Tübingen ist im Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) für alle Förderanträge im Regierungsbezirk Tübingen zuständig. Als Bewilligungsbehörde entscheidet es darüber, ob und in welcher Höhe im jeweiligen Fall eine Förderung erfolgt. Bei dieser Investitionsförderung arbeitet das Regierungspräsidium eng mit den Landratsämtern als unteren Landwirtschaftsbehörden zusammen, es ist auf deren Expertise vor Ort angewiesen.
Die Überwachung des Tierschutzes in den landwirtschaftlichen Betrieben ist zunächst eine Aufgabe der Landratsämter. Das Regierungspräsidium Tübingen übt insoweit die Fachaufsicht über die Veterinärämter im Regierungsbezirk Tübingen aus. Zudem ist es zuständig für die Fachaufsicht über das Staatliche Tierärztliche Untersuchungsamt (STUA) Aulendorf – Diagnostikzentrum – sowie über das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Sigmaringen.
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