Immer weniger Schlachtbetriebe
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Dr. Frank Greshake (60), der, wie er selbst sagte, der letzte Beamte im öffentlichen Dienst ist, der gleichzeitig noch eine Vermarktungsorganisation führt, kümmert er sich um die Schweinevermarktung Rheinland und die Viehvermarktung Rheinland und begleitet zudem den rheinischen Erzeugerring für Mastschweine. „Wir vermarkten 16.000 Ferkel in der Woche und 7000 Mastschweine. Die Ferkel vermarkten wir zu einem Drittel von Ostdeutschland nach Niederbayern", berichtete Greshake.
Fleischerzeugung in Deutschland sinkt
Zurzeit seien die Schweine eher knapp. "Alle haben weniger Schweine, bei allen sind die Gewichte runter. Alle wollen höhere Preise", beschreibt Greshake die Marktlage. Die Zahl der Schweinehalter in Deutschland geht weiter zurück. Auch die Fleischerzeugung in Deutschland insgesamt sinkt - Rinderbestände schrumpfen, die der Schweine auch, lediglich bei Geflügel gibt es Zuwächse.
Schlechte Preise am Rindfleischmarkt
"Wegen der Trockenheit 2018 mussten gerade auch im Rheinland viel Großvieh geschlachtet werden. Die Jungbullenpreise sind aber weiterhin schlecht, aber keiner weiß so richtig warum", so Greshake. Als einen Grund, warum das herkömmliche Rindfleischgeschäft seiner Meinung "den Bach runtergeht" seien Angebote aus dem Ausland. "Kanadisches Steak, agentinisches Rinder-Roastbeef oder Fleisch von der grünen Insel": Rindfleisch wird zum Event-Einkauf," so Greshake. Jedenfalls starteten die Rindfleischerzeuger ins neue Jahr 2020 mit einem noch schlechteren Preis als 2019.
Weniger Geld für Nebenprodukte
Einen weiteren Grund für den Preisdruck sieht Greshake darin, dass die Schlachtindustrie immer weniger Geld mit den Nebenprodukten verdient. Er erinnerte daran, dass ein Fleckviehbullen-Fell früher mal bis 200 Euro kostete: "So ein Fell kostet heute 15 bis 20 Euro oder wird erst gar nicht abgeholt". Bei den Preisen für die Kühe war es nicht viel besser als bei den Jungbullenpreisen. Das Kuhfleisch sei wichtig für die Produktion von Burgern. Gerade auch in diesem Bereich gebe es immer mehr vegane Ersatz-Produkte. Sein Ausblick: "Richtig gute Kuhpreise sehe ich derzeit keine auf uns zukommen."
Kälbermast bricht ein
Bei den Kälbern sei der Markt 2019 regelrecht zusammengebrochen. Schlagzeilen wie "Ferkel teurer als Kälber" oder "Kälber weniger als Kanarienvogel" machten die Runde. Dass die Holländer ihre Tierbestände abgebaut und keine Tiere mehr eingestallt haben, kam gerade in Nordrhein-Westfalen zum Tragen. Hinzu kam die Blauzungenkrankheit. "Da hat sich alles gegen uns verschworen", so Greshake.
Wachstumsgrenze bei den Schweinen erreicht
Bei den Schweinen sei es bislang so gewesen, dass alles, was der Nachbar aufgegeben hat, übernommen wurde."Das ändert sich aber jetzt, weil die Baugenehmigungen nicht mehr kommen und weil über die Gülle einfach Schluss ist", meinte Greshake. Und: "Bei uns sind die Pachtpreise teilweise auf bis zu 2000 Euro gestiegen, das ist einfach zu viel". Greshake berichtete, dass viele Betriebe der Politik nicht mehr trauen würden. Als Stichwort nannte er die Düngeverordnung. "Das hat bei uns richtig reingehauen. Einen neuen Stall baut kaum noch einer aus Angst vor der Tierschutzdebatte", so seine Einschätzung. So möchten viele Landwirte, trotz hoher Schweinepreise nicht mehr bauen. Und selbst in Ostdeutschland, wo es vielerorts gigantische Ställe gibt, stehen einige Anlagen zum Verkauf, weil man auch dort keine Arbeitskräfte mehr findet. "Im Saarland stehen es nur noch 100 Sauen und in vielen anderen Regionen gebe es mittlerweile mehr Wildschweine als Sauen. Aber auch in Holland und in Dänemark habe man die Sauenhaltung runtergefahren.
Weniger Schlachtbetriebe
Mit dem Rückgang in der Erzeugung machen auch immer mehr Schlachtbetriebe zu. Um die bestehenden Schlachtbetriebe wirtschaftlich halten zu können, müssten die Stückzahlen weiterhin hoch genug sein. Satt nur eine Grobzerlegung gibt es den Trend zur Feinstzerlegung der Teilstücke, um den Ansprüchen der Kunden noch besser gerecht zu werden. Den allgemeinen gesellschaftlichen Trend zu einer besseren Regionalvermarktung sieht Greshake beim Schweinefleisch so noch nicht kommen. Dazu seien die Strukturen zu industriell und zu exportorientiert ausgerichtet. Gerade auch in punkto mehr Tierwohl seien die Herausforderungen für Schlachtbetriebe wegen der vielen unterschiedlichen Markenprogramme groß.
Der ITW-Anteil muss deutlich steigen
Bei der Initiative Tierwohl (ITW) hat sich die Schlachtindustrie mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) geeinigt, dass man die Initiative fortsetzen will. Für die Mäster gibt es einen Bonus von 5,28 Euro pro Schwein. Auch für die Ferkelerzeuger wird Geld einbezahlt. Funktionieren wird die Initiative aber nach Greshakes Einschätzung nur, wenn der LEH die entsprechenden Mengen abnimmt. "Es gibt am Schlachthof heute schon zu viele verschiedene Schienen. Wenn jetzt noch die ITW-Schweine entsprechend für alle schon bestehenden Kategorien dazukommen, dann hält man das nicht lange durch", so der Marktexperte. Selbst die Großen, wie Tönnies, würden dies kaum schaffen, deshalb müsste der ITW-Anteil steigen. Als Alternative müsste man sonst die normale Standardware komplett herausschmeißen. Offen ist, wie sich die staatliche Tierwohl-Kennzeichnung durchsetzen wird. Greshake zeigte sich in diesem Punkt eher zurückhaltend.
Wenn ASP kommt
Sollte es zum Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest ASP in Deutschland kommen, würden die Drittlandexporte eingestellt. Aber es kämen auch keine Ferkel und Schweine mehr nach Deutschland rein. Die Schweine- und Ferkelpreise würden auf jeden Fall fallen. "Bei ASP braucht man sechs Wochen lang gute Nerven. Da kommen ein paar richtig bittere Preismeldungen und dann geht es wieder aufwärts", hofft Greshake. Sollte China in den kommenden Tagen wegen des Coronavirus die Grenzen abriegeln, werde dies die guten Schweinepreise ebenfalls unter Druck setzen.
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