Tierhaltungskennzeichnung mit Potenzial zum Tierwohlkiller
Im Rahmen eines Pressefrühstücks zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche (IGW) am 19. Januar 2023 in Berlin übte die Initiative Tierwohl (ITW) Kritik am Entwurf eines staatlichen Tierhaltungskennzeichen und fordert nachdrücklich Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft.
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Der Erfolg der ITW ist nicht von der Hand zu weisen: Mittlerweile profitieren 27,6 Mio. Tiere in der Schweinemast, 15 Mio. Ferkel und 715 Mio. Tiere in der Hähnchen- Puten- und Pekingentenmast von den streng kontrollierten Maßnahmen in der ITW – und das jedes Jahr. Diese Breitenwirkung spiegelt sich auch im Regal des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) wider: Der Marktanteil von Schweinefleisch, die das ITW-Siegel tragen, liegt bei 68 % und bei Geflügelfleisch sogar bei 90 % vom Sortiment der teilnehmenden Unternehmen des LEHs.
„Diese Erfolge sind ein Gemeinschaftswerk der engagierten Landwirtinnen und Landwirte, der Schlachtbetriebe und des Handels“, erklärte Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der ITW. Nur in dieser starken Zusammenarbeit habe die ITW zum Tierwohl-Volkswagen der Deutschen werden können, der trotz Pandemie und Inflation ein breit verfügbares und erschwingliches Angebot von mehr Tierwohl für die Menschen in Deutschland aufrechterhält.
Solide aber nicht unverwundbar
„Die ITW steht solide da, ist aber nicht unverwundbar“, räumte Robert Römer, Geschäftsführer der ITW ein. „Das Tierwohl unserer Mastschweine und Ferkel ist bedroht, wenn das Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung der Bundesregierung so umgesetzt wird, wie derzeit geplant.“ Ein großer Knackpunkt sei, dass in dem Gesetzentwurf keine regelmäßigen Kontrollen in den Betrieben vorgesehen sind. „Wenn überhaupt“, so führte Römer weiter aus, „soll nur im Verdachtsfall kontrolliert werden.“ Betriebe im Ausland werden gar nicht überprüft. „Das kann der deutsche Staat schlichtweg nicht“, erklärte er weiter.
Ausländische Betriebe können freiwillig teilnehmen. Wenn sie falsche Angaben zu ihren Haltungsbedingungen machen, bliebe das ohne Konsequenz, da sie ohne hin nicht überprüft werden. Es könne also im Ausland unter weitaus niedrigeren Standards produziert werden. Die ITW geht davon aus, dass es dann eine Verschiebung der Fleischproduktion ins Ausland geben wird. Damit werde die Versorgungssicherheit mit deutschem Schweinefleisch in Zukunft massiv gefährdet, warnte Robert Römer.
Künftig keine privaten Labels zusätzlich auf der Verpackung
Hinzu kommt, dass hinsichtlich der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung eine sogenannte grafische Schutzzone geplant ist. Das bedeutet, dass auf der Verpackung keine anderen Kennzeichnungen oder Labels mehr zugelassen sind. Im besten Fall dürfen diese auf der Rückseite angebracht werden. Das hätte aber weitreichende Folgen. „Denn wenn ein privates Tierwohlkennzeichen nicht mehr auf der Verpackung erscheinen darf, wird der Markt dafür auch nicht bezahlen“, erklärte Römer. Und das wiederum würde alle privatwirtschaftlichen Tierwohlprogramme stark gefährden.
Dennoch, so sagten Dr. Alexander Hinrichs und Robert Römer abschließend, schaue die ITW positiv in die Zukunft. Noch gäbe es die Chance, das Gesetz so zu verändern, dass es nicht zum Tierwohlkiller, sondern zum Tierwohlförderer wird. „Es muss im Gesetz die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft ermöglicht und explizit gestärkt werden“, betonte Hinrichs. So seien zudem alle Beteiligten der ITW entschlossen, neben Weiterentwicklungen bei Schwein und Rind auch bei Geflügel in eine weitere Programmphase zu starten. Derzeit werden die Einzelheiten für die neue Laufzeit für Hähnchen und Pekingenten erarbeitet. Bei Puten müssen die neuen Pläne des Bundesministeriums bewertet werden, hierzu laufen die Gespräche ebenfalls.