Kritik an praxisfernen Standards
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) baut seit diesem Jahr auf neun Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen (GLÖZ). Deren Einhaltung ist eine Grundvoraussetzung für den Bezug von Direktzahlungen. Der Bauernverband kritisiert, dass die Standards praxisfern und nicht umsetzbar seien.
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BWagrar: Herr Rukwied, warum bereiten festgelegte Zeitpunkte für Aussaat oder Bodenbearbeitung den Landwirten Probleme?
Rukwied: Ganz einfach deshalb, weil unser Wirtschaften nicht vom Terminkalender, sondern vom Wetter und damit letztendlich auch den Bodenverhältnissen abhängt. Die Witterungsbedingungen werden immer herausfordernder – dies sehen wir in diesem Jahr wieder einmal mehr sehr eindrücklich. Ein Beispiel für die Praxisferne sind die Vorgaben zur Bodenbedeckung. Nach diesen wäre die Aussaat von Brotweizen nach späträumenden Kulturen im November nicht mehr möglich. Das zeigt, wie paradox die Regelungen sind. Dies käme einem Brotweizenaussaatverbot gleich.
BWagrar: Das erste Jahr der neuen GAP läuft, welche Erfahrungen machen Ihre Mitglieder?
Rukwied: Die neue GAP wird von vielen unserer Mitglieder äußerst kritisch gesehen. Zahlreiche Vorgaben sind praxisfremd und nicht umsetzbar! Hinzu kommt, dass die Auslegung der Regeln nicht eindeutig ist. Besonders unverständlich ist für mich, dass auch in den Ämtern der Umgang mit den neuen Regelungen noch nicht klar ist. So sind beispielsweise die Handlungsspielräume nicht eindeutig kommuniziert. Im Kontakt mit den Verwaltungsmitarbeitern erleben unsere Mitglieder einen immer größer werdenden Frust.
BWagrar: Es wird immer wieder berichtet, dass verschiedene Landwirtschaftsämter unterschiedliche Auskünfte zur selben Fragestellung geben oder verschiedene Länder unterschiedliche Interpretationen von Bundesvorgaben haben. Beispiele sind der Zeitraum für die Aussaat der aktiven Begrünung der GLÖZ 8-Brache oder die genauen Vorgaben, die auf den GLÖZ 5-Erosionsflächen einzuhalten sind. Was fordert der Bauernverband?
Rukwied: Ich sehe, dass es immer mehr Betriebe überlegen, aus der GAP auszusteigen. Gerade die angesprochenen GLÖZ-Regelungen zeigen exemplarisch, dass hier ein Bürokratiemonster geschaffen wurde, das Landwirte und die staatliche Verwaltung überfordert. Wir fordern eine grundsätzliche Überarbeitung der Vorgaben unter Einbeziehung der Praxis. Bund und Länder sind hier in der Pflicht, zu vereinfachen. Bürokratieabbau wird immer wieder angekündigt, das Gegenteil ist der Fall. Dies ist schlichtweg nicht hinnehmbar.
BWagrar: Wurde die gute fachliche Praxis nicht ausreichend in den Vorgaben berücksichtigt?
Rukwied: Eindeutig „Ja!“ Gerade durch die starren Vorgaben wird die gute fachliche Praxis vom Grundsatz her oft ausgehebelt. Dafür gibt es unzählige Beispiele, wie auch die praxisfremde Auslegung zur Umsetzung der Mindestbodenbedeckung in GLÖZ 6. Wenn man mehr auf den Sach- und Fachverstand der Praktiker vertrauen würde, hätte es nicht so vieler und zudem verwirrender Detailregelungen bei der Umsetzung der GAP bedurft. Alleine die Zusammenfassung zur Umsetzung der GAP für 2023 durch das BMEL umfasst fast 100 Seiten. Für mich gilt: Mehr Vertrauen in die Kompetenz unserer bestens ausgebildeten Betriebsleiter, weniger Detailregelungen, weniger Bürokratie!
BWagrar: Was fordern Sie kurzfristig von der Politik?
Rukwied: Die heimischen Landwirte haben sich stets dafür ausgesprochen, dass sie mit attraktiven und produktionsintegrierten Maßnahmen einen wirksamen Beitrag zum Schutz der Umwelt und des Klimas leisten wollen. Dafür müssen insbesondere drei Grundvoraussetzungen gegeben sein: eine praktikable Umsetzung der Fördervoraussetzungen, verlässliche Regeln und eine solide Planbarkeit von Förder- beziehungsweise Ausgleichsmaßnahmen. Konkret bedeutet das, dass die Konditionalitätsanforderungen für das kommende und die folgenden Jahre einen Praxischeck brauchen. Des Weiteren müssen die Ökoregelungen erweitert, flexibler gestaltet und attraktiver dotiert werden. Insgesamt muss die GAP verstärkt auf die durch den Angriffskrieg Russlands veränderte versorgungspolitische Situation ausgerichtet werden. Eine Stilllegung von fruchtbaren Ackerflächen ist unter dem Gesichtspunkt der globalen Ernährungssicherung nicht mehr zu verantworten. Wir haben als Bauernverband dazu bereits zahlreiche konkrete und detaillierte Verbesserungsvorschläge in die Politik eingebracht.
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