Hat der Nebenerwerb Perspektiven?
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BWagrar-Interview mit Prof. Dr. Reiner Doluschitz
Hat der Nebenerwerb Perspektiven?
Prof. Dr. Reiner Doluschitz, Direktor des Food Security Center, leitet an der Universität Hohenheim das Fachgebiet Agrarinformatik und Unternehmensführung und die Forschungsstelle für Genossenschaftswesen. Im Gespräch mit BWagrar erläutert der Betriebswirtschaftler die Bedeutung der Nebenerwerbslandwirtschaft und skizziert deren Motive und Perspektiven im süddeutschen Raum.
BWagrar: Herr Professor Doluschitz, die Nebenerwerbslandwirtschaft hat in Süddeutschland lange Tradition. Wie bedeutend ist diese Erwerbsform für die hiesige Landwirtschaft und den ländlichen Raum?
Doluschitz: Die Abnahmerate der Zahl der Nebenerwerbsbetriebe im Bundesgebiet entspricht etwa derjenigen der Zahl aller landwirtschaftlichen Betriebe, damit bleibt die relative Bedeutung der Nebenerwerbslandwirtschaft zeitstabil. In Deutschland gibt es somit mehr Nebenerwerbsbetriebe als Haupterwerbsbetriebe (52 %), in Baden Württemberg sind es sogar 63 %.
Ganz wichtig sind noch die durchaus erheblichen Anteile an den Produktionsfaktoren, die in den Nebenerwerbsbetrieben gebunden sind. Für Baden-Württemberg ergeben sich die im Nebenerwerb gebundenen Anteile von etwa 30 % der Ackerfläche und der Rebfläche, circa 35 % des Grünlands, je 13 bis 15 % der Milchkühe und Mastschweine und etwa 30 % der gesamten Arbeitsleistung der Landwirtschaft.
"Die dominanten Motive von Nebenerwerbslandwirten lassen auf ein langfristiges Bestehen dieser Erwerbsform schließen."
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Nebenerwerbslandwirtschaft nicht nur gemessen an der Zahl der Betriebe, sondern auch bzgl. der Produktionskapazitäten wichtige Anteile der Agrarstruktur repräsentiert.
BWagrar: Die Annahme, Nebenerwerbslandwirtschaft nehme in Umfang und Bedeutung ab, bewahrheitet sich bisher nicht. Was sind hierfür die Ursachen und welche Motive treiben die Nebenerwerbsfamilien?
Doluschitz: Mit dem landwirtschaftlichen Nebenerwerb werden sowohl ökonomische Ziele wie Einkommenssicherung, Vermögenserhalt, Nutzung freier Arbeitskapazität, Selbstversorgung, als auch private Ziele wie Selbständigkeit, Traditionsbewusstsein, beruflicher Ausgleich, Freizeitbeschäftigung, Liebhaberei verfolgt.
Betrachtet man schließlich noch die Motive von Nebenerwerbslandwirten für die Betriebsgründung bzw. -übernahme, so wird erkennbar, dass die dominanten Motive auf ein langfristiges Bestehen dieser Erwerbsform schließen lassen. Entsprechend wird bei der Frage nach maßgeblichen Motiven genannt:
- die Freude an der Landwirtschaft an erster Stelle, danach
- die Tradition in der Familie und
- der Erhalt des Hofes.
- Zur Nutzung der freien Zeit und zum Ausgleich zur sonstigen Tätigkeit wird ebenfalls Nebenerwerbslandwirtschaft betrieben.
- Die Selbständigkeit wird auch sehr geschätzt.
- Ökonomische Gründe, wie die Erwirtschaftung eines zweiten Einkommens, werden erst in zweiter Linie genannt.
BWagrar: Welche Perspektiven für den Nebenerwerb sehen Sie? Ist er Einstieg in den Ausstieg aus der Landwirtschaft oder bleibt er dauerhaftes Strukturelement in Süddeutschland?
Doluschitz: Die hoch eingeschätzte Bedeutung außerökonomischer Motive ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Nebenerwerbslandwirtschaft eine dauerhafte Betriebsform ist, weil sich an diesen Motiven auch nichts bzw. wenig ändert.
"Bei der Nebenerwerbslandwirtschaft handelt sich um eine dauerhafte Betriebsform, die sehr zukunftsfähig ist."
Auch lassen die Ergebnisse unserer Forschungsarbeiten erkennen, dass die außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse maßgeblich die Motivation zum Verbleib in der Landwirtschaft prägen und neben den natürlichen Standortbedingungen auch Ursache für die vorzufindenden Betriebsstrukturen und Produktionsintensitäten sind.
Es zeigt sich auch, dass Landwirtschaft im Nebenerwerb keinesfalls unwirtschaftlich und irrational betrieben wird und dass es sich bei der Nebenerwerbslandwirtschaft um eine dauerhafte Erwerbsform handelt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Nebenerwerbslandwirtschaft weiterhin eine hohe Bedeutung zukommen wird. Es handelt sich – wie gesagt - um eine dauerhafte Betriebsform, der zwar in der Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit wenig Beachtung geschenkt wird, die oft unterschätzt wird, aber sehr zukunftsfähig ist.



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