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Interview

„Zukunftsfähige Ställe vereinen Tierwohl und Umweltschutz”

Um Spitzenleistungen zu erbringen, müssen sich Kühe wohlfühlen. Damit der Stall zur komfortablen Oase für die Tiere wird, muss alles stimmen: Futter, Wasser, Luft und Platz. Prof. Dr. Barbara Benz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen, und zuständig für die Leitung der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP) für den tiergerechten Um- und Neubau von Milchvieh- und Rinderställen in Baden-Württemberg, erläutert im Interview mit BWagrar, worauf es dabei ankommt.

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Prof. Dr. Barbara Benz leitet die EIP-Projekte im Südwesten.
Prof. Dr. Barbara Benz leitet die EIP-Projekte im Südwesten.privat
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BWagrar: Frau Prof. Benz, Sie beschäftigen sich mit den Ansprüchen von Kühen und Rindern an ihre Ställe. Worauf kommt es hierbei an?

Benz: Es geht darum, die Anpassungsfähigkeit von Rindern nicht zu überfordern. Dabei geht es beispielsweise um den Wärmehaushalt der Kühe. Bei zukunftsfähigen Haltungssystemen sollte hierauf verstärkt geachtet werden, da die Klimaveränderungen besonders in Süddeutschland mehr Hitzetage und warme Nächte mit sich bringen werden. Rinder vertragen Kälte jedoch besser als Wärme. Dachbegrünungen werden deshalb in Zukunft eine größere Rolle spielen, da sie Verdunstungskälte erzeugen können. Genauso wie Liegeboxen, in denen die Kühe nicht nur komfortabel liegen, sondern zusätzlich bequem, klauenfreundlich und hygienisch auf einem verformbaren Untergrund stehen. Denn auch das führt dazu, dass sie mehr Wärme abgeben können. Darauf haben wir bei den Ställen im EIP-Rind geachtet.

Generell sind stressfreie Rückzugsorte ein Bedürfnis von Rindern. Wir konnten mit einer Studie zeigen, dass erhöhte Fressstände mit Abtrennungen an jedem zweiten Fressplatz Verdrängungen reduzieren und davon besonders rangniedere Kühe profitieren. Ohnehin empfinde ich strukturierte Haltungssysteme für das Wohl der Tiere wichtig. Strukturierung bedeutet dabei aber nicht automatisch, dass mehr Bereiche und damit mehr Gesamtfläche angeboten wird, denn das ist im Zusammenhang mit dem geforderten, höheren Umweltschutz kontraproduktiv. Lösbar ist dieser Konflikt über strukturierte Laufhöfe mit zusätzlichen Boxen, die nicht überdacht sind und von den Kühen zum Stehen oder Liegen genutzt werden können. Das halte ich für den vielleicht wichtigsten Beitrag, den das EIP-agri Bauen in der Rinderhaltung hierbei leistet.

BWagrar: Über das EIP-Projekt wurden bisher zahlreiche Neubauten gefördert. Welche Voraussetzungen mussten die Betriebe erfüllen?

Benz: Das Projekt EIP-agri Bauen in der Rinderhaltung startete 2017 und läuft bis Ende 2022. In dieser Zeit gab es für eine limitierte Anzahl von maximal 25 rinderhaltenden Betrieben in Baden-Württemberg einen erhöhten Zuschuss, wenn die Bauprojekte dem Anspruch der Fachgruppe genügten. Auf eine maximale Investitionssumme von 900.000 Euro erhielten die Betriebe zusätzlich zur AFP-Premium- oder Basisförderung 20 Prozent Zuschuss für die innovativen Baukonzepte.  Bei der praktischen Umsetzung mussten Zielkonflikte gelöst und innovative Lösungen entwickelt werden. Ein prominentes Beispiel ist das Dilemma, dass mehr Platz zwar das Tierwohl fördern kann, aber mit der höheren Fläche die Ammoniakemissionen steigen. Das Projekt verfolgt den Ansatz, Lösungen zu entwickeln, die von den Praktikern akzeptiert werden und dazu beitragen, die Rinderhaltung unter den hiesigen Standortbedingungen zukunftsfähig und wettbewerbsfähig zu gestalten.

BWagrar: Wie groß ist das Interesse von Milchviehhaltern, ihre Ställe um- oder neu zu bauen? 

Benz: Das Interesse an den neuen Baukonzepten ist hoch. Wir sehen das an den Teilnehmerzahlen bei unseren Besichtigungsangeboten. Gerade der EIP-Rind Talk ist beliebt, da das Format einen direkten Austausch zwischen den Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern ermöglicht. Für Milchviehhalter ist es spannend von Berufskollegen zu erfahren, warum der Stall so geplant wurde und was sich nun in der Praxis bewährt hat oder wo nachgebessert werden musste. Unsere Ställe präsentieren wir dabei nicht als Ideallösungen, sondern wir erklären und demonstrieren, welche Lösungen für die Herausforderungen eines zukunftsfähigen Stallbaus in der Arbeitsgruppe erarbeitet wurden.

BWagrar: Die Baukosten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Zahlen sich die teuren Investitionen aus?

Benz: Unsere Kalkulationen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Es zeigt sich aber, dass viele Betriebe über den erhöhten Zuschuss hinaus Geld in die Innovationen investiert haben. Allerdings muss man hierbei berücksichtigen, dass man beispielsweise von einer Automatisierungstechnik lange profitiert. Die reinen Stallplatzkosten, mit und ohne erhöhten Zuschuss, sind deshalb als Vergleichsmaßstab nur bedingt geeignet. Wir wollen deshalb die Jahreskosten für das jeweilige Verfahren kalkulieren. Dabei geht es dann nicht nur um die fixen, sondern auch um die variablen Kosten, wie zum Beispiel die Lohnkosten. Daran lässt sich schlussendlich messen, ob sich eine Investition amortisieren kann. Dabei sind die erwarteten Effekte auf die Tiergesundheit oder Nutzungsdauer und die womöglich höheren oder stabileren Leistungen noch nicht berücksichtigt.

Emissionsmindernde Laufflächenbeläge aus Gummi erfordern hohe Investitionen, jedoch verbessert sich dadurch die Klauengesundheit. Das gilt für erhöhte Fressstände und strukturierte Laufhöfe. Gesunde, langlebige Kühe fördern die Rentabilität der Betriebe. Was die Ammoniakemissionen anbelangt, stellten wir fest, dass das Mehr an Emissionen durch die Laufhofflächen kompensiert werden kann, wenn die Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden. Die Landwirte mussten im EIP-Projekt dafür 500 bis 1000 Euro pro Kuhplatz investieren. Damit können Tierwohl und Umweltschutz in Einklang gebracht werden, was eine Voraussetzung zur regionalen Erzeugung von Lebensmitteln darstellt. 

BWagrar: Das EIP-Projekt geht dieses Jahr zu Ende. Was erwartet die Landwirte noch?

Benz: Wir werden unseren Abschlussbericht bis zum Jahresende fertigstellen. Damit ist das Ziel des EIP-agri Bauen in der Rinderhaltung erfüllt. Mein Eindruck ist, dass die innovativen Ställe viel Aufmerksamkeit bekommen. Die Bilder, Baupläne, Ergebnisse aus der Begleitforschung und Drohnenvideos auf der Website werden häufig angeklickt. Den EIP Rind Talk führen wir bis zum Projektende weiter. Wir bemühen uns in der Arbeitsgruppe, Erfahrungen weiterzugeben und ich hoffe, dass viele Betriebe davon profitieren.

In der Galerie Sie Bilder von Prof. Barbara Benz, die die neuen Konzepte in EIP-Ställen im Land mit der Kamera festgehalten hat.

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