Praxisgerechte Lösungen gesucht
Am 7. November tagte der Milchausschuss des Landesbauernverbandes (LBV) in Denkendorf. Wichtige Themen waren die Situation am Milchmarkt, das Tierschutzgesetz, die bodennahe Gülleausbringung, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sowie die Kitzrettungen mit Drohnen. Zu Gast im Ausschuss unter der Leitung der LBV-Vizepräsidentin Rosi Geyer-Fäßler war Lea May, Milchreferentin im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR).
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Bei der Novellierung des Tierschutzgesetzes kursiere weiterhin lediglich der inoffizielle Referentenentwurf, indem es für das Verbot der Anbindehaltung nur eine fünfjährige Übergangsfrist geben soll, was der Bauernverband vehement ablehnt. Zur bodennahen Ausbringungstechnik für Gülle auf Grünland gibt es ein LBV-Positionspapier. Hier will man wie beim Tierschutzgesetz noch enger mit den Berufskollegen aus Bayern zusammenarbeiten. In Bayern werde bereits eine vielversprechende App entwickelt, die die Breitverteilung der Gülle weiterhin möglich machen soll und weitere Versuche zur Ausbringung der Gülle durchführt. „Wir sind hier im Hintergrund auf den verschiedensten Ebenen aktiv, auch wenn das derzeit in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt ist,“ berichtete die Ausschuss-Vorsitzende Rosi Geyer-Fäßler.
Kommunikation auf allen Ebenen
Lea May gab Einblicke in ihre Tätigkeit im Referat 63 in der Abteilung 6 „Markt und Ernährung“ und beleuchtete die aktuellen Entwicklungen am Milchmarkt. Bei der Einführung neuer Gesetze und Änderungen würden die jeweiligen Entwürfe über die Referate hinweg fachlich abgestimmt, Stellungnahmen abgegeben und auch der Bundesebene zurückgemeldet. Oftmals komme man fachlich zu anderen Ergebnissen als dies politisch vorgegeben wird, sodass es in den Ausschüssen und Gremien jede Menge Diskussionsbedarf gibt.
Wie viel Politik verträgt der Markt
Ein Augenmerk beim BMEL liege derzeit zum Beispiel auf der Gestaltung der Vertragsbeziehungen im Sektor Milch nach Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordung (GMO). Hier geht es um die Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien, mit dem Ziel, die Milchmengen besser zu steuern und damit den Milchpreis zu stabilisieren. Doch inwieweit so ein staatlicher Eingriff in die Marktmechanismen nicht mehr Kosten und Verwaltungsaufwand nach sich ziehen, als es letztlich an Nutzen für einen besseren Milchpreis bringt, wird sehr konträr diskutiert. Ob und wann der Artikel 148 in Deutschland kommt, sei derzeit völlig offen. „Die praktische Umsetzung ist schwierig“, so May. In Frankreich versuche man die Lebensmittelbranche gegen Dumpingpreise gesetzlich zu schützen. Da sei es gesetzlich verboten, ein Produkt unterhalb der Produktionskosten zu verkaufen. Unterm Strich aber seien die Effekte solcher Gesetze auf die tatsächlichen Erzeugerpreise eher gering, hieß es.
Preisrückgänge im laufenden Jahr
Wie May berichtete, sind die Mengen am Milchmarkt weltweit gestiegen. In der EU waren es in den ersten acht Monaten dieses Jahres von Januar bis August 0,7 Prozent mehr Milch als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wobei vor allem Deutschland (mit rund 20 Prozent größter Erzeuger in der EU) und die Niederlande ihre Mengen mit über zwei Prozent deutlich erhöht haben.
Hohe Kosten und hohe Preise
Bemerkenswert war 2022 die Kostensteigerung für die Milcherzeugung von rund 30 Cent pro kg auf fast 45 Cent pro kg. Diese Kosten seien mittlerweile wieder auf rund 38 bis 39 Cent gefallen. May geht aber davon aus, dass man aufgrund der Inflation das frühere Kostenniveau von 30 Cent nicht wieder erreichen wird. Bemerkenswert war 2022 auch, dass der konventionelle Milchpreis mit 60 Cent pro kg fast das Niveau der Biopreise erreichte. Über die Jahre gesehen liegt zwischen den beiden Produktionsformen ein Preisabstand von zehn bis 15 Cent pro Kilogramm (kg). In der Spitze 2022 sei dieser Abstand auf drei Cent abgeschmolzen.
Zu viel Biomilch belastet den Markt
Bei Biomilch waren im laufenden Jahr von Januar bis August 2023 extreme Mengensteigerungen von teilweise über 20 Prozent vor allem in Ländern wie Niedersachsen, Sachsen und Sachsen/Anhalt und in Schleswig-Holstein im Vergleich 2022 zu beobachten. Das hat zu einem erheblichen Preisdruck bei Biomilch geführt. Die Molkereien mussten einen Teil der Biomilch als konventionelle Milch vermarkten. Eine insgesamt ungute Entwicklung: „Wir produzieren hier teilweise für einen Markt, der nicht da ist“, so eine Einschätzung in der Diskussionsrunde. Auch im konventionellen Markt gebe es immer mehr Qualitätsstufen und eine immer größere Marktdifferenzierung, für die unterschiedliche Zuschläge gezahlt werden. Damit wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten.
Milchkonsum nimmt ab
Der Verzehr von Frischmilcherzeugnissen ging in den vergangenen zehn Jahren von 90,6 kg pro Kopf und Jahr auf heute 83,2 kg zurück. Warum das so ist, lasse sich nur schwer beantworten. Der Ersatz von Milchprodukten durch Produkte auf Pflanzenbasis dürfte mit ein Grund sein. Es könne aber auch daran liegen, dass die Esskultur sich verändert hat.
Zu viel Bürokratie
Mit Blick auf die neue GAP 2023 äußerte sich Horst Wenk, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes, zurückhaltend. Vom politischen Versprechen eines „neuen Liefermodells mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten“ sei unterm Strich nicht viel übriggeblieben. Stattdessen hätten Bürokratie und Detailregelungen so zugenommen, dass selbst viele Fachleute nicht mehr durchblickten. Nach wie vor gebe es immer noch unbeantwortete Fragen, zum Beispiel nach dem spätesten Zeitpunkt der aktiven Begrünung für die Vier-Prozent-Stillegungsflächen. Bei den GLÖZ und bei den Ökoregelungen fordere der Bauernverband weitere Anpassungen, um die Praxistauglichkeit zu verbessern. Bei den Auszahlungen der Direktzahlungen arbeiteten die Ämter mit Hochdruck, hieß es. Der Bauernverband erwartet, dass man hier schnell vorankommt und die Auszahlungen noch im laufenden Jahr erfolgen. Insgesamt müsse man aufpassen, dass nicht immer mehr unsinnige politische Beschlüsse und Bürokratie die Verwaltungen lahmlegen. Die Leidtragenden seien die Landwirte, die dringend Liquidität auf ihren Höfen benötigen.




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