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Farm-to-Fork-Strategie

Scharfe Kritik auf Kommissionsvorschläge

Laut der am 20. Mai vorgestellten Strategiepapiere zur Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategie im Rahmen des European Green Deal, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral umgestaltet werden soll, plant die EU-Kommission unter anderem massive Einschnitte beim Pflanzenschutz und bei der Düngung.
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So soll nach Vorstellungen der Kommission der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis zum Jahr 2030 halbiert werden. Bei Düngemitteln sind Abschläge von mindestens 20 Prozent im Gespräch. Außerdem will die Kommission den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche im gleichen Zeitraum auf 25 Prozent verdreifachen.

DBV: Generalangriff auf die europäische Landwirtschaft

Die von der EU-Kommission vorgelegten Pläne sieht der Präsident des Deutschen und Europäischen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, äußerst kritisch: „Wir wollen den Weg hin zu einer umweltfreundlichen Landwirtschaft weitergehen und weiterentwickeln. Aber dieser Vorschlag ist der falsche Weg. Er ist ein Generalangriff auf die gesamte europäische Landwirtschaft“. In den vorgelegten Strategiepapieren seien dringend notwendige Anpassungen, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, nicht berücksichtigt worden. „Die Ernährungs- und Versorgungssicherheit der Menschen in Europa mit heimischen Nahrungsmitteln muss in den Mittelpunkt dieser Strategie gerückt werden.“ Um eine produktive, wettbewerbsfähige und ressourcenschonende Landwirtschaft zu erreichen, müsse statt auf neue Auflagen verstärkt auf Kooperation gesetzt werden. „Die europäische und deutsche Landwirtschaft ist bereit, ihren Teil zu einem verbesserten Umwelt- und Biodiversitätsschutz beizutragen und eine Transformation der Lebensmittelerzeugung hin zu noch mehr Nachhaltigkeit mitzugestalten“. 

Nur in Kooperation mit dem Sektor und unter Beteiligung der Verbraucher seien die ambitionierten Ziele des Green Deals erreichbar. Allgemeine politische Reduktionsziele für Pflanzenschutzmittel und andere Betriebsmittel seien dabei kontraproduktiv und verlassen die Grundlage der guten fachlichen Praxis. „Die Bäuerinnen und Bauern dürfen mit den Kosten für mehr Umwelt- und Klimaschutz nicht allein gelassen werden. Die Konsequenz wäre eine zunehmende Abwanderung der europäischen Lebensmittelproduktion in Drittstaaten und vor allem die Aufgabe einer großen Zahl an landwirtschaftlichen Betrieben in der Europäischen Union“, so Bauernpräsident Rukwied.

In einem 16-Punkte-Papier hat der DBV zu den Kommissionsplänen ausführlich Stellung bezogen. Das Papier im Wortlaut finden Sie hier.

IVA: Überzogene und unrealistische Ziele

Kritik kommt auch vom des Industrieverband Agrar (IVA). „Die vergangenen Monate haben uns die komplexen Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft in den nächsten Jahren steht, drastisch vor Augen geführt. Neben dem Klimawandel und dem Schutz der Biodiversität muss verantwortungsvolle Agrarpolitik – das hat die Corona-Krise gezeigt – immer auch die Ernährungssicherung mitdenken“, so IVA-Hauptgeschäftsführer Dr. Dietrich Pradt Pradt: „Vor diesem Hintergrund erscheint das von der Kommission ausgegebene Ziel, Risiken und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren, als anspruchsvoll, vielleicht sogar überzogen und unrealistisch. Um es klar zu sagen: Die Industrie sperrt sich nicht gegen quantifizierbare Ziele, auch nicht gegen ambitionierte Reduktionsziele, wenn es darum geht, die Nährstoffeffizienz der Düngung zu steigern oder die Risiken der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu minimieren.“

Zugleich warnte Pradt davor, die offensichtlichen Zielkonflikte einfach auszublenden: „Hinter allem muss eine klare Vision stehen, um Klima- und Biodiversitätsschutz, die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion und die Sicherung der Ernährungsgrundlagen in Einklang zu bringen. Der Beitrag, den die agrochemische Industrie leisten kann und wird, sind Investitionen in neue, innovative Wirkstoffe, Biologica und Biostimulanzien, hocheffiziente Mineraldünger und Inhibitoren sowie digitale Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft.“

Klöckner: Lasten gleichmäßig verteilen

Für Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner fällt die Vorstellung der Farm-to-Fork-Strategie und die Biodiversitätsstrategie in eine Zeit, in der die europäische Ernährungssicherung eine große Rolle spielt. Die Vorschläge seien sehr ambitioniert. "Aber ambitionierte Ziele können unsere Landwirte nur erreichen, wenn sie auch finanziell unterlegt werden. Und deshalb hätte ich mir heute ein genauso klares Bekenntnis zu einem gut ausgestatteten Agrarbudget gewünscht", so Klöckner.

Wichtig sei, dass theoretische Anforderungen in Einklang gebracht werden mit der Praxis und dem Arbeitsalltag auf den Höfen. Denn die Kernaufgabe der Landwirtschaft sei, Nahrungsmittel zu produzieren. Die ausreichende Verfügbarkeit unserer Grundnahrungsmittel und die Ernährungssicherung in der EU und global müssten stets im Vordergrund stehen. Und das werde immer Umwelteinflüsse haben.

Essen und unsere Landwirtschaft werden künftig noch nachhaltiger – daran besteht laut Klöckner kein Zweifel. "Auch deshalb fordern wir für die neue Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020, dass es für Klima- und Umweltauflagen verbindliche Leitplanken gibt, die für alle Mitgliedstaaten gleich gelten und umgesetzt werden müssen. Die Last muss aber gleichmäßig verteilt werden. Die Verantwortung für das Erreichen der Ziele darf nicht allein bei einer Branche abgeladen werden. Sie gehen alle an", erklärte die Ministerin. Die Farm-to-Fork-Strategie sei Diskussionsgrundlage und greife Maßnahmen auf, die man in Deutschland bereits auf den Weg gebracht habe – wie etwa ein Tierwohlkennzeichen und die erweiterte Nährwertkennzeichnung.

Gesprächsbedarf im Kreis der EU-Agrarminister sieht Klöckner aber dazu, wie weitere Maßnahmen der Strategien  umgesetzt werden. Auch werde man darüber sprechen müssen, wie Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategie verschränkt werden können mit den ebenfalls ambitionierten Zielen der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Denn es mangeleder EU nicht an neuen Strategien. Sie müssten aber auch zusammenpassen. Wichtig sei zudem, Innovationen in der Landwirtschaft zu befördern, damit die Landwirte wirksame Instrumente an die Hand bekommen, Aufgaben zu erfüllen. 

"Umso mehr sehe ich die Aufgabe in unserer ab Juli anstehenden Ratspräsidentschaft darin, einen notwendigen Ausgleich der Interessen zu schaffen. Nachhaltige Ernährungssysteme betrachten gleichermaßen soziale, wirtschaftliche, ökologische und gesundheitliche Auswirkungen des Handelns. Wir müssen Wert darauf legen, dass in der Diskussion nicht der ein oder andere Aspekt Übergewicht bekommt“, so Klöckner.

Demeter: Nachhaltig nur mit Bio

„Das von der EU-Kommission gesetzte Ziel, 25 Prozent Ökolandbau in 2030 zu erreichen, ist ein wichtiger Schritt, um unser Ernährungssystem zukunftsfähig zu machen und die Biodiversitätsziele in der Landwirtschaft zu erreichen“, betont Demeter-Vorstand Alexander Gerber. „Die Bundesregierung muss sich jetzt in den Verhandlungen zur Gemeinsamen EU-Agrarpolitik dafür einsetzen, dass hinter diesem Ziel auch konkrete Maßnahmen stehen. Wir fordern, dass 70 Prozent des Agrarbudgets für gesellschaftliche Leistungen in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt festgelegt wird!“

Gerber weist darauf hin, dass die Ziele zum Ökolandbau nur dann vollständig erreicht werden können, wenn auch die Nachfrage nach Ökoprodukten angekurbelt wird: „Hier stehen entschiedene Schritte an: Die Bundesländer müssen ambitioniert den Anteil von Ökolebensmitteln in öffentlichen Kantinen und Mensen erhöhen. Die positiven Auswirkungen kann man in Kopenhagen sehen. Das Beispiel zeigt, dass dies, wenn richtig angepackt und mit Schulungs- und Informationskampagnen begleitet, auch wichtige Impulse für eine insgesamt nachhaltigere und gesündere Ernährungsweise setzen kann.“

Um die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen, insbesondere in Zeiten des Klimawandels, brauchen wir auch Forschung und Innovation: „Um unser Ernährungssystem gegen Krisen zu wappnen, müssen wir die gesamte Wertschöpfungskette betrachten. Zum anderen müssen in der Landwirtschaft Ansätze wie Populationszüchtung, erweiterte Fruchtfolgen oder Mixed Cropping bei der Vergabe von öffentlichen Geldern priorisiert werden. Das sind chronisch unterfinanzierte Bereiche, weil solche ganzheitlichen Ansätze – richtigerweise! – nicht patentierbar und daher kommerziell weniger interessant sind. Wir fordern, mindestens 20 Prozent der öffentlichen Agrarforschungsgelder im Ökobereich festzulegen,“ kommentiert die politische Sprecherin des Demeter e.V. Antje Kölling zur Farm-to-Fork-Strategie.

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