
ZDG: Urteil ohne grundsätzliche Bedeutung für deutsche Putenhaltung
Der Verwaltungsgerichthof Baden- Württemberg (VGH) hat die Klage von Aktivisten des Vereins Menschen für Tierrechte gegen einen Putenmastbetrieb zurückgewiesen. Einen Teilerfolg können die Tierschützer aber verzeichnen.
von Yvonne Nemitz Quelle ZDG, SWR erschienen am 11.04.2024Der Verein "Menschen für Tierrechte" hatte eine Untätigkeitsklage gegen Land Baden-Württemberg angestrengt, weil das zuständige Veterinäramt nicht gegen einen Putenmastbetrieb im Landkreis Schwäbisch-Hall vorgegangen war. Die Tierschützer waren der Auffassung, dass die Puten in diesem Betrieb unter nicht tierschutzgerechten Bedingungen gehalten wurden und hatten deshalb ein Verbot der Putenhaltung für den betroffenen Betrieb gefordert. Das hat der VGH nun zurückgewiesen. Allerdings hat er das Land dazu verpflichtet, erneut auf der Grundlage der Rechtsauffassung des VGH über die Forderung zu entscheiden.
Verbandsklage in wesentlichen Punkten gescheitert
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. (ZDG) sieht im Urteil des VGH keine grundsätzliche Bedeutung für die Putenhaltung in Deutschland, weil sich die Klage nur auf eine vom Kläger erstrebte Tätigkeit eines einzigen Veterinäramtes gegenüber einem einzigen Betrieb handele. Dennoch sei die Verbandsklage des klagenden Vereins in allen wesentlichen Punkten gescheitert, heißt es in der Pressemitteilung des ZDG. Der Verein und die hinter diesem stehende Tierrechtsgruppe aus Berlin, die den Prozess für den Verein finanziert, haben damit ihr wesentliches Ziel, nämlich ein faktisches Verbot der Putenhaltung in Deutschland, nicht erreicht.
Der ZDG weist darauf hin, dass die Bundeseinheitlichen Eckwerte aus dem Jahr 2013 zusammen mit dem Tierschutzgesetz und den grundsätzlichen Regelungen der Tierschutznutztierhaltungsverordnung selbstverständlich auch weiterhin die rechtliche Grundlage für die Putenhaltung und eine gute fachliche Praxis in Deutschland sind. Die von den Richtern in Mannheim vorgetragenen Einwände gegenüber den Bundeseinheitlichen Eckwerten seien nicht überzeugend und als solche auch nicht maßgeblich, da das Urteil des VGH nicht rechtskräftig ist.
Entscheidungsgründe treffen auf rechtliche Bedenken
Aus Sicht des ZDG treffen die Entscheidungsgründe des Urteils dahingehend auf rechtliche Bedenken, als die Richter zwar einerseits die in den Bundeseinheitlichen Eckwerten formulierten tierschutzgerechten Voraussetzungen für eine Putenhaltung in Deutschland ausblenden und als rechtlich nicht maßgebend abtun, andererseits aber auf die nur ganz allgemein formulierten „Empfehlungen des Ständigen Ausschusses des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlicher Tierhaltung“ aus dem Jahr 2001 zurückgreifen möchten. Diese waren jedoch als solche schon damals unverbindlich und sind daher bei der Auslegung von § 2 Nr. 1 TierSchG nicht heranzuziehen.
Die Empfehlungen aus dem Jahr 2001 können entgegen der Auffassung der Mannheimer Richter auch nicht als sog. „antizipiertes Sachverständigengutachten“ gleichsam durch die Hintertür für die Auslegung von § 2 Nr. 1 TierSchG herangezogen werden. Denn Voraussetzung für eine Einstufung von allgemeinen Stellungnahmen oder Empfehlungen als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten wären nach ständiger Rechtsprechung neben weiteren Voraussetzungen u. a., dass sie
- den aktuellen Stand der Wissenschaft berücksichtigen und
- faktenbasierte Begründungen für die abgegebenen Empfehlungen bzw. Stellungnahmen enthalten.
Urteil wird wohl nicht rechtskräftig
Beides sei bei den Empfehlungen 2001 erkennbar nicht der Fall, stellt der ZDG klar. Der Ständige Ausschuss, der seine Arbeit im Jahr 2005 eingestellt hat, habe in den im Juni 2001 angenommenen Empfehlungen 2001 weder substantiierte Begründungen aufgenommen noch den Stand der heutigen, aktuellen Wissenschaft berücksichtigt. Dem ZDG liegen noch keine Informationen dazu vor, ob nur einzelne oder alle beteiligten Parteien des Verfahrens Rechtsmittel zum BVerwG in Leipzig einlegen.
Es sei aber davon ausgehen, dass das Urteil vom 7. März 2024 als Instanzentscheidung schon wegen der zu erwartenden Nichtzulassungsbeschwerden gegen die zurückgewiesene Revision nicht rechtskräftig wird (§ 133 Abs. 4 VwGO).