Globalisierung muss neu zur Debatte stehen
- Veröffentlicht am

Der Einladung an die Abgeordneten des Kreises folgten aus dem Bundestag der der CDU-Abgeordnete Alois Gerig, Charlotte Schneidewind-Hartnagel von den Grünen und der Landtagsabgeordnete und CDU-Fraktionsvorsitzende Prof. Wolfgang Reinhart. Im Vorfeld der EU-Agrarministerkonferenz in Koblenz war Friedrich und seinen Vorstandskollegen die Darstellung der Folgen der aktuellen Agrarpolitik für die Bauern im Main-Tauber-Kreis besonders wichtig.
Folgen für die regionale Versorgung berücksichtigen
Vor allem bei den Mindererlösen der Braugerste und den massiven Preiseinbrüchen bei Fleisch bekamen die Bauern Corona zu spüren. Durch die Pandemie wurde vielen die Bedeutung einer regionalen Lebensmittelversorgung bewusst. Sie werde leider im Biodiversitätsstärkungsgesetz des Landes, wie auch im Aktionsprogramm Insektenschutz und beim „Farm to Fork“ oder „Green Deal“ der EU-Kommission viel zu wenig beachtet, bemängelte Friedrich.
Zur Sicherstellung der eigenständigen Versorgung sei bedarfsgerechte Düngung und Pflanzenschutz maßgebend. Wichtiger Baustein für die erzielten Erfolge im Grundwasserschutz war die reduzierte Bodenbearbeitung. Beim Wegfall von immer mehr Pflanzenschutzmitteln müsse der Boden wieder mehr mechanisch bearbeitet werden, was die Gefahr steigender Nitratwerte erhöht. Statt pauschalen Verboten von Pflanzenschutzmitteln schlägt Friedrich als Alternative den Einsatz digitaler Technik und die Züchtung besonders widerstandsfähiger Pflanzen vor. Bevor neue Auflagen erlassen werden, müssten auf jeden Fall die Folgen für den Ackerbau und die Nahrungsmittelsicherheit bedacht werden.
Naturschutz als Betriebszweig
Die neue gemeinsame EU-Agrarpolitik sollte die Landwirtschaft mit Maßnahmen fördern, die ohne große Bürokratie umsetzbar sind. Friedrich forderte einfache Maßnahmen bei den künftigen Öko-Regelungen (eco schemes). Er kann sich zum Beispiel Naturschutz als eigenen Betriebszweig vorstellen, der allerding auch bezahlt werden müsse. Ebenso wichtig sei die einheitliche Umsetzung der EU-Vorgaben, wie Friedrich am Beispiel des Insektizid-Beizmittelverbots für Zuckerrüben erklärte. Hier haben wegen der großen Pflanzenschäden eine Reihe von EU-Staaten einfach Ausnahmeregelungen erlassen. Dagegen müssten die deutschen Bauern die Schäden hinnehmen oder durch mehrfache Spritzungen begrenzen.
„Große Sorgen bereitet den Bauern die Entwicklung in der Tierhaltung, besonders in der Sauenhaltung“, sagte Friedrich. Denn die Hälfte des bäuerlichen Einkommens kommt aus der Tierhaltung. „Viele werden aus der Sauenhaltung aussteigen, wenn sie die erst im Jahr 2013 umgebauten Ställe nach der neuen Tierhaltungsverordnung wieder ändern müssen“, befürchtet Friedrich. Wer weitemachen will, brauche eine einfache Umbauförderung und Baugenehmigung. Vor allem benötigten die Betriebe Investitionssicherheit, die solange gelte bis die Ställe abbezahlt seien. „Wir brauchen zumindest eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, solange der deutsche Gesetzgeber höhere Forderungen stellt als die wichtigen Nachbarländer“, forderte der Verbandvorsitzende. „Solche Standards müssen dann auch in internationalen Handelsverträgen abgesichert werden.“
Landwirtschaft als Teil der Lösung
Mit Blick auf den Klimawandel wies Friedrich darauf hin, dass die Landwirtschaft maßgeblich zur Kohlenstoffspeicherung beitragen kann. Durch den Aufbau intakter Wälder oder die Humusanreicherung in den Böden, könnte deren Wasserspeicherfähigkeit und Fruchtbarkeit erhöht werden. Nässe- und Hitzeperioden könnten besser überstanden werden. Belohnt werden sollte dies über eine CO2-Bepreisung.
Nur ein bewirtschafteter Wald ist ein guter Wald
Im dritten Trockenjahr in Folge machte der CDU-Abgeordnete Alois Gerig auf die „zum Teil eklatanten Ernterückgänge aufmerksam, von denen besonders die flachgründigen Böden in der Region Bauland und Tauber betroffen sind. Von der Dürre „katastrophal betroffen“ ist der Wald. Wegen des übervollen Marktes liegen die Holzpreise am Boden. Dadurch bedingt lohne sich momentan nicht mal die Aufarbeitung des Käfer- und teilweise noch vorhandenen Sturmholzes. Gerig ist deshalb froh, dass der Bund zusammen mit den Ländern für 2019/20 rund 1,5 Mrd. Euro bereitgestellt haben, „um die Wälder am Leben zu halten“. Die Wälder stillzulegen ist aus klimatischer Sicht, „das schlechteste, was wir tun können“.
Für Gerig, der auch Vorsitzender des Landwirtschaft- und Ernährungsausschusses des Bundestags ist, steht fest, dass „die Globalisierung infolge der Corona-Krise neu diskutiert und gedacht werden muss“. Wegen der sicheren Versorgung mit Lebensmitten dürfte nicht noch mehr Produktion ins Ausland verlagert und lange Transportwege in Kauf genommen werden.
Die prozentuale Festlegung darauf, bis wann welcher Anteil Bio erreicht sein soll, nennt Gerig falsch. Nach seiner Feststellung nähern sich konventionelle und biologische Landwirtschaft immer weit an. Dafür würden weitere wissenschaftliche Fortschritte vor allem bei der Digitalisierung sorgen.
Zur fehlenden Wertschätzung der Landwirtschaft trügen nicht zuletzt die vier großen Lebensmitteldiscounter bei, die immer „nur über den Preis“ versuchten, die Kunden in ihre Märkte zu locken. Gerig rief vor allem den bäuerliche Nachwuchs zum Durchhalten auf, denn die „Wertschätzung für die bäuerliche Landwirtschaft komme nach und nach zurück“.
Botschaften für die künftige Umsetzung gemeinsamer europäische Agrarpolitik erwartet Gerig von der EU-Agrarministerkonferenz in Koblenz. Die vermehrt nationalen Alleingänge hält er für „unanständig“. Bei offenen Grenzen müssen auch gleiche Produktionsbedingungen gewährleistet sein, betonte Gerig.
Wald als CO2-Senker
Zum Artenschutzprogramm des Landes meinte Wolfgang Reinhart, dass hier nur Lösungen „mit der Landwirtschaft möglich sind und nicht gegen sie.“ Bei dem vom Land vorgesehenen Ziel, die ökologische Landwirtschaft bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern, sei es ein Anliegen seiner Fraktion gewesen, die Gesetzesvorlage um den Satz zu ergänzen: „Soweit der Markt es hergibt.“ Reinhart folgt beim Wald der Aussage von Wissenschaftlern der ETH Zürich. Danach gäbe es kein CO2-Problem, wenn zusätzlich zu den 2,7 Mrd. ha Wald auf dem Planeten noch 900 Mio. ha Baumbepflanzungen mehr existieren würden.
Dem Verlust der bäuerlichen Landwirtschaft will auch die Grünen-Abgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel entgegenwirken. Sie stellte die Gemeinsamkeiten von Politikern und Landwirten heraus. Beide wollten Verantwortung übernehmen für gute und bezahlbare Lebensmittel für alle Verbraucher, die gleichzeitig den Landwirten ein sicheres Einkommen garantierten und den wahren Preis der Herstellungsqualität widerspiegelten. Als diplomierte Betriebswirtin wisse sie, dass sich die Produktionskosten in der Preisgestaltung wiederfinden müssen, wenn Gewinn gemacht werden soll.
Durchschnittliche Ernte 2020
Die Zahlen zur diesjährigen Ernte legte Bauernverbandsgeschäftsführer Stefan Fröber vor. Eine sehr weite Ertragsspanne weist der Winterweizen mit 60 bis 85 dt/ha mit einem außerordentlich hohen Hektorlitergewicht zwischen 78 bis 83 kg/hl auf. Der Eiweißgehalt lag zwischen neuen Prozent (B) und 14 Prozent (A). Im Vergleich zu den Vorjahren war sehr wenig Mutterkorn vorhanden. Als Besonderheit stellt Fröber unterschiedlich erzielten hohen Erträge oder hohen Eiweißwerte heraus. Letztere hängen mit der eingeschränkten Düngung in den Nitrat-Sanierungsgebieten zusammen. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren noch verstärken.
Große Streuung war beim Winterraps mit 22 bis 45 dt/ha festzustellen. Im Schnitt waren dies Prozent mehr als 2019 und hohe Ölgehalte von durchschnittlich 43 Prozent. Ertragseinbußen von 10 bis 15 Prozent gab es auf jenen Flächen, die wegen der Nässe im Frühjahr erst spät gedüngt worden sind. Das künftige Düngeverbot auf gefrorenen Flächen dürfte für denselben negativen Ertragstrend sorgen.
Für Ertragsausfälle bei Wintergerste von durchschnittlich 60 Prozent und vereinzelt bis mehr als 90 Prozent sorgte der Frost vom 12. Mai 2020. Trockenheit im April und später Regen im Juni bescherte vor allem auf flachgründigen Böden Zwiewuchs. Das erschwerte die Ernte und hat den Eiweißgehalt der Winterbraugerste nach oben getrieben. Im Schnitt lag der Ertrag zwischen 15 und 75 dt/ha.
Ähnlich waren die Verhältnisse für die Sommergerste bei Erträgen von 50 bis 60 dt/ha, die je nach Trockenheit auch niedriger waren. Auch hier gab es Ernteerschwernisse durch Zwiewuchs und Neuastrieb auf schwächeren Böden. Dadurch stiegen die Eiweißgehalte teilweise auf über 14 Prozent. Der Vollgerstenanteil lag bei rund 91 Prozent.
Im Biobereich hat nach Angaben der BAGeno die Anliefermenge weiter zugenommen: Bei Weizen um 114 Prozent, Hafer 156 Prozent, Gerste 20 Prozent, Dinkel minus 17 Prozent und Erbsen um plus 26 Prozent. Dabei waren bei Weizen den Qualitäten extrem unterschiedlich mit zum Teil nur sechs Prozent Eiweiß.
Der Mais hat sich auf gründigen Böden gut entwickelt. Durch die Trockenheit hat er auf flachen Böden extrem gelitten und ist stellenweise auch schon abgereift und zum Teil geerntet.
Starke Probleme bereitete der Läusebefall in Zuckerrüben, was auf das Verbot der Neonicotinoidbeize zurückzuführen ist. Nach den Erfahrungen seines eigenen Betriebs waren laut Fröber zwei bis drei zusätzliche Pflanzenschutzmaßnahmen erforderlich. Zum Einsatz kamen Pirimor (Pirimicarb) und mit Ausnahmegenehmigungen für 120 Tage wegen des hohen Schädlingsdruck Mospilan SG (Acetamiprid) und Danjiri (Acetamiprid).
Weitere Aktionen der Kreisbauernverbände
Auch andere Kreisbauernverbände (KBV) ergriffen anlässlich der Agrarministerkonferenz die Initative und luden Europa-, Bundes- und Landespolitiker zu persönlichen Gesprächen, um auf die dringenden Probleme der Landwirtschaft aufmerksam zu machen.
Der KBV Heilbronn-Ludwigsburg lud zum "Europäischen Brunch" auf dem Betrieb von Helmut Eberle in Flein (Kreis Heilbronn). Abgeordnete aus Bundes- und Landtag, sowie Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch waren der Einladung gefolgt. Nach der Begrüßung und einführenden Worten durch den Kreisvorsitzenden Eberhard Zucker nutzten die anwesenden Landwirte die Chance den Politikern aufzuzeigen, wo derzeit der Schuh drückt. Im Hinblick auf die europäische Agrarpolitik wiesen sie unter anderem darauf hin, dass Standards für alle EU-Länder einheitlich gelten sollten. Insbesondere das Thema Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wurde anhand des Beispiels der Neonikotinoidbeize in Zuckerrüben deutlich angesprochen. Einig war man sich, dass seit der Corona-Pandemie das Bewusstsein für die regionale Lebensmittelproduktion wieder stärker geworden sei. Eberhard Zucker richtete den Wunsch an die Politik, das Thema Lebensmittelverfügbarkeit und Versorgungssicherheit bei allen Diskussionen um noch nachhaltigere Produktion, oder der Reduzierung von Pflanzenschutz und Dünger nicht zu vergessen. Man war sich einig, den persönlichen Austausch und Dialog weiter zu verfolgen und im intensiven Gespräch zu bleiben.
Bereits Anfang August hatte auch der Kreisbauernverband Schwäbisch-Hall-Hohenlohe-Rems eine entsprechende Veranstaltung organisiert. Gemeinsam mit dem Bezirksfachausschuss Landwirtschaft und Ländlicher Raum der CDU Nordwürttemberg und den CDU-Kreisagrarausschüssen wurde über aktuelle agrarpolitische Entscheidungen und deren Folgen für die regionale Landwirtschaft diskutiert.
Der Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen veranstaltete am 28. August ein "Europäischen Frühstück" in Dürmentingen-Hailtingen. Gemeinsam mit Josef Rief (MdB) und Thomas Dörflinger (MdL) diskutierten die Teilnehmer die sieben Kernanliegen des Bauernverbandes.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.