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Joachim Hauck im Gespräch

Wie geht‘s mit der Landwirtschaft weiter?

Wie geht es mit der Landwirtschaft in Baden-Württemberg weiter? Wie kann sie im Wettbewerb bestehen? Darüber sprach BWagrar mit Joachim Hauck. Der Leiter der Abteilung „Landwirtschaft“ im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) tritt Ende April 2019 in den Ruhestand. Anlass genug, sich mit ihm im Ministerium in Stuttgart zu treffen.
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Ministerialdirigent Joachim Hauck, Leiter der Abteilung "Landwirtschaft" im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR), in seinem Büro im Ministerium in Stuttgart.
Ministerialdirigent Joachim Hauck, Leiter der Abteilung "Landwirtschaft" im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR), in seinem Büro im Ministerium in Stuttgart.Krehl
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Joachim Hauck im Gespräch mit BWagrar

Wie geht's mit der Landwirtschaft weiter?

Er eilt von einem Termin herbei. Noch nicht im Büro, ruft ihm seine Assistentin Namen von Personen zu, die ihn sprechen wollen. Dringend. Er vertröstet. Entdeckt Dokumente zum Unterschreiben auf seinem Stuhl. Daneben stapeln sich Aktenberge. Joachim Hauck hat zu tun. Er lebt seinen Job mit Leib und Seele. Im Dienste der Landwirtschaft und des Landes.

Über eine Stunde bei April-Wetter

Und doch nimmt er sich für BWagrar über eine Stunde Zeit. Bei typischem April-Wetter vor Ostern 2019. Spricht über Erlebnisse und Aufgaben. Erklärt, wie die Landwirtschaft bestehen kann. Dann eilt der Abteilungsleiter „Landwirtschaft“ im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) zum nächsten Termin.

BWagrar: Herr Hauck, vom Regierungspräsidium Karlsruhe kommen Sie 1999 ins Landwirtschaftsministerium nach Stuttgart als Leiter der Abteilung „Agrarordnung“. Sie haben bestimmt viel erlebt und hatten Einiges auszuhalten. An welche Erlebnisse und Aufgaben erinnern Sie sich besonders?

Hauck: Beispielsweise an die Bewältigung des Konflikts um die Sozialberatung, wo die Bauernverbände betroffen waren. Das war der Ausgangspunkt meiner Tätigkeit 1999. Diese Aufgabe konnten wir gut bewältigen und wieder eine gute Zusammenarbeit mit dem Berufsstand verwirklichen.

„Wir haben nicht lange diskutiert, was entschieden worden ist, sondern wir haben es umgesetzt und das Beste daraus gemacht.“
Joachim Hauck, Abteilungsleiter "Landwirtschaft", MLR

Die Verwaltungsreform 2005 war am einschneidendsten. Am Vorabend der Kabinettssitzung hatten wir noch mit Abgeordneten darüber diskutiert, größere Landwirtschaftsämter zu schaffen und zu leistungsfähigen Einheiten zu bündeln – und dann kam der Beschluss einzugliedern. Diese Veränderung, die wir da zu bewältigen hatten, war sehr massiv. Wir waren aber darauf angewiesen – und das war mir wichtig –, in der neuen Organisationsstruktur wieder sehr schnell arbeitsfähig zu werden. Das ist uns, glaube ich, gelungen. Denn wir haben nicht lange diskutiert, was entschieden worden ist, sondern wir haben es umgesetzt und das Beste daraus gemacht. Und das funktioniert auch noch heute in den allermeisten Landratsämtern sehr gut.

Die BSE-Krise war ebenfalls ein sehr einschneidendes Ereignis. Sie hat uns alle sehr stark belastet. Vorher hatte auch der Bund noch vollmundig erklärt, bei uns gäbe es diese Rindererkrankung nicht. Aber anstatt sachlich mit dem Thema umzugehen und sauber nach den Ursachen zu forschen, ging die Sache in eine relativ hysterische Reaktion mit Maßnahmen über, die man naturwissenschaftlich und fachlich nicht mehr verstehen konnte. Man redet international von „German Angst“ oder „German Hysterie“, wie wir es auch immer nennen wollen.
So wurde Fischmehl verbrannt, obwohl es um eine Erkrankung der Rinder ging. Es wurden Rübenschnitzel verbrannt, weil Knochensplitter daran sind, doch jeder weiß, der sich mit dem Boden auskennt, dass dort seit Jahrhunderten Knochensplitter lagern.

Wir haben relativ große Verluste erlitten. Die Schweizer erledigten dagegen das Problem mit zwei Topfdeckeln, mit denen sie ein Geräusch im Kuhstall erzeugt haben, um zu sehen, wie die Tiere reagieren.

BWagrar: Sie haben unter zahlreichen Ministerinnen und Ministern gearbeitet:

  • Gerhard Weiser (1976 bis 1996),
  • Gerdi Staiblin (1996 bis 2001),
  • Willi Stächele (2001 bis 2005),
  • Peter Hauk (2005 bis 2010),
  • Rudolf Köberle (2010 bis 2011),
  • Alexander Bonde (2011 bis Mai 2016) und
  • Peter Hauk (seit Mai 2016).

Verraten Sie uns, wie sich die Zusammenarbeit gestaltete?

Hauck: Ich muss dazu sagen, ich habe mit allen meinen Chefinnen und Chefs eine hervorragende Form der Zusammenarbeit gepflegt. Jeder, so wie ich natürlich auch, hat so seine Eigenarten. Aber ich habe immer den Eindruck gehabt, dass ich das Vertrauen meiner Vorgesetzten genieße, dass von den Vorgesetzten meine Meinung gefragt war und entsprechende Beratungsempfehlungen auch angenommen oder diskutiert wurden.

„Hervorragende Ergebnisse nicht nur dank der Wissenschaft, sondern insbesondere dank der Ideen der Landwirte.“
Joachim Hauck, Abteilungsleiter "Landwirtschaft", MLR

Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich lege größten Wert, auch heute noch, auf die Gegendarstellung, den Widerspruch, auch auf Diskussion zum Thema. Nur dann kann man die beste Lösung finden.

BWagrar: Auflagen, Verordnungen, Gesetze – kein einfaches Thema. Viele Landwirte haben den Eindruck, es wird immer mehr reglementiert. Erinnern Sie sich an Rechtstexte, die bei der Einführung besonders schwierig waren und auf Widerstand stießen.

Hauck: Die Schutzgebiets- und Ausgleichs-Verordnung (SchALVO) ist als eine der ersten zu nennen, von der wir sehr vieles gelernt haben. Wir haben sehr intensiv kommuniziert. Insbesondere Minister Weiser ist in die turbulenteste Situation hineingegangen, mit den Landwirten zu diskutieren, um diese zu überzeugen. Dabei ist natürlich wichtig zu wissen, wovon man redet. Das ist ein ganz entscheidender Punkt! Und dass man durch schlüssige Argumente die Zustimmung gewinnt.

Man sollte dazu bereit sein, seine eigene Meinung zu hinterfragen, wenn aus der Praxis Vorschläge und Erkenntnisse kommen. Wir haben beim Wasserschutz eine hervorragende Kommunikation mit den Landwirten aufgebaut und sind gemeinsam weitergekommen.

Ich habe immer wieder festgestellt bei allen Projekten, die ich angegangen bin, dass es gemeinsam mit den Landwirten immer besser ging. Deshalb habe ich mich massiv auch zum Beispiel für die Europäische Innovationspartnerschaft (EIP) eingesetzt. Wir dürfen heute feststellen, dass wir in den verschiedenen EIP-Projekten, zum Beispiel bei Tierwohl-Ställen, hervorragende Ergebnisse haben. Und das nicht nur dank der Ideen der Wissenschaftler, sondern insbesondere auch dank der Ideen, welche die Landwirte eingebracht haben.

BWagrar: Innovationen – Sie geben das Stichwort! Die sind für die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft wichtig. Was ist zu tun, damit die Landwirtschaft in Baden-Württemberg eine Zukunft hat?

Hauck: Zum einen geht es um die in der Landwirtschaft tätigen Menschen, die heute ein hohes und immer umfassenderes Wissen brauchen. Dieses Wissen muss man ihnen zur Verfügung stellen. Dabei spielt nicht nur die Qualität der Ausbildung eine Rolle, sondern ebenso die Frage, wie wir unsere Ausbildung optimieren können. Wir müssen dringend an diesem Thema arbeiten.

Wir müssen insbesondere Techniken finden, um das Wissen schneller an die Landwirte heranzubringen. Da haben wir mit unserer Beratungsstruktur durchaus einige Schritte getan, aber es geht darum, das Erreichte noch effizienter zu machen, also um Wissensmanagement. Vom Problem, das der Landwirt hat, hin zur Wissenschaft, die es löst, und umgekehrt, das ist eine zentrale Frage. Die Schnelligkeit dieses Prozesses wird darüber entscheiden, ob man wettbewerbsfähig bleibt.

„Wir brauchen bei uns eine effiziente Agrarproduktion, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können.“
Joachim Hauck, Abteilungsleiter "Landwirtschaft", MLR

Zudem ist sehr wichtig, dass jeder für sich sein Unternehmen, aber auch die Familienstruktur, seine Neigungen sauber analysiert und erst auf dieser Basis Entscheidungen trifft. Dazu gehört eine sehr ehrliche Analyse. Mich wundert immer wieder, wie wenige Betriebe bei uns beispielsweise Betriebszweigabrechnungen machen und diese auch mit anderen vergleichen, um ihre Stärken und Schwächen zu erkennen. Das ist zentrale Voraussetzung, dass ich meine Kosten und Unternehmensergebnisse kenne und sagen kann, ich bin wettbewerbsfähig – oder auch nicht. Dazu braucht es eine gewisse Flexibilität, um nicht nur in eine Richtung zu gehen.

Die Rahmenbedingungen müssen natürlich stimmen! Und diese stimmen in Teilen zurzeit nicht. Dabei spielt die Einstellung der Gesellschaft zur Landwirtschaft eine Rolle und ob sie Nahrungsmittel aus unserem Land haben will. Es kann nicht angehen, dass wir durch Vorgaben, welche die Produktion bei uns unmöglich machen oder den Wettbewerb massiv beeinträchtigen, die Probleme nach außerhalb unserer Grenzen verlagern und Produktionsverfahren bei uns zum Erliegen kommen. Diese Form des Sankt Florian-Prinzips kann nicht zukunftsfähig sein.

BWagrar: Am 30. April 2019 „gleiten“ Sie aus dem Landesdienst in den Ruhestand. Sind Sie darauf vorbereitet, bleiben Sie der Landwirtschaft verbunden und was haben Sie sich für Ihre neue Lebensphase vorgenommen?

Hauck: Von einem „Hinübergleiten“ kann ich nicht reden. Sondern ich habe noch Einiges zu tun, will hier noch Manches erledigen – und dann warten aber auch im Ruhestand neue Aufgaben. Ich habe zahlreiche Anfragen, was ich denn alles tun könnte und ob ich mich denn nicht auch da oder dort engagieren möchte. Das ist die eine Seite.

Zum anderen freue ich mich darauf, mehr Zeit für die Familie, insbesondere für meine Ehefrau zu haben, die ihren Betrieb noch hat. Dieser Ackerbaubetrieb umfasst auch eine kleine Metzgerei plus Catering. Meiner Frau habe ich in der Vergangenheit ab und zu einmal helfen können. Jetzt hoffe ich, dass ich sie ein bisschen stärker unterstützen kann.

Und dann sind da noch vier Enkel. Die freuen sich vielleicht doch, dass der Großvater ein kleines Bisschen mehr Zeit für sie und ihre Anliegen hat.

 

Joachim Hauck tritt ab

  • Joachim Hauck aus Bretten-Neibsheim (Landkreis Karlsruhe) tritt 1994 als Leiter der Abteilung „Landwirtschaft und Veterinärwesen“ im Regierungspräsidium Karlsruhe die Nachfolge von Hans Springmann an.
  • Zuvor hatte er in Gießen und Hohenheim studiert und bereits mehrere Stationen in der Landwirtschaftsverwaltung Baden-Württembergs absolviert, unter anderem als Referatsleiter im Ministerium in Stuttgart.
  • Im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) folgt Hauck im Februar im Jahr 1999 als Leiter der Abteilung „Agrarordnung“ Dr. Friedrich Deininger nach.
  • Nach über 20 Jahren und unter sechs Ministerinnen und Ministern in dieser Funktion tritt Joachim Hauck zum 30. April 2019 in den Ruhestand.
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