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Interview zum Thema CRISPR/Cas

Es hängt am Europäischen Gerichtshof

Dr. Thorben Sprink ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen am Julius Kühn-Institut. Er erforscht unter anderem neue Technologien zur gezielten Genomveränderung.

Wir haben dem Experten fünf Fragen gestellt.

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Die rechtliche Lage, ob durch Genome Editing z.B. mit Hilfe von CRISPR/Cas hergestellte Pflanzen als gentechnisch verändert gelten oder nicht, ist noch ungewiss. Warum ist der Entscheidungsprozess so schwierig?

Sprink: Einige Pflanzen und ihre Produkte, die durch Genome Editing z.B. mit Hilfe von CRISPR/Cas oder auch mit anderen modernen Methoden erzeugt werden, könnten so auch durch natürliche Prozesse oder durch klassische Züchtung entstehen, allerdings nur mit erheblichem Zeit- und Züchtungsaufwand.

Zusätzlich ermöglichen Genome Editing Verfahren es aber auch Gene einzufügen oder Gene neu zu arrangieren - dies wäre dann mit der klassischen Gentechnik vergleichbar. Die Auslegung der Begriffe des europäischen (bzw. des deutschen) Gentechnikrechts spielen eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung. Das Gentechnikrecht in Europa betrachtet vordergründig den (technischen) Prozess, mit dem ein Produkt erzeugt wurde, und ob es sich gegenüber herkömmlichen Züchtungsverfahren erzeugten Produkten genetisch unterscheidet.

Wurde ein Produkt mit Hilfe von gentechnischen Methoden erzeugt ist das Produkt ein GVO. Mutationszüchtung ist ausdrücklich von dieser Regelung ausgenommen. Als das Gentechnikrecht verfasst wurde, waren die neuen Methoden des Genome Editing wie CRISPR/Cas noch nicht bekannt oder gar verfügbar. Obendrein sind einige Begriffe im Gentechnikrecht nicht eindeutig definiert. Beides lässt daher Raum für Interpretationen und Rechtsauslegungen: Welche Unterschiede sind noch „natürlich“? Was gilt als Mutation, die von den Regelungen des Gentechnikrecht ausgenommen ist? Die Fragen sind mehr ein juristisches als eine wissenschaftliches Problem - was ihre Beantwortung umso schwieriger macht.

Ein Beispiel kann dieses Dilemma gut verdeutlichen wird z.B. CRISPR/Cas dazu genutzt, gezielt eine Mutation zu erzeugen um eine Pflanze mit einer Pilzresistenz auszustatten, und werden anschließend durch Kreuzung die CRISPR-Werkzeuge ausgekreuzt, bleibt lediglich die Mutation, welche die gewünschte Eigenschaft vermittelt zurück, jedoch keine fremden Gene.

Dies wurde bereits beim Weizen so durchgeführt, um eine Mehltauresistenz zu erzeugen. Die Mutation, welche hierfür notwendig ist, ist bei der Gerste bekannt. Theoretisch hätte diese Mutation auch spontan oder durch induzierte ungerichtete Mutagenese entstehen können, nur eben sehr viel unwahrscheinlicher.

Tatsächlich konnte im Fall der Mehltauresistenz beim Weizen durch eine Vielzahl von induzierten ungerichteten Mutationen und Kreuzungen verschiedener mutierter Linien dies auch ohne CRISPR/Cas erzeugt werden. Allerdings dauerte es Jahre und das entstandene Produkt trägt neben der gewollten Mutation noch immer unzählige unbeabsichtigte, die aber aufgrund der Zuchtwahl vordergründig keine wesentlichen Eigenschaften des Weizens beeinträchtigen.

Beide Verfahren erzeugen durch eine Mutation ausgelösten mehltauresistenten Weizen. Die juristische Frage ist nun, ob beide Pflanzen rechtlich gleich bzw. wie eine zufällig, natürlich auftretende Mutante zu behandeln sind. Oder ist die eine Pflanze, die mittels CRISPR/Cas erzeugt wurde, und sogar keine zusätzlichen, unbeabsichtigten Veränderungen trägt, nach den Regelungen des Gentechnikrechts zu bewerten, während die andere davon explizit ausgenommen ist.

Die Frage die es zu klären gilt ist also ob Mutationen die mittels Genome Editing wie CRISPR/Cas erzeugt werden unter die Gentechnikregeln fallen oder nicht. Ein praktisches Problem der Rechtsauslegung stellt die Nachweisbarkeit der Methode da. Denn wie kann man Pflanzen unterscheiden bei denen Mutationen durch CRISPR/Cas, durch Chemikalien induziert wurden oder natürlich entstanden sind? Genetisch besteht hier kein Unterschied, ein exakter Nachweis der Methode könnte nur durch rigorose Aufzeichnungspflichten gelingen, doch wie soll mit importierten Produkten verfahren werden?

Der europäische Gerichtshof beschäftigt sich derzeit mit einigen Fragestellungen zu den neuen Methoden, jedoch wird ein Urteil, auf Grund der Komplexität des Sachverhalts, nicht vor Mitte 2018 erwartet. Anschließend muss das Urteil womöglich noch in geltendes Recht überführt werden. Ob damit alle Fragestellungen und Unklarheiten beseitigt sind, oder ob weitere Diskussionen notwendig werden, ist auf Grund der Komplexität dieses Feldes, allerdings offen.

Sicherlich bedarf es einer Klarstellung der Rechtsgrundlage, nicht nur auf nationaler, sondern auf europäischer und besser noch auf internationaler Ebene und zwar dahingehend, das neue Entwicklungen in ihrer Anwendung und Sicherheit problemorientiert und zeitgerecht geregelt werden.

 

Wie ist die Lage in Baden-Württemberg? Wer sind die Gegner und die Befürworter

Sprink: Die Lage in Baden-Württemberg ist mir leider nicht bekannt. Ich hatte die Gelegenheit auf einigen Veranstaltungen mit Landwirten und Anbau-Verbänden aus Baden-Württemberg zu sprechen. Die Teilnehmer standen CRISPR/Cas durchaus positiv gegenüber. Jedoch merkten sie auch immer an, dass ein Einsatz der Technik eng mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der Produkte verbunden ist. Diese Akzeptanz ist jedoch stark davon abhängig, ob die Produkte die mittels Genome Editing erzeugt wurden als gentechnisch verändert gelten oder nicht.

 

Angenommen Produkte die mittels der neuen Methoden erzeugt wurden, würde nicht als gentechnisch verändert angesehen, wann könnten Landwirte mit diesem Saatgut rechnen? Könnte man es dann einfach beim Landhandel bestellen?

Sprink: Dies hängt maßgeblich von der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs und der späteren Umsetzung des Urteils ab. Die ersten Produkte sind bereits auf dem Markt, jedoch nicht in Europa erhältlich. Als erste Genom editierte Pflanze, welche kommerzialisiert wurde, gilt eine Rapssorte der Firma CIBUS™ aus den USA. Dieser Raps wurde nicht mit CRISPR/Cas, sondern mittels der sogenannten ODM-Technik verändert, d.h. ein Gen mutiert, so dass der Raps herbizidresistent ist.

Saatgut ist bereits in Kanada und den USA erhältlich und wird dort bereits angebaut. Diese Rapssorte ist vergleichbar mit herkömmlichen, herbizidresistenten Raps, der auch in Europa angebaut wird. Das amerikanischen Landwirtschaftsministerium, sieht den CIBUS-Raps nicht als eine gentechnisch veränderte Pflanze an. Einige zuständige Behörden in den Mitgliedstaaten der EU teilen diese Einschätzung, wie aus Antworten auf Anfragen der Firma an die zuständigen Behörden in Europa hervorgeht.

Allerdings ist in Deutschland eine Klage anhänglich, welches den Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) - der zuständigen Behörden in Deutschland- anfechtet. Die Vermarktung in liegt jedoch europaweit auf Eis, da die europäische Kommission um Zurückhaltung gebeten hat, bis rechtliche Klarheit bestünde.

Neben CIBUS, arbeiten noch viele weitere große aber auch viele kleine Firmen mit den neuen Methoden und Firmen wie Calyxt, DuPont-Pioneer, Monsanto oder auch KWS planen erste Produkte zeitnah (> 3 Jahre) auf den internationalen Markt zu bringen. Ob auch in Europa bleibt abzuwarten.

Sollten die Produkte auch in Europa nicht als gentechnisch verändert angesehen und vermarktet werden, ist damit zu rechnen, dass die Landwirte Saatgut zeitnah bestellen können. Dies würde über den Landhandel oder die sonst genutzten Vertriebswege, wie z.B. den lokalen Vertriebspartner der Firmen geschehen.

 

Welche Kulturarten könnten mit welchen veränderten Eigenschaften die ersten auf dem Markt sein?

Sprink: Derzeit planen oder arbeiten eigentlich alle großen und auch viele kleinere Züchtungsfirmen mit den neuen Methoden und einige Firmen haben bereits erste Genom editierte Sorten angekündigt. Die ersten Produkte befinden sich bereits auf dem Markt, wie der bereits erwähnte herbizidresistente Raps und weitere befinden sich kurz vor der Marktzulassung.

Neben herbizidresistenten Raps ist eine herbizidresistente Flachssorte angekündigt, welche in den USA direkt vor der Markteinführung steht. Auch weitere veränderte Eigenschaften befinden sich in der Marktnahen Entwicklung. So z.B. eine durch CRISPR/Cas9 erstellt neue Hochleistungs-Wachsmaissorte mit deutlich gesteigertem Ertrag. Diese soll in etwa drei Jahren auf dem Markt platziert werden.

Weitere veränderte Eigenschaften die sich in der marktnahen Entwicklung befinden sind: bei der Sojabohne ein erhöhter Ölgehalt und gleichzeitige Reduktion von Allergenen, Pilzresistenz sowie Ertragssteigerung und Stabilität. Beim Weizen eine Resistenz gegenüber Mehltau und bei der Kartoffel Pilzresistenzen und bessere Lagereigenschaften. Alle diese Produkte sind vom amerikanisches Landwirtschaftsministerium nicht als gentechnisch verändert eingestuft worden. Es ist davon auszugehen das neben diesen angekündigten Produkten noch an vielen weiteren Eigenschaften und Kulturarten unbekannter Weise gearbeitet wird, zumal wenn - wie in den USA - kein besonderes Zulassungsverfahren erforderlich ist.

Neben den sogenannten Hauptkulturen bieten die neuen Methoden aufgrund des verringerten züchterischen Aufwands und Kosten auch großes Potential für weitere Kulturen wie Gemüse oder Obst. So konnte eine Virusresistenz bei Gurkengewächsen erzeugt werden und weitere Eigenschaften wie Krankheitsresistenzen bei der Tomate, dem Brokkoli oder dem Salat verändert werden.

Die zukünftige Regulierung ist der Schlüssel dazu wo und ob solche Produkte auf den Markt kommen, da mit einer ggf. erforderlichen Zulassung immense Kosten einhergehen. Ein Zeit- und Kosten intensiver Zulassungsprozess rentiert sich derzeit nur für Kulturen die extensiv und großflächig angebaut werden und somit ihre Zulassungskosten von mehreren Millionen Euro wieder einspielen.

 

Können Sie einschätzen, ob der Anbau dieser Pflanzen einen Einfluss auf die Ökosysteme haben könnte?

Sprink: Wenn wir davon ausgehen, dass die Pflanzen die mit modernen Züchtungsverfahren erzeugt werden die gleiche Qualität haben wie Pflanzen die mittels herkömmlicher Züchtung produziert werden, können wir auch davon ausgehen das ihre Auswirkungen entsprechend einzustufen sind.

Risiken entstehen nicht durch die Techniken, sondern durch die erzeugten Eigenschaften, z.B. wie ertragreich oder widerstandsfähig eine neue Sorte ist. Dabei ist es egal wodurch die Pflanze die Eigenschaft erhalten hat, ob durch konventionelle Züchtung, durch gentechnische Veränderung oder durch Methoden des Genome Editing. Der Einfluss auf die Ökosysteme hängt also nicht davon ab wodurch eine Pflanze verändert wurde, sondern lediglich worin die Änderung besteht.

Jegliche Form der Landwirtschaft hat einen Einfluss auf das Ökosystem, unabhängig davon, ob diese konventionell gezüchtete Sorten, gentechnisch veränderte Sorten oder auch Genom editierte Sorten verwendet. Die Frage ist daher eher in Bezug auf die Herausforderungen des Anbaus und des nachhaltigen Managements zu stellen, als auf die Züchtungsverfahren. Methoden des Genome Editing könnten auch im Ökologischen Landbau ihre Anwendung finden und explizit hier Probleme adressieren wie bereits der Leiter des Schweizer FIBL Instituts Urs Niggli festgestellt hat, es ist jedoch eine Frage des Managements.

 

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