Zeit der Veränderung
- Veröffentlicht am

Von Veränderungen berichtet Professor Enno Bahrs, Fachgebiet Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim. Er stellt klar, dass der Wertewandel in der Gesellschaft eine extensive Landwirtschaft fordere. So sei dies aktuell die politisch gewollte Forderung, auch wenn jahrelang die Intensivierung das erste Mittel der Wahl war. Bahrs sagt klar: Bei allen sonstigen Einwirkungen spiele die Rolle der Landwirtschaft beim Rückgang der Biodiversität eine nicht unwichtige Rolle. „Da muss man nichts schönreden“, sagt er in Bruchsal. Kurze Fruchtfolgen, Große Schläge und damit die Reduktion der Ackerrandstreifen sowie chemischer Pflanzenschutz hätten ihren Beitrag geleistet. Aktuell forsche die Universität Hohenheim zu einem neuen Bewirtschaftungssystem, dass sich zwischen ökologischem Landbau und konventioneller Landwirtschaft bewege. Dabei gehe es um den Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz aber mit Einsatz von mineralischem Dünger. Dabei sind zahlreiche Fakultäten involviert um am Ende ein umfassendes Produkt zu haben, für den der Verbraucher vielleicht auch mehr bezahlt.
Aktueller Stand der GAP
Die aktuelle Diskussion zur GAP ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Verhandlungen über den aktuellen Finanzrahmen laufen noch. „Die Diskussion über die Finanzierungsbasis des Agrarhaushalts wird sich noch eine Weile hinziehen“, vermutet Dr. Konrad Rühl, Abteilungsleiter im Ministerium Ländlicher Raum in Stuttgart. Aus den aktuellen Vorschlägen der Kommission, lässt sich allerdings ableiten, dass sich die EU-Mittel für Baden-Württemberg wohl reduzieren werden. Der Bund und das Land hätten aber bisher die fehlenden Gelder ausgeglichen. Er ist zuversichtlich, dass dies so bleibt. „Wir versuchen natürlich, möglichst viele Gelder nach Baden-Württemberg zu holen“, so Rühl. Unter anderem liege dem Minister daran, dass die Zahl der ersten Hektare angehoben wird. Davon könnten die kleinstrukturierten Betriebe im Land profitieren. Mit der neuen GAP wird es Beschränkungen geben. Gelder müssen gezielt eingesetzt werden. Zum Beispiel müssen fünf Prozent der nationalen ELER-Mittel für Umwelt- und Klimaschutz zur Verfügung stehen.
Eine neue Flexibilität schaffen die Umschichtungsmöglichkeiten von der Ersten in die Zweite Säule. Allerdings ist auch hier noch offen, wie sie aussehen werden. Rühl stellt die Architektur der neuen GAP vor. Spannend bleibe dabei im kommenden Jahr, wie sich die Bundesländer zum Beispiel in Sachen Eco-Schemes einigen werden. Das sei interessant, da dieser Bereich aus der ersten Säule finanziert werde, sich allerdings inhaltlich an der zweiten Säule orientiert. „Ziel für Baden-Württemberg ist es auf jeden Fall, vernünftige Beträge in den Direktzahlungen zu halten und zusätzliche Angebote in der zweiten Säule zu schaffen“, so Rühl.
Zukunft der deutschen Landwirtschaft
Dr. Christian Bickert ist stellvertretender Chefredakteur der DLG-Mitteilungen und Marktanalyst und gibt einen Einblick, welche Chance die Deutsche Landwirtschaft in den kommenden Jahren global gesehen haben werde. Als praktizierender Landwirt, der neben einem Hof bei Frankfurt gemeinsam mit seiner Frau auch einen Betrieb in Rumänien betreibt, berichtet von seinen Erkenntnissen zur Zukunft der deutschen Landwirtschaft.
Ackerbau global
So stellt er vor, dass aktuell rund zwei Drittel des weltweiten Weizens aus den USA, Kanada, Russland und Europa stammen. Dabei drückt vor allem Osteueropa den Weizenpreis. Vor 30 Jahren importierte die Sowjetunion damals rund 30 Millionen Tonnen Weizen im Jahr. Seitdem wurde dort eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Allein die Länder Russland, Ukraine und Kasachstan exportieren heute mehr als 100 Millionen Tonnen Weizen. „Das wird sich noch weiter nach oben entwickeln“, prophezeit Bickert. „Gerste ist das deutsche Produkt schlechthin“, stellt Bickert fest. Das fließe vor allem in die Futterwirtschaft. Da die Tierhaltung in Europa eher rückläufig sei, könnte das in den kommenden Jahren auch die Achillessehne sein. Den Markt beim Raps entscheide das Wetter in Indonesien. Dort werde Palmöl gewonnen und dies bestimme über den Preis der Pflanzenöle in der Welt. Bei der Zuckerproduktion liefern sich Brasilien und Indien ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bickert ist sich sicher, die Zuckerpreise künftig klar am Weltmarktpreis orientieren und nicht mehr über 400 Euro pro Tonne erreichen werden. Der Mais- und Sojaanbau spiele sich vor allem in Amerika (Nord und Süd) sowie in der Ukraine ab. Während Mais in der Ukraine vor wenigen Jahren keine Rolle spielte, gehöre es heute zu den größten Produktionsländern. „So lange die Ukraine erntet, haben wir schlechte Karten“, sagt Bickert.
Mit all diesen weltweiten Gegenheiten müsse sich Deutschland abfinden. Dazu komme, dass das Ausbildungsniveau in vielen Ländern in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Er warnt davor, dass die deutschen Landwirte, Landwirten in anderen Ländern unterstellen, nicht mit Umweltauflagen zu wirtschaften. In Brasilien beispielsweise, sei es seit vielen Jahren Standard, dass Landwirte rund 30 Prozent ihrer Fläche als Urwald vorhalten und aus er Produktion nehmen müssen.
Bickert geht neben den Anforderungen des Weltmarkts auch auf die Veränderung der Gesellschaft. So akademisiere sich die Gesellschaft. Rund ein Drittel der 18 bis 27-jährigen ist derzeit an einer Hochschule. Jeder achte der älter als 65 Jahre ist, war an der Universität und auch ein Viertel der heute 30 bis 39-Jährigen hat einen akademischen Abschluss. Diese bestimmen, sagt Bickert.
Ein weiterer Aspekt ist die Überalterung. „Rentner und Studenten leben vom Geld anderer Leute“, sagt Bickert. Das sei ihnen gegönnt, aber sie hätten Zeit. Zeit um auf die Strasse zu gehen und in Berlin oder Stuttgart zu demonstrieren. Das haben die Arbeiter nicht.
Zudem habe jeder zweite Rentner mehr als 1750 Euro im Monat zur Verfügung. Das heißt, Geld ist vorhanden. Und wer Zeit und Geld hat, der will bewahren. Das heißt keine Veränderung, so seine Vermutung. Regiert werde Deutschland künftig von Akademikern mit überdurchschnittlichem Einkommen. Handwerker und Arbeiter verlieren an Einfluss. „Nehmen Sie es als Fakt hin“, sagt Bickert. Für den Markt bedeutet dies, dass Getreide ein Fruchtfolgeprodukt bleibt, ohne nennenswerten Gewinnbeitrag. Rübe und Raps verlieren zudem ihre tragenden Rollen im Ackerbau. „Mit Standardprodukten haben wir keine Chance. Auch nicht in der Bio-Version“, sagt Bickert. Eine Zukunft sieht Bickert in der Milch, weil diese nicht in jeder Gegend der Welt gewonnen werden kann und wird im Gegensatz zum Fleisch – Inder essen kein Rind, Moslems kein Schweinefleisch – überall verzehrt. Für den Landwirt heißt dies, wer Massenprodukte erzeugt muss seine Kosten massiv senken. „Mehr Umsatz pro Hektar“, sei der Schlüssel im klassischen Ackerbau. Dazu komme, dass sich deutsche Betriebe stark auf veränderte Wettbewerbsbedingungen einstellen müssen.
Er ermunterte die Landwirte unternehmerisch zu denken. „Entwickeln sie sich weiter“. Thyssen-Krupp habe einst mit Kanonenkugeln begonnen und produziert heute Aufzüge. Das wichtigste zur Veränderung sei, die Produktionskosten zu kennen und in Vollkosten zu rechnen. Er rät zudem seinen Horizont zu erweitern und auch mal in der Familie Dinge zu denken, die mutig sind und vielleicht am Ende mal ins Risiko zu gehen.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.