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Mitgliederversammlung im Landesbauernverband

Zukunft mit vielen Unbekannten

In politisch unklaren Zeiten heißt es, die Kräfte zu bündeln – idealerweise in einem starken Verband. Das will auch Präsident Joachim Rukwied, wie er Dienstag dieser Woche bei der Mitgliederversammlung des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV) den rund 350 Delegierten und Gästen in der Schwabenlandhalle in Fellbach eindrucksvoll schilderte.

von Silvia Rueß erschienen am 27.11.2024
Mitgliederversammlung im Landesbauernverband Baden-Württemberg 2024. © Silvia Rueß
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Deutlich mehr Delegierte als in den vergangenen Jahren konnte das Präsidium des Landesbauerverbandes in diesem Jahr zur Mitgliederversammlung des Landesbauernverbandes in der Schwabenlandhalle in Fellbach begrüßen. Grund war eine Anpassung in der Satzung, die es nun ermöglicht, dass „mehr von der Basis“ bei diesem Event dabei sein können, wie Joachim Rukwied, Präsident im Landesbauernverband Baden-Württemberg, betonte. Und weil Bauernverbandsarbeit eng mit Ministerien und Verwaltung zusammenhänge, wie der Präsident betonte, konnte er auch zahlreiche Vertreter aus Politik, Amt und Branchenverbänden begrüßen.

Politisch unklare Zukunft

Nie sei der Zeitpunkt einer Mitgliederversammlung passender gewählt worden als in diesem Jahr. Rukwied erinnert sich in seiner Amtszeit an keine andere Phase, die von solch vielen offenen Fragen geprägt war wie aktuell. Ungelöste Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, die Wiederwahl Trumps in Amerika, globale Unruhen. „Die Lage ist fragil“, stellte Rukwied fest. Vor allem nachdem auch in Deutschland keine Ampelkoalition mehr regiert. Nach der angekündigten Vertrauensfrage und den folgenden Neuwahlen wird es spannend sein, wer dann mit wem neue Bündnisse eingehe. „Daher ist es umso wichtiger, dass ein starker Verband Ihre Interessen artikuliert und sich aktiv einbringt“, stellte Rukwied fest und forderte die Mitglieder auf, gemeinsam eine Position zu erarbeiten, um in der kommenden Regierung neue Dinge auf den Weg zu bringen.

„Das vergangene war gefühlt eines der spannendsten Jahre“, stellte Rukwied mit Blick auf die Bauernproteste heraus. „Wir haben die Menschen bewegt“, so der Präsident und sprach hier einen deutlichen Dank an die Kreisbauernverbände und jeden einzelnen aus, der sich eingebracht hat. Man habe friedlich demonstriert, sich gegen Trittbrettfahrer abgegrenzt und diszipliniert für Aufsehen gesorgt. „Wir haben eine ganze Demonstrationswelle in Europa ausgelöst“, berichtete Rukwied über die weite Strahlkraft der Proteste. Dass es gelungen sei, die Landwirtschaft wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, sei nur einer der Erfolge der Bauernproteste gewesen. „In Brüssel haben wir die agrarpolitische Agenda gedreht“, so Rukwied. Die SUR wurde zurückgenommen, GLÖZ-Standards wurden neu angepasst und die Stilllegungsverpflichtung ist gestrichen, führte er als Beispiele an. Rukwied ist dabei überzeugt, dass vor allem letzteres besser mit einem kooperativen Naturschutz funktioniere, denn die Bauern seien bereit, ihren Beitrag für die Umwelt zu leisten.

Mitgliederversammlung im Landesbauernverband Baden-Württemberg 2024.
Mitgliederversammlung im Landesbauernverband Baden-Württemberg 2024. © Silvia Rueß

In Brüssel sei mit den Protesten eine andere Kultur eingezogen. „Man frägt uns wieder“, berichtete Rukwied. Anders in Deutschland. Hier sei es zwar gelungen, die Steuererhöhung von rund einer halben Milliarde durch den angekündigten Wegfall der grünen Kennzeichen zu verhindern. Insgesamt sei das angekündigte Paket allerdings nur ein „Päckchen“. Im anstehenden Wahlkampf will der Bauernverband nicht müde werden, die Forderung nach Agrardieselvergünstigung stetig zu formulieren.

„Enttäuscht bin ich über all die anderen Punkte, die wir eingefordert hatten“, sagte Rukwied. Beispielsweise der Bürokratieabbau. Von der langen Liste mit mehr als 200 Vorschlägen kamen sechs oder sieben zur Umsetzung. Ebenso ärgerlich der Umgang mit Gesetzen, zum Beispiel dem Tierschutzgesetz. Hier habe es kein Zugehen auf die Landwirtschaft gegeben. Auch beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz nur wenige Schritte. Mit der Borchert-Kommission wurde ein kompletter Plan ausgearbeitet, wie es mit der Tierhaltung in Deutschland weitergehen kann, so Rukwied. Hier habe nicht nur die Ampelkoalition versagt, auch die Vorgängerregierung habe nicht reagiert, formulierte Rukwied.

Den Wahlkampf nutzen

„Wir, gemeinsam in einer starken Bauernverbandsfamilie, haben viel zu tun. Wir müssen vieles nacharbeiten und neue Vorschläge erarbeiten, um sie auf den Weg bringen zu können“, betonte der Präsident erneut. Der Bauernverband will gerne politisch platzieren, was aus den Kreisverbänden kommt. Im Wahlkampf sei ein guter Zeitpunkt. Auf die Straße will Rukwied derzeit nicht gehen. „Gegen wen sollten wir derzeit demonstrieren?“, stellte er die Frage. Gesetzgebungsverfahren werden nicht mehr zum Abschluss kommen. Nun sei es zielführender, Kernarbeit zu leisten. Auch vor Ort in den Dörfern sollte man nicht müde werden, in den direkten Gesprächen mit Abgeordneten die Sorgen und Nöte einzubringen, appellierte er an die Zuhörer.

Sorgen bereitet Rukwied die wirtschaftliche Situation. Außerhalb und innerhalb der Landwirtschaft. Die Getreidemärkte stehen unter Druck. Der Strukturbruch in der Schweinehaltung schreitet im Land zudem voran. „Wir verlagern Produktion ins Ausland“, so Rukwied. Für die Milchwirtschaft hofft er, dass der aktuelle Kurs gehalten werden kann. Doch insgesamt müsse man feststellen: Die Bauerneinkommen sinken.

„Die Wirtschaft dümpelt vor sich hin. Insolvenzen nehmen zu. Arbeitsplätze werden abgebaut“, stellte Rukwied fest. Das Thema Zukunftsangst macht sich breit. Die Inflation drückt auf die Haushaltsbudgets. Hinzu kommen Themen wie innere Sicherheit und Migration. Kein guter Zeitpunkt für Minderheitsregierungen und geringe Mehrheiten. Man müsse sich partei- und verbändeübergreifend positionieren für die Demokratie. Stabile gesellschaftliche und politische Fahrwasser seien in solchen Zeiten wichtiger denn je. Was nach der Bundestagswahl kommen wird, weiß niemand. Rukwied will aber dafür sensibilisieren, dass es bei diesen Wahlen um einiges mehr gehe als nur eine neue Bundesregierung.

Blick nach Brüssel

In Europa werde die Agrarpolitik neu aufgestellt, warf der LBV-Präsident den Blick nach Brüssel. „Wir müssen natürlich auch auf die Ausgaben schauen“, stellte Rukwied fest. Blicke man allerdings auf die Bedeutung der Landwirtschaft für die Gesellschaft, dann brauche es mehr Etat und eine entsprechende Ausgestaltung der künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik. „Wir brauchen wieder Mut, in die Zukunft zu investieren“, so Rukwied. Wenn es einen Ausstieg aus den Direktzahlungen geben soll, dann müsse er sehr gut vorbereitet werden. Der Verband habe hierzu bereits einen Vorschlag erarbeitet.

Neu ausgestaltet werden müsse auf europäischer Ebene der Green Deal und auch im Bürokratieabbau gebe es hier – in allen Wirtschaftszweigen – Nachholbedarf.

Mitgliederversammlung im Landesbauernverband 2024. Blick in die Schwabenlandhalle.
Mitgliederversammlung im Landesbauernverband 2024. Blick in die Schwabenlandhalle. © Silvia Rueß

Blick ins eigene Land

Bei den nationalen Gesetzen stehen Tierschutzverordnung und Düngegesetz auf der Agenda. „Die Dinge werden kommen. Wir müssen sie aber anders ausgestalten“, forderte Rukwied. Auch das Thema Mindestlohn ist in einigen Parteien Kernthema. In der Landwirtschaft haben hier vor allem die arbeitsintensiven Sonderkulturbetriebe das Nachsehen. Landwirte würden gerne höhere Löhne bezahlen, wenn es wirtschaftlich tragbar ist. Dies sei derzeit nicht der Fall und so forderte Rukwied, dass ein Sondersatz für die Landwirtschaft besprochen wird. „Sonst haben Sonderkulturen keine Chance“, gab er den Gästen aus der Politik mit.

In Baden-Württemberg blickte Rukwied auf den Strategiedialog Landwirtschaft zurück. Hier sei ein gutes Papier gelungen, das nun in Umsetzung kommen müsse. „Das Strategiepapier trägt die Schrift der baden-württembergischen Bauernverbände, der Landfrauen und der Landjugend“, betonte Rukwied. Vor allem, dass die Projekte mit finanziellen Mitteln hinterlegt werden. „Das ist das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit.“

Kritischer sah Rukwied dagegen den Volksantrag „Ländle leben lassen“, der am Ende nicht zum Zuge kommt. Der Volksantrag wurde im Sommer vom Landtag abgelehnt. Darüber sei man enttäuscht, zumal der Volksantrag lediglich fordere, was im Koalitionsvertrag stehe. „Leben Sie den Vertrag“, so Rukwied und stellte fest, dann wäre man beim Thema Flächenverbrauch schon ein Stück weiter.

Stolz blicke man immer noch auf das Biodiversitätsstärkungsgesetz. Nach den neuesten Zahlen aus dem Reduktionsbericht konnten bereits 13 Prozent Pflanzenschutzmittel eingespart werden – ausgehend von der Baseline. 40 bis 50 Prozent seien das Ziel, auch wenn der Präsident diese Zahlen kritisch sieht. Wichtig sei, dass man sich hier dem technischen Fortschritt auch politisch nicht versperre. Stolz könne man auch sein, dass das Gesetz ohne Verbote auskomme und dennoch Ergebnisse erziele. Aktuell komme nun aber eine neue Dynamik in das Biodiversitätsgesetz. Neue Krankheiten, wie beispielsweise Stolbur, eine Krankheit bei Rüben, Gemüse und Kartoffeln, bedrohe die Kulturen. „Wenn wir nicht bekämpfen dürfen, dann sind diese Kulturen hier im Land bald Geschichte“, so Rukwied und forderte Möglichkeiten für die Landwirte.

Zukunftsfähigkeit erhalten

Es sei ein bewegtes Jahr gewesen. Gemeinsam habe man die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Es sei eine gute Ausgangsbasis für eine gute künftige Agrarpolitik geschaffen. „Wir sind Lösungsanbieter“, betonte Rukwied – Umweltschutz, Ernährungssicherung, Klimawandel seien hier nur wenige Schlagworte, wo Landwirtschaft wichtig sei. Für die kommenden Monate gelte es mehr denn je, dass ein starker Verband diese Anliegen stetig in die Politik einbringen kann, um Zukunftsperspektiven für junge Landwirtinnen und Landwirte und künftige Generationen zu schaffen, endete Rukwied die Aussprache.


Hier geht es zum Stream der Mitgliederversammlung:

1 Kommentare
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  • Stocky 27.11.2024 22:26
    Joachim Rukwied redete sehr eintönig, ohne jegliche Empathie, welche derzeit sehr notwendig ist.
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