
Gemeinsam Boden-Geheimnisse lüften
In Arbeitsgruppen tauschen Landwirte aus Österreich, der Schweiz und Deutschland Erfahrungen über die Erhaltung ihrer Böden aus. Ungefähr 40 Interessierte nehmen auf Einladung der Bodensee-Stiftung und des Regenerate-Forums bei Treffen in Koblach Mikroorganismen im Boden in den Fokus.
von Bodensee-Stiftung erschienen am 12.08.2025Der Boden ist das Kapital der Landwirtschaft. Aber: „60 Prozent der Böden in Europa sind geschädigt“, zitierte der Mikrobiomforscher Peter Flaßhoff-Gockel den „Bodenatlas 2024“ bei einer Fachveranstaltung in Koblach in Vorarlberg. 40 Landwirtinnen und Landwirte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren gekommen, um sich einen Tag lang zur Qualität ihrer Böden auszutauschen und mehr über die Bedeutung und Möglichkeiten zur Qualitätssteigerung des Mikrobioms im Boden zu erfahren. Geschädigte Böden können ihre natürlichen Funktionen, wie zum Beispiel die Wasserspeicherung oder die Sicherung des Nährstoffkreislaufs, nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfüllen. Pflanzenschutzmittel, übermäßige Nährstoffeinträge, aber auch Hitze, Biodiversitätsverlust und Dürre können hierfür Ursache sein.
Landwirtinnen und Landwirte nehmen die Entwicklung wahr und arbeiten dagegen an. „So kann es nicht weitergehen“, sagte ein Jungbauer, der den Betrieb in Vorarlberg jüngst von seinem Vater übernommen hat. Der Opa habe noch säckeweise Dünger gekauft, der Vater schon tonnenweise. Soll er jetzt den Dünger mit Lastwagen anliefern lassen? „Die Natur kann viel mehr, wir müssen jetzt experimentieren“, sagt der Landwirt, der verständnisvoll auf die Handlung seiner Vorfahren blickt: „Bei Mineraldünger sieht man den Erfolg sofort. Wir müssen jetzt mutig sein.“
Kooperation zur Unterstützung der Landwirtschaft
Um die Landwirtschaft grenzübergreifend zu unterstützen, haben die Bodensee-Stiftung und das Regenerate Forum Bäuerinnen und Bauern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zu „Boden-AGs“ eingeladen. Dank des Interesses wurden eine „Boden-AG Ost“ und eine „Boden-AG West“ ins Leben gerufen. Die regelmäßigen Treffen der Landwirtinnen und Landwirte werden mit Mitteln aus dem Interreg-Programm Alpen-Bodensee-Hochrhein finanziell gefördert. Benjamin Fäth und Thomas Fisel vom Regenerate Forum begleiten die Arbeitsgruppen durch professionelle Moderation und Fachexpertise. Flankierende Vernetzungsveranstaltungen werden von Bianca Meßmer und Sabine Sommer von der Bodensee-Stiftung organisiert, um möglichst viele Landwirte zum Thema zu erreichen und einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.
Einblick in das Bodenmikrobiom
Auf Initiative der AG-Mitglieder Gertrud und Peter Grabher, die in Koblach einen bio-zertifizierten Gemüseanbau betreiben, war beim jüngsten Treffen Peter Flaßhoff-Gockel zu Gast. Sein Thema war das Mikrobiom, beziehungsweise Nährstoffeffizienz und Bodengesundheit durch Optimierung des Bodenmikrobioms. Unterhaltsam wie auch eindringlich vermittelte er den Teilnehmenden, nicht nur die Bodenchemie, sondern auch oder vor allem die Bodenbiologie zu betrachten. Denn oft mangelt es im Boden nicht an Mineralstoffen, wohl aber an Bakterien, die die Stoffe so aufbereiten, dass Pflanzen sie aufnehmen können. Auch Krankheitserreger würden natürlicherweise von Bakterien eingedämmt – vorausgesetzt, die hierauf spezialisierten Bakterien kommen ausreichend im Boden vor. Nach einem Vortrag zeigte der Referent den Gästen anhand von Gülle- und Kompostproben ganz praktisch, welchen Einfluss die Biologie auf Böden hat, wie spezielle Bakterien guten Boden fördern oder hemmen und wie die Landwirte das Bodenleben gezielt unterstützen können.
Die Bedeutung für Boden und Darm
Das Mikrobiom des Bodens unterscheidet sich in seiner Bedeutung nicht von dem des Mikrobioms im menschlichen Darm, betonte der Referent: Erst wenn hier die nötigen Bakterien arbeiten, kann der Organismus die lebensnotwendigen Nährstoffe aufnehmen. Das könnten sich die Landwirte zunutze machen: Zum Beispiel könne durch das Erhöhen von Bakteriengruppen das Pflanzenwachstum, ihre Widerstandskraft und auch die Artenvielfalt erhöht werden. „Für jedes Pathogen im Boden gibt es ein Bakterium, das das Pathogen bekämpft“, betonte der Referent. Er beobachtet zu dem Thema unter den Landwirtinnen und Landwirten einen Paradigmenwechsel: „Wenn ich vor einigen Jahren mit dem Thema Bodenbiologie kam, hieß es: ‚darum kümmere ich mich, wenn ich mal Zeit habe.‘ Heute fragen sie von sich aus danach.“
Fokus der Boden-Arbeitsgruppen
Die Boden-AGs betrachten bei ihren Treffen verschiedene Perspektiven: Neben dem Mikrobiom sind Struktur, Gefüge, Wasserkapazität, Humus- und Nährstoffgehalt zentrale Bodeneigenschaften, die den wirtschaftlichen Ernteerfolg bestimmen. Ob sich diese Eigenschaften im Laufe eines Jahres verbessern oder verschlechtern, können Landwirtinnen und Landwirte selbst stark beeinflussen. „Die Boden-AGs leben von der Vielfalt der Mitglieder, von Acker-, über Gemüse- und Obst- bis Gartenbau, aus konventioneller und biologischer Landwirtschaft“, erläutert Sabine Sommer, Projektleiterin seitens der Bodensee-Stiftung. „Wir möchten zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft beitragen, indem wir regenerative Maßnahmen fördern und gemeinsam umsetzbar machen“, sagt Benjamin Fäth, der für das Regenerate Forum die Gruppen koordiniert, inhaltliche Wünsche aufnimmt und entsprechend auch externe Referentinnen und Referenten einlädt.
Erfahrungen eines Teilnehmers
Auch Hans Oppikofer aus Egnach in der Schweiz bringt seine Erfahrungen in die Boden-AG ein. Auf seinem Bio-Hof „Mausacker“ bewirtschaftet er 500 Hochstammbäume auf Streuobstwiesen für seine Mosterei. Zusammen mit einem Nachbarn betreibt er eine Baumschule, außerdem erweitern noch 1,4 Hektar Ackerfläche im Agroforstsystem das Grundstück. Zwei Schafherden, ungefähr 40 Tiere, setzt er zum Mähen der Streuobstwiesen ein. Er schätzt den fachlichen Austausch über den Bodensee hinweg und konnte schon einige Impulse für seine Arbeit mitnehmen. Beim jüngsten Treffen zum Mikrobiom zum Beispiel zur Kompostherstellung: Schon bisher produziert Hans Oppikofer Kompost in verschiedenen Teilbereichen mit jeweils gestaffelten Temperaturen. Nun will er noch mehr experimentieren, damit die Belüftung noch besser gewährleistet ist. „Wir müssen in der Landwirtschaft etwas ändern“, sagt der Schweizer Landwirt überzeugt. Seine Erfahrungen gibt er auch außerhalb der Boden-AGs gerne weiter, zum Beispiel hat er bereits Auszubildende von befreundeten Betrieben zum Thema Biodiversität geschult. Im Juli steht bei der Boden-AG West das nächste Treffen an. Auf dem Hof eines konventionell wirtschaftenden AG-Mitglieds im deutschen Hegau werden nichtwendende Bodenbearbeitung und Biostimulantien Themen sein.
Das Projekt wird über den IBK-Kleinprojektefonds 2022-2028 im Interreg-VI-Programm „Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein“ gefördert.
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