Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Dr. Ewald Glaser im Interview mit BWagrar

Hat die Genossenschaftsidee Zukunft?

Dr. Ewald Glaser, Vorstandsvorsitzender der ZG Raiffeisen eG in Karlsruhe, tritt Ende Juni 2020 in den Ruhestand. Im Gespräch mit BWagrar begründet er seinen Abschied, gibt einen Ausblick auf das Genossenschaftswesen, die Agrarwirtschaft und seine eigene Zukunft.
Veröffentlicht am
/ Artikel kommentieren
Artikel teilen:

Nachgefragt bei Ewald Glaser

Hat die Genossenschaftsidee Zukunft?

Dr. Ewald Glaser, seit 1984 für die ZG Raiffeisen eG in Karlsruhe tätig und seit 1997 deren Vorstandsvorsitzender, tritt Ende Juni 2020 in den Ruhestand. Der aus-gebildete Bankkaufmann studierte Agrarwissenschaften in Hohenheim und promo-vierte dort in der Fachrichtung Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. In zahlrei-chen Ehrenämtern wie im Präsidium des Deutschen Raiffeisenverbandes engagiert er sich für die Genossenschaftsidee und Landwirtschaft. Im Gespräch mit BWagrar begründet Glaser seinen Abschied, gibt einen Ausblick auf Genossenschaftswe-sen, Agrarwirtschaft und seine eigene Zukunft.

 

BWagrar: Herr Dr. Glaser, nach 36 Jahren Tätigkeit für die ZG Raiffeisen eG, davon 23 Jahre als Vorstandsvorsitzender, legen Sie diese Aufgabe in jüngere Hände. Was bewegt Sie zu diesem Schritt und wie sieht Ihr Tagesablauf künftig aus?

Glaser: Wie heißt es schon im Buch Kohelet: „Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“

Ich glaube, dass für das Unternehmen, aber auch für meine Familie der Zeitpunkt günstig ist. So Gott will, kann ich nun einiges für meine Familie tun, was bisher zu kurz gekommen ist. Es war für mich eine spannende, ja aufregende Zeit, die von permanenten Umstrukturierungen, strategischen Weichenstellungen, Erfolgen aber auch Rückschlägen gekennzeichnet war.

Als Vorstand war es mir vom ersten Tag an ein Anliegen, aus der ZG Raiffeisen eine schlagkräftige Primärgenossenschaft zu schmieden und somit den Mitgliedergedanken wieder zu beleben. Der starke Mitgliederzuwachs in den vergangenen 20 Jahren sowie die positive Umsatz- und Eigenkapitalentwicklung zeigen, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern und damit auch einen positiven Beitrag zur Entwicklung unserer Mitgliedsbetriebe leisten konnten.

„Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhabenunter dem Himmel hat seine Stunde.“
Buch Kohelet, Prediger Kapitel 3, Vers 1

In Zukunft werde ich mich mehr auf dem von meinem Sohn geführten Aspichhof in Ottersweier einbringen, meine zwei Freiberger Pferde öfters einspannen und ver-schiedene Ehrenämter intensiver begleiten. Ich werde auch weiterhin um sechs Uhr aufstehen und um 7.30 Uhr meinem Sohn als „Großknecht“ zur Verfügung stehen.

Mehr und ausgedehntere Besuche in Vorarlberg, der Heimat meiner Frau und Le-bensmittelpunkt meiner jüngsten Tochter (sie bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Haupterwerbsbetrieb im Bregenzer Wald) sind ebenfalls geplant.


BWagrar: An welche drei wichtigen Ereignisse oder Erlebnisse, positiv oder ne-gativ, in Ihrer Zeit als ZG-Vorstandsvorsitzender erinnern Sie sich besonders?

Glaser: Schmerzhaft erinnere ich mich an den tragischen Unfall am 12.05.2002 in Frankreich, bei dem unser Abteilungsleiter Fritz Thorwarth, ein treuer Wegbegleiter, und zwei Mitarbeiter ums Leben kamen.

Schöne Ereignisse waren zum einen die Auszeichnung im Europaparlament in Brüssel als innovativste Genossenschaft Europas. Und zum anderen das Händeschütteln mit dem Präsidenten Jean Michel Habig von CAC Colmar auf der Fußgängerbrücke (Pas-serelle des Deux Rives) über den Rhein zwischen Kehl und Straßburg aus Anlass der Gründung unserer Tochtergesellschaft E.C.U. (E.C.U. Europe Crop United) zur gemeinsamen Vermarktung von Mais und Weizen.

BWagrar: Was kommt auf die Landwirtschaft in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren zu und wie kann sie sich am Markt behaupten?

Glaser: Auf die Landwirtschaft in Baden-Württemberg kommen wachsende gesellschaftliche Ansprüche zu, die es bei der Produktion zu berücksichtigen gilt. Die Landwirtschaft selbst, aber auch die vor- und nachgelagerten Bereiche müssen deshalb viel mehr als bisher in Kommunikation investieren, um das eigene Profil zu schärfen.

„Die Landwirtschaft selbst, aber auch die vor- und nachgelagerten Bereiche müssen viel mehr als bisher in Kommunikation investieren, um das eigene Profil zu schärfen.“
Dr. Ewald Glaser, Vorstandsvorsitzender, ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe

Es wird zum einen noch mehr Bündelung zur Stärkung der Marktposition und zum anderen mehr Direktvermarktung angesagt sein. Dies ist kein Widerspruch, denn jeder Vermarktungsweg ist wichtig und hilft der Landwirtschaft insgesamt.

Bei steigenden Lohnkosten und Fachkräftemangel wird es zu einer weiteren Technisierung kommen. Außerdem wird Phytomedizin verstärkt durch Pflanzenzüchtung und Technik insbesondere durch digitale Lösungen ersetzt.

BWagrar: Was sind die Gründe, weshalb Sie die Genossenschaftsidee für zeit-gemäß halten? Wie sollten sich die Genossenschaften weiterentwickeln, um auch zukünftig zum Nutzen ihrer Mitglieder wirken und im Wettbewerb bestehen zu können?

Glaser: Gerade in turbulenten Zeiten erweisen sich Genossenschaften als Stabilitätsfaktor. Gemeinsam lassen sich insbesondere wirtschaftliche Herausforderungen oft besser bewältigen als alleine.

„Nur Genossenschaften, die für ihre Mitglieder einen messbaren Nutzen stiften, haben eine langfristige Überlebenschance.“
Dr. Ewald Glaser, Vorstandsvorsitzender, ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe

Ganz wichtig erscheint mir, dass sich Genossenschaften durch Nachhaltigkeit und nicht kurzfristiges Gewinnstreben auszeichnen. Genossenschaften müssen aber noch mehr als bisher langfristige Strategien entwickeln.

Dreh und Angelpunkt in den nächsten Jahren ist die Rekrutierung von kompeten-tem Nachwuchs für die Aufsichtsräte. Diese bestimmen letztendlich die Vorstände und die langfristige Unternehmensentwicklung.

Des Weiteren muss es gelingen, im Kampf um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Vorteile der genossenschaftlichen Rechtsform besser herauszustellen und eine professionelle Personalentwicklung zu betreiben. Nur Genossenschaften, die für ihre Mitglieder einen spür- und messbaren Nutzen stiften, haben eine langfristige Überlebenschance.

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.