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Interview mit einem Ökolandwirt

Vom Medizinstudenten zum Ökolandwirt

Jonas Klein verpasst schon mal den Beginn von Sitzungen seines Redaktionsteams, weil er noch im Melkstand steht. Denn er ist nicht nur Agrarredakteur, sondern auch Biolandwirt. Dafür profitieren seine Kolleginnen von seiner Fachexpertise.
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Gelungener Redaktionsteamausflug zum Ökomilchhof der Familie Klein: Lisa Kristin Dally, verantwortlich für #Ö, Susanne Gnauk, Autorin des Beitrags, und Jonas Klein (v. l.).
Gelungener Redaktionsteamausflug zum Ökomilchhof der Familie Klein: Lisa Kristin Dally, verantwortlich für #Ö, Susanne Gnauk, Autorin des Beitrags, und Jonas Klein (v. l.).Klein
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Wir stehen auf der Weide der Klein-Hornsteinhof GbR im Bodenseekreis. Vor hier aus weitet sich der Blick, geht über Wiesen und Felder bis hinunter in das Deggenhausertal und zum Gehrenberg im Linzgau. Olivia, eine dreijährige schwarz-weiße Holstein-Kuh, wandert, gemächlich Gras rupfend, über die Weide, gefolgt von der sechsjährigen Ruanda. Man möchte hier gar nicht mehr weg. Juniorchef Jonas Klein, 34, kennt die Namen und Vita aller Damen der 90köpfigen schwarz- und rotbunten Holstein-Herde. An der GbR hat er einen Anteil von 30 Prozent, seine Eltern sind zu 70 Prozent beteiligt. Wilfried und Renate Klein bewirtschaften die Biolandfarm seit gut 35 Jahren, haben den Hof zusammen mit Jonas Großvater gekauft. Seit 2007 arbeiten sie zertifiziert ökologisch.

Vater Wilfried Klein beim Säen von Ackerbohnen. © Gnauk

Wilfried Klein ist ein Fan von optimierter Betriebswirtschaft, Jonas Klein hat etwas Bedenken, bei einer Aufstockung der Herde den Blick aufs Einzeltier zu verlieren. Beide sind Ökofans. Jonas ist mit Leib und Seele Ökolandwirt. Er interessiert sich fürs Vieh genauso wie für den Humusaufbau des Bodens, hat sogar sein Medizinstudium abgebrochen, weil es ihn zurück auf den elterlichen Hof zog. Heute leben auf dem Hof seine Eltern, Jonas Klein und seine Freundin Sara, seine Großmutter, und den größten Teil des Jahres ein Mitarbeiter sowie eine Auszubildende oder ein Auszubildender.

Mit dem Medizinstudium begonnen und mit dem Master in Ökolandwirtschaft abgeschlossen. Wie kam es zu diesem Wandel?

Klein: Ich habe tatsächlich erst vier Semester Medizin studiert, dann den Bachelor in Ernährungswissenschaften gemacht und danach den Master in Ökolandwirtschaft abgeschlossen. Ich wollte wissen, wie sich unsere Ernährung auf unsere Gesundheit auswirkt, deswegen das Medizinstudium. Dann interessierte mich mehr, wie unsere Lebensmittel hergestellt werden und wo sie herkommen. Damit zog es mich zurück in die Landwirtschaft. Vor dem Studium hatte ich ja bis 2008 bereits auf dem Hof mitgearbeitet. 2016 bin ich wieder nach Hause gezogen.

Welche sind Deine Lieblingskühe?

Klein: Ich habe relativ viele Kühe, die ich besonders mag. Hummel zum Beispiel sieht sehr ästhetisch aus und ist sehr zutraulich, mitunter auch aufmüpfig, weil wir sie als Kalb verwöhnt haben. Venus ist gemütlich, sie kommt oft spät in den Melkstand. Eine besondere Kuh ist auch Fabia. Sie ist 17 Jahre alt und hat schon rund 120.000 Liter Milch gegeben.

Er kennt die Namen und Eigenheiten aller Kühe des Hofes: Jonas Klein mit einer seiner Lieblingskühe. © Gnauk

Wieviel Land bewirtschaftet Ihr und wieviel Vieh? Was baut Ihr an?

Klein: Wir halten 90 Milchkühe plus Nachzucht und bauen auf etwa 90 ha Futter an – viel Kleegras, etwas Mais, Getreide, darunter Weizen, Triticale, Hafer und Roggen sowie Ackerbohnen. Mit eigenem Futter sind wir resilienter. Aus dem Zukauf beziehen wir nur Sojareste aus der Öko-Lebensmittelherstellung im Schwarzwald sowie Mineralfutter. Der Anbau von Brotgetreide wäre eventuell eine Strategie in guten Grundfutterjahren.

Der Biolandhof baut nahezu das komplette Futter selbst und ausschließlich Futterpflanzen an. Zugekauft werden nur Sojareststoffe und Mineralfutter. © Gnauk

Wann habt Ihr auf Ökolandwirtschaft umgestellt und warum?

Klein: Wir haben 2007 auf Ökolandwirtschaft umgestellt. Vorher waren hier ein paar Kühe weniger, dafür gab es Mastschweine. Die haben wir abgeschafft, weil die Futtersituation unter Biobedingungen zu knapp gewesen wäre. Auf Ökolandwirtschaft haben wir umgestellt, um als Betrieb unabhängiger zu werden. Mein Vater und ich empfanden überdies das Ausbringen der Pflanzenschutzmittel für uns als ungesund. Unsere Prüfung ergab, dass die Ökoumstellung wirtschaftlich tragbar war. Überdies hofften wir, dass die Ökomilchpreise nicht so stark schwanken wie die konventionelle Preise.

Nur mein Opa wollte nicht auf Ökolandwirtschaft umstellen. Bei den Erntetotalausfällen von früher war ja chemischer Pflanzenschutz eine Errungenschaft! Beim konventionellen Anbau wirkten aber unsere Böden nicht so aktiv trotz nichtwendender Bodenbeobachtung, Strohreste beispielsweise verrotteten langsamer als heute. Wir wollten mit Ökolandbau auch die Böden aufwerten.

Ist Euch das gelungen?

Klein: Ich denke ja. Schwierig ist die Umstellungszeit. Wahrscheinlich braucht es etwa fünf bis sieben Jahre, bis man im Boden die Veränderungen sieht. Je mehr konventionelle Dünger und Pflanzenschutz aus dem Boden verschwinden, desto mehr Bodenorganismen kehren zurück. Selbst wenn wir mal weniger Gülle ausbringen, hat das kaum Folgen für das Pflanzenwachstum, weil sich wahrscheinlich das Fließgleichgewicht von Kohlenstoff und Stickstoff im Boden nachhaltig verschiebt. Vermutlich wirkt Wirtschaftsdünger hier langfristiger. Wir düngen auch mit Festmist und Silageabfällen. Gefühlt hat außerdem die Zahl der Vögel und Insekten auf dem Acker stark zugenommen. Wir sehen Arten, die wir vorher nicht gekannt haben.

Konntet Ihr auch den Großvater vom Ökolandbau überzeugen?

Klein: Am Ende seines Lebens war mein Großvater tatsächlich von Ökolandwirtschaft angetan. Weil er sah, dass das Prinzip „Säen und lassen bis zum Ende“ funktioniert. Unser Getreide ist selten von Krankheiten befallen, große Ertragseinbußen haben wir kaum. Man darf sich aber nicht nur am Aussehen der Pflanzen orientieren. So sehen wir schon Fraßschäden vom Getreidehähnchen, aber die Sorten sind widerstandsfähig. Die Pflanzen verkraften das.

Warum seid Ihr bei Bioland und wohin geht die Milch?

Klein: Wegen des guten Beratungsnetzwerks von Bioland in der Region. Unsere Milch vermarkten wir an die Molkerei Allgäu Milch Käse eG ins rund 70 km entfernte Kimratshofen nach Bayern.

Warum käme für Dich nie wieder etwas anderes als Ökolandwirtschaft infrage?

Klein: Ich bin der festen Überzeugung, dass viele chemische Pflanzenschutzmittel in den in der Vergangenheit und aktuell ausgebrachten Mengen giftig auf die Umwelt wirken, weil sie auch in anderen Dingen wie Wasser oder Organismen nachweisbar sind, wo sie nichts zu suchen haben. Ich denke auch, dass sich mit genug Wissen ein fruchtbares Anbausystem managen lässt, das widerstandsfähig gegen Umwelteinflüsse ist. Viele Tiere sind Nützlinge für unsere Kulturen, indem sie diese beispielsweise bestäuben. Eigentlich schränkt bereits Ökoanbau den Lebensraum dieser Tiere ein. Deswegen sind wir dazu verpflichtet, die Landbausysteme so verträglich wie möglich zu gestalten für die Geschöpfe, die zuerst dagewesen sind. Wir haben die Natur genug geschädigt – auch in Deutschland, wo wir uns rühmen, einen hohen Produktionsstandard zu haben. Alles, was wir bisher machen, reicht längst nicht aus, sonst hätten wir überall sauberes Grundwasser und wir würden Bestmarken bei der Artenvielfalt erzielen.

Weiter Blick von der Weide bis hinunter ins Deggenhausertal. © Gnauk

Brauchen wir nicht auch konventionelle Landwirtschaft, um alle Menschen zu ernähren?

Klein: Wenn wir dieselben zerstörerischen Konsumgewohnheiten beibehalten, die wir seit der Nachkriegszeit in den Industrieländern entwickelt haben und sich diese Gewohnheiten überall durchsetzen, dann kann überhaupt keine Landwirtschaft mehr die Menschheit ernähren. Die Landwirtschaft erzeugt nur das, was die Leute kaufen. Deswegen muss es auch konventionelle Landwirtschaft geben.

Aber beide Anbausysteme müssen sich gewaltig weiterentwickeln. Es ist womöglich richtig, bei Extremereignissen wie einer Heuschreckenplage das Getreide schnell mit einem Pflanzenschutzmittel zu schützen, das dann kurzfristig flexibel zugelassen werden müsste. Es macht vielleicht keinen Sinn, alle Mittel zu verbieten. Aber wir sollten deutlich klüger in der Wahl des richtigen Anwendungszeitpunktes von Substanzen werden. Jede Menge Potenzial gibt es auch bei der Präzision der Anwendung, wenn zum Beispiel nur ein Tröpfchen eines Mittels auf bestimmte Blätter einer bestimmten Größe ausgebracht wird. Das ist noch Zukunft, aber wir werden das hinbekommen.

Was müsste sich bei der Ökolandwirtschaft verändern?

Klein: Ein wichtiges Thema ist die bessere Rückführung von Nährstoffen aus den verkauften Lebensmitteln in Form von Klärschlämmen und Komposten. Nun wird aber beispielsweise die Biotonne nicht nur mit Bioprodukten befüllt. Hier müssen wir sensibel sein, wo wir die Grenzen für den Ökolandbau ziehen, um auch Abfälle auf konventionellen Haushalten nutzen zu können. Bei anderen Dingen sollten wir die Grenzen enger ziehen, finde ich, um die Wünsche der Konsumenten zu respektieren. Anbindehaltung beispielsweise ist immer noch erlaubt, obwohl es den meisten Menschen, die Ökomilch kaufen, ein Dorn im Auge ist.

Warum ist für dich sonnenklar, dass Du einmal den Hof Deiner Eltern übernehmen wirst?

Klein: Die Landwirtschaft muss umweltgerechter werden. Das mitzugestalten, darin sehe ich für mich den größten Sinn. Problematisch finde ich, dass die extreme Arbeitszeitbelastung in der Landwirtschaft die gesellschaftliche Teilhabe einschränkt. Gefühlt werden sämtliche Feste in der Gegend an mir vorbeiorganisiert, und es ist schwer, ein Restaurant zu finden, das nach 20 Uhr Essen serviert. Wesentlich früher schafft man es nach dem Melken aber nicht. Mit Vereinstreffen ist es genauso. Aber die Arbeit in der Redaktion macht auch Spaß und ist für mich ein Stück soziale Teilhabe. Und noch leben ja auf dem Hof auch meine Eltern vom landwirtschaftlichen Verdienst.

Welche Aufgaben übernimmst Du auf dem Hof?

Klein: Grundsätzlich können hier alle fast alles. Meine Aufgabe ist unter anderem die Gesundheitsüberwachung und Behandlung der Tiere, die Kälberversorgung, das Einstreuen und Entmisten. Die Büroarbeit und den Futteranbau erledigen wir gemeinsam. Unser Mitarbeiter pflügt zum Beispiel am besten, mein Vater und ich grubbern und säen gern. Mein Vater plant die Futterbergung akribisch.

Immer gut eingestreut: Abkalbe- und Krankenstall. © Gnauk

Betreibt Ihr auch pfluglose Bodenbearbeitung?

Klein: Wir machen beides. Mit Pflügen sind vor allem die Maiserträge höher. Du kannst die Bodenbearbeitung nach dem Unkraut-Unterdrückungspotential deiner Kultur ausrichten. In trockenen Jahren ist nichtwendende Bodenbearbeitung super, da das Unkraut auf der Oberfläche verdorrt. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, vor Getreide und Körnerleguminosen wie Ackerbohnen nur zu grubbern und nicht zu pflügen. In sehr trockenen Jahren dringt der Pflug gar nicht erst in den Boden ein. Im Jahr 2021 hingegen verhinderte der klebrige Boden ein anständiges Pflügen, sodass wir dann auch nur gegrubbert haben.

Magst du auch die Büroarbeit?

Klein: An sich schon, man gewinnt neue Erkenntnisse für den Betrieb. Leider gibt es mit zunehmender Digitalisierung auf dem Landwirtschaftsbetrieb mehr Büroarbeit statt weniger. Wenn das Geoinformationssystem auf Satellitenbildern Kulturarten erkennt, könnte man hoffen, dass man die Kulturen nicht mehr im Antrag eingeben muss. Jetzt muss man leider beides machen. Erst gibt man die Kulturarten an, dann bekommt man im Kontrollbericht Falscherkennungen, die korrigiert werden müssen. Das ist nur ein Beispiel, wo aus einem digitalisierten Vorgang Mehrarbeit wurde. Und jedes Jahr kommen bei den Förderverfahren noch mehr Antragsverfahren dazu.

Worauf legt ihr besonders Wert?

Klein: Auf die Futterqualität rund um die Ernte. Das Aufräumen am Silo ist eine wichtige Arbeit. Die sensorische Qualitätskontrolle am Silagestapel erledigen wir gründlich. Wir lassen auch ein- bis zweimal pro Silo Futterproben untersuchen. Hat man die Silagequalität immer im Blick, kommt nur sauberes und genießbares Futter in den Trog.

Noch nicht siliert: Hochgewachsener Futtermais Ende Oktober 2022 vor dem Drusch. © Gnauk

Welche persönlichen Zukunftspläne hast Du auf dem Hof?

Klein: Ich möchte den Hof noch widerstandsfähiger und umweltverträglicher gestalten, zum Beispiel über Eigenstromnutzung und den Einsatz von Kleegras als Untersaat. Auf einigen Betrieben können die Kühe ein Getreidefeld bereits eine Woche nach der Ernte als Weide nutzen. Ich würde auch noch mehr Potenzial im Agrotourismus sehen, auch, um Leuten außerhalb der Landwirtschaft diese wieder näherzubringen.

Was würdest Du gern Agrarminister Cem Özdemir sagen?

Klein: Ich würde ihm vermutlich sagen, dass das, was wir gerade machen, nicht reicht, um ein harmonisches Zusammenspiel zwischen Landwirtschaft und Ökosystem zu gewährleisten. Die Landwirtschaft verändert sich zu langsam. Die neue GAP ist mit der heißen Nadel gestrickt. Ich weiß bei vielen Maßnahmen noch nicht, was ich zusätzlich machen sollte im Vergleich zur alten GAP. So wissen wir nicht, ob Saatgut für die Untersaat oder für Blühstreifen in Ökoqualität und zu einem tragbaren Preis verfügbar sein wird. Etliche Zusatzmaßnahmen sind kaum umsetzbar. Es wäre besser gewesen, wenn man mehr Zeit für eine sorgfältige Planung gehabt hätte. 

Gelungener Redaktionsteamausflug zum Ökomilchhof der Familie Klein: Lisa Kristin Dally, verantwortlich für #Ö, Susanne Gnauk, Autorin des Beitrags, und Jonas Klein (v. l.). © Klein

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