Mindestlohn bleibt unter 15 Euro
Nach der Empfehlung der Mindestlohnkommission soll der Mindestlohn zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro und ein Jahr später auf 14,60 Euro steigen. Das Bundesarbeitsministerium muss die Empfehlung noch umsetzen. Der Deutsche Bauernverband fordert weiter Ausnahmen für Saisonbeschäftigte.
von age erschienen am 30.06.2025Die Empfehlung der paritätisch von den Tarifpartnern besetzten Kommission erfolgte einstimmig. Die Mindestlohnkommission ist politisch unabhängig. Ihre Mitglieder sind jeweils drei Vertreter der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite sowie zwei Wissenschaftler. Den Vorsitz hat das ehemalige Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Christiane Schönefeld. Die Empfehlung muss formal vom Bundesarbeitsministerium über eine Rechtsverordnung umgesetzt werden. Dabei gibt es keinen Ermessensspielraum.
In der Landwirtschaft stieß die Empfehlung auf Kritik. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sprach von einer „massiven Anhebung des Mindestlohns“, der landwirtschaftliche Betriebe zum Ausstieg aus arbeitsintensiven Kulturen zwingen werde. „Wir werden dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU nicht standhalten können“, warnte Rukwied. Das werde einer weiteren Produktionsverlagerung ins Ausland führen. Der Bauernpräsident forderte erneut eine Sonderregelung für saisonal Beschäftigte in der Landwirtschaft. Gleichlautende Forderungen kamen von Landesbauernverbänden.
Der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) zollte der Mindestlohnkommission Anerkennung, dass sie sich nicht dem politischen Druck gebeugt habe, den gesetzlichen Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben. Gleichzeitig forderte auch GLFA-Präsident Hans-Benno Wichert die Bundesregierung auf, umgehend eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn für den Obst-, Gemüse- und Weinbau auf den Weg zu bringen. „Wer regionale und klimafreundliche Lebensmittelversorgung sowie landwirtschaftliche Vielfalt erhalten will, muss jetzt handeln“, so Wichert.
Die Mindestlohnkommission befasst sich nach Angaben ihrer Vorsitzenden nicht mit möglichen Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn. Dies sei Sache des Gesetzgebers, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgebervereinigung, Steffen Kampeter. Das Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Stefan Körzell, erteilte entsprechenden Forderungen eine kategorische Absage. Alle drei Vertreter kritisierten wiederholte Versuche von politischer Seite, sich in die Arbeit der Mindestlohnkommission einzumischen. Die hätten die Verhandlungen enorm erschwert.
Der Minister hält an rechtlicher Prüfung fest
Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer schließt eine Ausnahmeregelung beim gesetzlichen Mindestlohn in der Landwirtschaft weiterhin nicht aus. Er lasse in seinem Haus rechtliche Möglichkeiten prüfen, den Mindestlohn für ausländische Saisonbeschäftigte auf 80 Prozent zu begrenzen, bekräftigte der Politiker am Mittwoch vergangener Woche im Bundestag. Rainer wies darauf hin, dass er das nicht in der Koalition abstimmen müsse. Die Sozialdemokraten lehnen Sonderregelungen beim Mindestlohn ab. Zuletzt hatte das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium entsprechenden Forderungen eine Absage erteilt.
Der Minister betonte, ihm gehe es nicht darum, den gesetzlichen Mindestlohn in Frage zu stellen: „Ich stehe zum Mindestlohn und zur unabhängigen Mindestlohnkommission.“ Sorge bereite ihm allerdings, dass ein möglicher rascher Anstieg von derzeit 12,82 auf 15 Euro die Sonderkulturbetriebe überfordere. Er wolle jedoch alles dafür tun, einen weiteren Rückgang des Obst- und Gemüseanbaus in Deutschland zu verhindern.
Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk sprach sich dafür aus, bei der Festlegung des Mindestlohns die spezifischen Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland angemessen zu berücksichtigen. Es gehe vor allem darum, „ob sich Landwirtschaft als Ganzes in unserem Land noch lohnt und auskömmlich betrieben werden kann, vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs, eines dynamischen Marktumfeldes, einschließlich der aktuellen Herausforderungen, die Struktur- und Klimawandel bedingen“, so der CDU-Politiker in einem Schreiben an die Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Christiane Schönefeld.
Für geboten hält Hauk, zu unterscheiden zwischen hier dauerhaft lebenden Beschäftigten, deren Mindestlohn zur Deckung der gestiegenen Lebenshaltungskosten beitrage, sowie Saisonarbeitskräften, die nur kurzfristig in Deutschland arbeiteten und in ihrer Heimat keine vergleichbar hohen Lebenshaltungskosten hätten. Der Minister sieht darin eine soziale Ungerechtigkeit gegenüber Mindestlohnempfängern, die in Deutschland dauerhaft leben. Die erhielten aufgrund der höheren Sozialabgaben netto weniger vom Mindestlohn als saisonal beschäftigte Arbeitnehmer. Daher müsse auf eine Mindestlohnerhöhung im Sektor Landwirtschaft zwingend verzichtet werden, um der weiteren Wettbewerbsverzerrung, aber auch der Benachteiligung einheimischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirksam entgegenzutreten.
Für die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) ist der Vorschlag, Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft, die ihren Lebensmittelpunkt in anderen europäischen Ländern haben, künftig lediglich 80 Prozent vom gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, hingegen völlig unannehmbar. Er sei mit dem Vorschlag einverstanden, „wenn die Saisonarbeitskräfte dann auch nur noch 80 Prozent arbeiten müssen, erklärte der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.