Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Bodenbiologie, Mischkulturen und Praxis

Erträge, auf die man sich verlassen kann

Bei einer Online-Veranstaltung des LTZ Augustenberg stand am 20. November 2025 die Frage im Mittelpunkt, wie sich Biodiversität im Ackerbau gezielt erhöhen und zugleich für stabile Erträge nutzen lässt. Die Veranstaltung bestand aus zwei Teilen: Dr. Norman Gentsch von der Universität Hannover erläuterte neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur vielfältigen Wirkung von Pflanzenmischungen im Boden. Betriebsleiter Martin Ebert schilderte im Anschluss, wie sich diese Ansätze in der Praxis umsetzen lassen – und welche Hürden dabei bestehen. Ergänzend stellte Christian Erbe vom Landwirtschaftsamt Karlsruhe einen Überblick zu aktuellen Fördermöglichkeiten vor.

von Jonas Klein erschienen am 08.12.2025
Dieser Boden vom Betrieb Ebert zeigt zwischen den dichten Pflanzenwurzeln feine Krümel. © Doris Ganninger-Hauck
Artikel teilen:
Biodiversität wird zum Produktionsfaktor

Die Veranstaltung zeigte klar, dass Biodiversität im Boden mehr ist als ein ökologisches Ziel. Sie wird zunehmend zu einem zentralen Produktionsfaktor. Mischkulturen, vielfältige Zwischenfrüchte und gezielte Untersaaten können Erträge stabilisieren, Stressjahre abfedern und langfristig die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Gleichzeitig ist deutlich geworden, dass viele praktische, technische und ökonomische Fragen noch ungelöst sind – insbesondere bei Vermarktung, Saattechnik und Förderung. Für die Landwirtschaft ergibt sich damit ein doppelter Auftrag: Einerseits die Potenziale der Vielfalt stärker zu nutzen, andererseits aktiv an Strukturen und politischen Rahmenbedingungen mitzuarbeiten, damit Biodiversität im Ackerbau nicht Zusatzaufwand bleibt, sondern betriebswirtschaftlich tragfähig wird.

Dr. Gentsch machte in seinem Vortrag deutlich, dass jede Pflanzenart ein eigenes „ökologisches Profil“ besitzt: Sie unterscheidet sich in ihrer chemischen Zusammensetzung, den Elementverhältnissen in Spross und Wurzel sowie in ihren Wurzelexudaten. Diese Unterschiede seien entscheidend, weil sie bestimmen, welche Bodenorganismen sich in der Rhizosphäre ansiedeln. „Jede Pflanze erzeugt ein eigenes mikrobielles Umfeld – und dieses prägt die gesamten Bodenfunktionen“, sagte Gentsch.

Wie Pflanzen den Boden formen – und warum Mischungen überlegen sind

Für die Praxis bedeutet das: Je vielfältiger die Pflanzengesellschaft, desto breiter und stabiler sind die Bodenprozesse. Diese Multifunktionalität reicht von der Humusdynamik über Nährstoffkreisläufe und Bodenstruktur bis hin zu Wasserhaushalt, Pflanzengesundheit und Treibhausgasemissionen. Wissenschaftliche Untersuchungen, etwa aus dem langjährigen Jena-Experiment, zeigen eine klare Korrelation: Mehr pflanzliche Diversität führt zu höherer Bodendiversität – und diese wiederum zu einer deutlichen Steigerung der Multifunktionalität.

Besonders interessant für Landwirte ist laut Gentsch, dass viele Effekte sowohl in Zwischenfrüchten als auch in Hauptkulturen ähnlich auftreten. Mischungen liefern nicht nur ein breiteres Spektrum an Nährstoffen, sondern führen auch zu spezifischeren und vielfältigeren Zersetzergemeinschaften. Bei Untersuchungen verschiedener Zwischenfruchtmischungen zeigte sich: Je mehr Arten eine Mischung enthält, desto ausgeglichener sind die C/N-Verhältnisse und desto breiter ist das Angebot an chemischen Elementen. Mischungen sorgen zudem für ein vielfältigeres Bodenmikrobiom, das organisches Material effizienter umsetzt.

Zwischenfrüchte: Leistungsfähiger als Selbstbegrünung oder Reinarten

Ein Vergleich verschiedener Zwischenfruchtmischungen mit Schwarz- bzw. Selbstbegrünung zeigte deutliche Unterschiede. Selbstbegrünung bilde zwar eine abwechslungsreiche Flora aus, erreiche aber nicht die Effekte einer gezielt zusammengestellten Mischung: Es fehle an Biomasse und Wurzelaktivität, die entscheidend für die Bodenstruktur und den Aufbau mikrobieller Gemeinschaften sei.

Im Multifunktionalitätsindex lagen Mischungen klar vor Reinbeständen und weit vor der Brache. Das wirke sich auch auf die anschließenden Hauptkulturen aus. Untersuchungen mit Mais und Weizen zeigten, dass höhere Zwischenfruchtdiversität tendenziell zu stabileren und teilweise höheren Erträgen führt.

Gemengeanbau: 10 bis 25 Prozent mehr Ertrag möglich

Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags war der Gemengeanbau aus Körnerleguminosen und Getreide. Das LTZ arbeitet dazu in einem EU-weiten Real-Labor mit über 170 Betrieben. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Land-Equivalent-Ratio (LER) liegt im Durchschnitt bei 1,16 – also etwa 16 Prozent mehr Ertrag gegenüber den jeweiligen Reinkulturen. Die Spannweite reicht je nach Standort von 10 bis 25 Prozent.

Der Grund: Durch die unterschiedlichen Wurzelsysteme, Nährstoffstrategien und Exudate entsteht ein diverseres Bodenmikrobiom, das Nährstoffe schneller erschließt und Stresssituationen besser abpuffert. „Gerade in Extremjahren zeigen Mischkulturen eine deutlich höhere Ertragsstabilität“, erklärte Gentsch.

Wer mehr zur Forschung rund um die Wirkung von Zwischenfruchtmischungen von Dr. Gentsch erfahren will, findet einen Artikel in Bwagrar 42/2025 auf Seite 16.

Praxisbericht: Wie ein Betrieb die Biodiversität im Ackerbau integriert

Nach dem wissenschaftlichen Einstieg zeigte Betriebsleiter Martin Ebert aus dem Raum Breisgau, wie sich diese Erkenntnisse im praktischen Betrieb umsetzen lassen. Auf seinen stark wechselnden Böden setzt er seit vielen Jahren auf vielfältige Zwischenfruchtmischungen und zunehmend auf begleitende Kulturen im laufenden Vegetationsjahr.

Ebert betont: „Unser Ziel ist es, die biologische Aktivität im Boden zu steigern – aber immer bei laufender Produktion.“ Stilllegungen oder einseitige Flächenaufteilung lehnt er ab. Stattdessen setzt der Betrieb auf systematisch eingesetzte Mischungen und Konzepte wie frühe Zwischenfruchtbestände, Überwinterer, Gemengeanbau und Untersaaten.

Zwischenfrüchte als Basis

Die wichtigste Stellschraube sieht Ebert in der Zeit zwischen den Hauptkulturen. Wo immer fünf bis sechs Wochen Vegetationszeit frei werden, wird eine Mischung etabliert – mit mindestens fünf Pflanzenfamilien, darunter stets Leguminosen und Kreuzblütler. Bilder aus seinem Betrieb zeigten eindrucksvolle Bestände mit hohem Wurzelvolumen, starker Krümelbildung und deutlich verbesserter Bodenstruktur.

Durchgehende Begrünung als Ziel

Besonders spannend sind seine Versuche, eine dauerhafte Begrünung über den Winter hinweg zu etablieren. Dazu kombiniert er beispielseise Mais mit winterharten Komponenten oder nutzt Überwinterer in klassischen Zwischenfruchtmischungen. Das führt zu einer deutlich höheren Wurzelmasse und damit zu stabileren Aggregaten. Der Unterschied zwischen mechanisch erzeugten und stabilen, biologisch erzeugten Krümeln wurde anhand von Bildern sehr deutlich.

Untersaaten in Hauptkulturen

Ein großes Potenzial sieht Ebert darin, Diversität schon während der Hauptfrucht zu fördern – etwa im Raps oder Getreide. Hier setzt er Mischungen ein, die gleichzeitig mit der Hauptkultur über die Sämaschine ausgebracht werden. Ziel ist, dass nach der Ernte sofort ein grüner Bestand auf dem Boden steht. Besonders im Raps zeigte sich, dass sich unter geeigneten Bedingungen eine stabile Folgemischung etablieren kann.

Herausforderungen: Vermarktung, Technik, Risiko

Ebert machte aber auch klar, wo die Grenzen liegen:

  • Vermarktung: Viele Erntepartner können Gemenge oder beifällige Leguminosen nicht trennen; das macht die wirtschaftliche Nutzung von Mischungen anspruchsvoll.
  • Überwinterer: Gräser sind problematisch, weil sie sich in der Folgefrucht nur schwer regulieren lassen.
  • Arbeitswirtschaft: Mischungen bedeuten zusätzlichen Aufwand. Das Mischen und Ausbringen der Saat kostet Zeit.
  • Förderlogik: Viele Maßnahmen passen nicht zu Förderzeiträumen und werden nicht ausreichend honoriert.

Trotzdem überwiegen aus seiner Sicht die Vorteile, vor allem in Jahren mit Witterungsstress, in denen die Bestände auf Mischflächen „länger durchhalten“ und homogener bleiben. Wer mehr über Martin Eberts Anbau mit Mischungspartnern erfahren möchte, findet mehr Informationen in Bwagrar 49/2025 ab Seite 28.

Fördermöglichkeiten – Vielfalt, aber auch Lücken

Christian Erbe vom Landwirtschaftsamt Karlsruhe stellte abschließend die wichtigsten Förderangebote vor, die Biodiversität im Ackerbau unterstützen können. Dazu gehören die FAKT 2-Maßnahmen:

  • E1.2 Begrünungsmischungen im Ackerbau mit mind. 5 Komponenten
  • E7/E8 mehrjährige Brach- und Blühmischungen
  • E9 Kombinationen von Mais mit Gemengepartnern (Stangenbohnen)
  • E14/E15 artenreiche Mischungen für Biogas
  • F4 reduzierte Bodenbearbeitung / Strip-Till

Insgesamt gebe es viele einzelne Bausteine, aber kaum durchgängige Konzepte für Betriebe, die ganzjährig an Bodenbiologie und Diversität arbeiten möchten. Gerade Untersaaten in Raps und Getreide, die in der Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnen, seien bislang unterrepräsentiert. Erbe berichtete zudem über erste vielversprechende Hinweise, dass Beisaaten im Raps den Erdfloh-Befall beeinflussen könnten – die Ergebnisse seien jedoch standort- und jahresabhängig und müssten weiter untersucht werden.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren
Ort ändern

Geben Sie die Postleitzahl Ihres Orts ein.