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Interview mit Copa-Präsident Giansanti

Wir brauchen ein größeres Budget

Der Präsident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (Copa), Massimiliano Giansanti, fordert ein größeres Agrarbudget. Auch drängt der Italiener auf eine radikale Reform der nächsten GAP. Vorstellen kann er sich in diesem Zusammenhang eine Dritte Säule zur Absicherung von Witterungsrisiken. Risiken wittert der Präsident von Confagricoltura auch durch die Konkurrenz aus den USA und China. Kritisch wertet er das Mercosur-Abkommen.

von age Quelle age erschienen am 27.01.2025
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Zur Person
Massimiliano Giansanti
Prädident des EU-Ausschusses der Bauernverbände (Copa)
Herr Giansanti, Sie sind im September für zwei Jahre zum Copa-Präsidenten gewählt worden. Was steht ganz oben auf Ihrer Agenda? Giansanti: Zunächst habe ich den Anspruch, die gesamte europäische Landwirtschaft zu vertreten und voranzubringen. Nur wenn wir in Europa als Einheit agieren, werden wir auch genug Kraft aufbringen, um mit Weltmächten wie den USA und China auf den internationalen Märkten zu konkurrieren. Auf uns Bauern warten große Herausforderungen. Da wäre der Beitritt neuer EU-Mitgliedstaaten, was ganz klar ein größeres EU-Budget für die Landwirtschaft notwendig macht. Dann ist da die GAP, die radikal reformiert werden muss. Die GAP muss künftig besser als bisher die Produktivität auf den Höfen stärken und die landwirtschaftlichen Einkommen schützen. Weit oben auf meiner Liste steht auch der Schutz des Reziprozitätsprinzips bei den Sicherheits- und Qualitätsstandards gegenüber Drittstaaten. Bekanntlich zählen Europas Bauern hier weltweit zu den Besten. Und schließlich sind dringend Maßnahmen gefordert, um dem Klimawandel wirkungsvoll entgegenzutreten. Das ist eine lange Liste. Wie wollen Sie das kommunikativ angehen? Giansanti: Wir setzen auf wissenschaftlich basierte Botschaften. Den Verbrauchern wollen wir korrekte und transparente Informationen bereitstellen. Die Landwirte dürfen nicht länger als Teil des Klimaproblems beschrieben werden. Unter anderem sollten wir unsere schon lange laufenden Aktivitäten zum Schutz der Böden stärker als bislang hervorheben. In den nächsten Jahren stehen wichtige Entscheidungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik an. Fangen wir mit dem Haushalt an: Rechnen Sie angesichts wachsender Aufgaben in der Sicherheits- und Klimapolitik mit einem stabilen EU-Agrarbudget im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen? Giansanti: Angesichts der zahlreichen Herausforderungen – beispielsweise dem Beitritt neuer Mitgliedsländer – fordern wir, dass das Budget in den nächsten Jahren wachsen muss. Gegenwärtig liegen die Mittel für die Landwirtschaft unter ein Prozent der Summe des Bruttonationaleinkommens aller EU-Mitgliedstaaten. Das ist zu wenig. Und was können Sie als Copa-Präsident den EU-Steuerzahlern anbieten, um einen hohen EU-Agrarhaushalt zu rechtfertigen? Giansanti: Europa verliert auf globaler Ebene zunehmend an ökonomischem Einfluss. Während die Volkswirtschaften der USA oder Chinas wachsen, befindet sich unsere Industrie auf dem Rückzug. Zudem hat unsere Abhängigkeit von Drittstaaten gesamtwirtschaftlich zugenommen. Europas Landwirte müssen deshalb produktiver werden und sich wettbewerbsfähiger aufstellen. Dazu braucht es Investitionen auf den Höfen. Die werden nur kommen, wenn sich die Bauern auf einen langfristig starken EU-Haushalt verlassen können. Im Rahmen der anstehenden Reform der GAP wird jetzt bereits über eine EU-weite Versicherungspflicht gegen Klima- und Unwetterschäden diskutiert. In Italien gibt es das in einem gewissen Rahmen bereits. Können Sie Ihren europäischen Kollegen dieses Instrument empfehlen? Giansanti: Landwirte in Italien müssen verpflichtend in den öffentlichen nationalen Fonds Agricat einzahlen. Der Fonds bietet finanziellen Schutz bei extremen Wetter- und Klimaereignissen, wie Frost, Dürre oder Überschwemmungen. Dieser Fonds wird zu gleichen Teilen aus drei Quellen finanziert. Zum einen werden von allen Empfängern verbindlich drei Prozent der EU-Direktzahlungen einbehalten. Darüber hinaus werden EU-Gelder abgezweigt, die Italien für die Entwicklung des ländlichen Raums zustehen. Dritte Quelle ist der italienische Staatshaushalt. Unterm Strich stehen so jährlich etwas mehr als 300 Millionen Euro bereit. Im Fall von Naturkatastrophen werden die betroffenen Landwirte aus dem Fonds entschädigt. Für die Zukunft sollte über eine Dritte Säule der GAP zur Absicherung von Klima- und Marktrisiken nachgedacht werden. Damit könnten dann auch die schon bestehenden Instrumente gestärkt werden. Lassen Sie uns über die politische Einigung für das Mercosur-Abkommen reden. Gerade die Landwirtschaft Ihres Heimatlandes könnte vom dort vereinbarten Schutz von rund 350 geografischen Angaben profitieren. So sollen die Zölle auf EU-Weinexporte sinken oder gar ganz gestrichen werden. Gleiches gilt für eine Reihe von Milchprodukten. Warum lehnen Sie das Abkommen trotzdem so kategorisch ab? Giansanti: In der gegenwärtigen Formulierung des Mercosur-Abkommens fehlt es an Reziprozität. Und das kann nicht nur für die landwirtschaftlichen Betriebe negative Folgen haben, sondern auch für die Konsumenten. Es garantiert nämlich weder gleiche Standards in der Produktion noch gleiche Sicherheitsstandards im Lebensmittelbereich. Zugleich gibt es bei manchen Produkten auch eindeutige Vorteile. Der Wein würde in der Tat profitieren, auch weil die italienischen Hersteller solide Beziehungen mit Südamerika aufgebaut haben. Das gilt aber nicht für Rindfleisch, Geflügel, Reis, Mais und Zucker. Das sind Produkte, die bereits aus der Ukraine in großen Mengen und meist zollfrei eingeführt werden. Was die Agrarbranche betrifft, überwiegen beim Mercosur-Abkommen also klar die Nachteile. Zugleich fordern viele Ihrer ukrainischen Berufskollegen mehr Solidarität. Was halten Sie als Copa-Präsident von den EU-Beitrittswünschen der Ukraine? Giansanti: Wir zeigen uns seit Kriegsbeginn 2022 mit den ukrainischen Kollegen solidarisch. Und wir sind nach wie vor solidarisch. Wir müssen aber auch die Folgen in Betracht ziehen, die der nach wie vor weitgehend barrierefreie Import ukrainischer Agrarerzeugnisse auf den EU-Binnenmarkt hat. Die niedrigen Preise der ukrainischen Produkte verzerren den Wettbewerb. Denn europäische Landwirte müssen sich an strenge EU-Vorgaben halten, denen ihre ukrainischen Kollegen nicht unterworfen sind. Die Konsequenzen eines EU-Beitritts der Ukraine auf den EU-Agrarsektor sollten daher im Vorfeld sehr aufmerksam analysiert werden. Das gilt vor allem für die Auswirkungen auf das EU-Agrarbudget.
„Es sollte über eine Dritte Säule zur Absicherung von Klima- und Marktrisiken nachgedacht werden.“ Massimiliano Giansanti, Copa-Präsident
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