Drahtwurm auf dem Vormarsch
Wegen des Drahtwurms steht der Kartoffelanbau auf manch spezialisierten Betrieben vor dem Aus. Was wirkt vorbeugend und welche Mittel sind dagegen überhaupt noch zugelassen?
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Drahtwürmer sind auf Öko- wie konventionellen Kartoffelflächen, bedingt auch durch den Klimawandel auf dem Vormarsch. Der Anteil an durch Drahtwürmer geschädigte Knollen nimmt zu. Drahtwürmer können aufgrund fehlender chemischer Pflanzenschutzmittel immer schwieriger bekämpft werden. Starkbefall kann sogar dazu führen, dass die gesamte geerntete Ware nicht verkauft werden kann. Zu befürchten ist, dass der Anbau wegen des erhöhten Vermarktungsrisikos insgesamt zurückgeht. Angebohrte Kartoffeln werden von den Kunden beanstandet und abgelehnt.
Biologie und Entwicklung
Unter der Bezeichnung „Drahtwurm“ werden die Larvenstadien unterschiedlicher Schnellkäferarten zusammengefasst. Bisher waren im Kartoffelanbau hauptsächlich der Saatschnellkäfer (Agriotes lineatus) und die beiden Humusschnellkäferarten Agriotes obscurus und Agriotes sputator zu finden. Nach neuesten Untersuchungen gibt es eine Vielzahl anderer Schnellkäferarten in unseren Böden. In den vergangenen Jahren war ein hohes Aufkommen der aus Südeuropa eingewanderten Art Agriotes sordidus vor allem in wärmeren Lagen Baden-Württembergs festzustellen. Dieser Schnellkäfer hat einen viel kürzeren Entwicklungszyklus als die anderen aufgeführten Arten. Die Drahtwurmlarve kann bereits im ersten Jahr die Kartoffeln und andere Kulturen in kürzester Zeit massiv schädigen.
Was wirkt befallsfördernd?
Drahtwürmer haben sehr viele Wirtspflanzen. Günstige Bedingungen finden sie hauptsächlich in Kartoffeln und Mais, aber auch in Getreide, Gräsern, Rüben, Raps und diversen Zwischenfrüchten. Was gut ist für Bodenschutz und Bodenleben, fördert auch den Drahtwurm. Im Kartoffelbau befindet man sich daher rasch im Spannungsfeld zwischen Humusaufbau und Erosionsschutz sowie Drahtwurmbekämpfung. Humusbildende Maßnahmen wie Winterbegrünung, Stalldung- und Strohgaben verbessern das Nahrungsangebot der Larven und damit die Population.
Schwierigkeiten bereitet auch der Umbruch von Stilllegungsflächen vor dem Kartoffelanbau. Befallsvorhersagen sind nahezu unmöglich. Die Larven kommen bis zu einem Jahr ohne Nahrung aus. Mehrjährige Versuche zeigen jahresabhängig stark schwankende Drahtwurmschäden an Kartoffeln von zwei bis über 50 Prozent in den letzten 25 Jahren, in trockenheißen Jahren hohe Schäden.
Kontrolle durch Bodenfallen
Vor jeder Bekämpfung ist die Drahtwurmzahl zu ermitteln. Durch Auslegen halbierter Kartoffeln in 15 bis 20 cm Tiefe (mindestens zehn Stellen pro Hektar) im Herbst bis etwa Ende September oder im Frühjahr ab Anfang April können Sie den Befall feststellen. Ein Auslegen bei Bodentemperaturen unter 8°C kann Fehldiagnosen verursachen, wenn die Drahtwürmer im Herbst in tiefere Bodenschichten abgewandert oder im Frühjahr noch nicht oben sind.
Auch die Larvenzahl über zehn Bodenfallen von April bis Juli gibt nicht unbedingt einen Hinweis zum Schadpotenzial bei der Ernte. Bereits eine gefundene Larve kann bei Kartoffeln einen relevanten wirtschaftlichen Schaden verursachen. Bei niedriger Bodenfeuchte eignet sich das Köderverfahren mit Kartoffelhälften besonders gut. Bei hoher Bodenfeuchte ist keimendes Getreide (24 Stunden vorquellen lassen) in kleinen Häufchen mit Erde bedeckt auszulegen. Nach ein bis zwei Wochen sollten die Fallen geprüft und eventuell erneut mit Kartoffelhälften oder keimendem Getreide ausgelegt werden.
Vorbeugende Maßnahmen
Folgende acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen sind vorbeugend zu ergreifen:
- Weitgestellte Kartoffelfruchtfolge.
- Rotkleegras schon im zweiten Anbaujahr nach dem ersten Schnitt im Sommer mit dem Grubber mehrmals bearbeiten, bevor die Herbstfurche erfolgt. Vorgaben in Wasserschutzgebieten beachten!
- Stroh abfahren. Stroh verbessert das Nahrungsangebot für den Drahtwurm.
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Stalldung/Kompost umgehend einarbeiten; die organische Substanz ziehtSchnellkäferweibchen auf der Suche einer Möglichkeit zur Eiablage an.
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Quecken bekämpfen. Quecken ziehen Drahtwürmer an, sie legen dann dort ihre Eier ab.
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Mehrfache Stoppelbearbeitung im Sommer. Zur Bestimmung der Drahtwurmart und somit der Flugzeit und Eiablage starteten die Österreicher erste Versuche. Das hilft, um den korrekten Zeitpunkt der Bodenbearbeitung festzulegen.
- Herbst- der Frühjahrsfurche vorziehen; blanker Boden verringert den Eiablagereiz.
- Richtigen Erntezeitpunkt wählen: Während der Vegetation die Kartoffeln auf Fraßschäden kontrollieren; bei Befall früheren Erntetermin wählen (Schalenfestigkeit beachten, Krautregulierung anpassen).
- Durchwuchskartoffeln beziehungsweise Ausfallgetreide konsequent bekämpfen.
Der Boden ist möglichst trocken zu bearbeiten, um Eier und Larven auszutrocknen. Nach Abtrocknung des Oberbodens sollte die Maßnahme wiederholt werden. Nur wenn sich die Larven in den oberen 20?cm aufhalten, werden sie durch intensive Bodenbearbeitung (zum Beispiel Grubber, Scheibenegge, Striegel oder Fräse) beeinträchtigt. Größere Larven lassen sich dadurch aber nur bedingt bekämpfen. Laut der LfL Bayern sind durch intensive Bodenbearbeitung Wirkungsgrade von bis zu 50 Prozent möglich. In einem Versuch hinsichtlich des Pflugtermins in roten Gebieten wurde im ersten Versuchsjahr festgestellt, dass der spätere Pflugtermin (Januar) deutlich mehr geschädigte Kartoffeln durch Drahtwurmfraß aufweist. Hierzu sind aber weitere Versuche nötig.
In den zurückliegenden 25 Jahren wurde an der LTZ-Außenstelle Donaueschingen in Zusammenarbeit mit dem Kartoffelberatungsdienst Heilbronn intensiv nach Bekämpfungsmöglichkeiten gesucht. Ergänzend hierzu wurden in den letzten Jahren über länderübergreifende Versuche mit Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg chemische und biologische Mittel getestet.
Zugelassene Mittel für 2023
Man bangt jedes Jahr aufs Neue, um die Genehmigung von Notfallzulassungen. Im letzten Jahr war in Deutschland der Einsatz des biologischen Produktes Attracap sowie der beiden chemischen Produkte Force Evo und Trika Expert auf der Basis von Pyrethroiden über eine Notfallzulassung nach § 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 möglich. Für 2023 wurde wiederum für die drei Produkte eine Notfallzulassung beantragt. Nach aktuellen Informationen wird Force Evo in 2023 für die Praxis nicht verfügbar sein.
Attracap (Biowirkstoff Metarhizium brunneum) ist zur Drahtwurmbekämpfung in Kartoffeln auf befallsgefährdeten Flächen, besonders im Ökolandbau, bis zum 19. Juni 2023 zugelassen. In Speise-, Veredelungs-, Stärke- und Pflanzkartoffeln kann das Mittel bei geringem bis mittlerem Befall mit 30 kg/ha beim Legen oder alternativ zwischen den Dämmen kurz vor Reihenschluss mit Granulatstreuern in die offene Furche eingemischt werden bei sofortiger vollständiger Bedeckung, maximal eine Anwendung ist gestattet.
Diese weiteren Notfallzulassungen liegen vor (Stand 8. März 2023): Trika Expert ist bis zum 5. Juli 2023 und SoilGuard 0.5 GR bis zum 6. Juli 2023 ausschließlich gegen Starkbefall von Drahtwürmern zugelassen. Die zugelassene Menge wird für beide Mittel auf 75.000 kg, ausreichend für 5.000 ha Starkbefallsflächen, begrenzt. Erkundigen Sie sich bitte vor dem Einsatz zugelassener Mittel nach den genauen Anwendungsbestimmungen.
Versuche mit Attracap
Zur Bekämpfung des Drahtwurms wurde von 2017 bis 2019 am Versuchsstandort Geisingen-Aulfingen (Spätkartoffelgebiet) Attracap getestet. 2017 und 2018 wurden mit dem Biomittel gegen die beiden dominant auftretenden Arten Agriotes lineatus und Agriotes obscurus sehr gute Wirkungsgrade von über 60 % erzielt. 2019 konnte dieser Erfolg nicht wiederholt werden. Die Bodentemperaturen waren nach der Pflanzung ca. 5 °C geringer als in 2018, was nicht förderlich für die Entwicklung des Pilzes ist.
In länderübergreifenden Versuchen wurde u. a. das Produkt Attracap von dem DLR Rheinhessen-Hunsrück zum Zeitpunkt der Pflanzung getestet. In diesem Gebiet ist primär die Art Agriotes sordidus vorhanden. Gegenüber diese Art konnte mit Attracap kaum eine Wirkung (10 Versuche) erzielt werden. Die vergleichsweise bessere Wirkung im Spätkartoffelgebiet lässt sich nur durch das Artenspektrum erklären.
Um eine gezielte Bekämpfung mit Attracap durchfzuühren, ist eine Artenbestimmung der vorhandenen Drahtwurmlarven vor Ort notwendig. Für den optimalen Wirkungserfolg ist neben der Artenzusammensetzung eine gewisse Bodenfeuchtigkeit und zum Zeitpunkt des Pflanzens die nachfolgende Temperatur im Kartoffeldamm von entscheidender Bedeutung. Spätestens drei bis fünf Tage nach der Pflanzung sollte eine Temperatur im Damm von über 12°C erreicht wird. Ansonsten lieber später pflanten.
Alternativ konnte in den beiden zurückliegenden Jahren über eine Notfallzulassung das Produkt Attracap in einem Zeitfenster von BBCH 22-33 (also bis 1/3 Reiehnschluss) zwischen den Kartoffeldämmen appliziert werden. Eigene Versuchsergebnisse liegen hierzu kaum vor. In 2021 war es zum späten Applikationszeitpunkt zu nass, sodass das Granulat bei dem schwereren Boden nicht ordnungsgemäß ausgebracht werden konnte. Der Ritz mit dem Granulat konnte aufgrund der nassen Bodenverhältnisse nicht vollständig zugedeckt werden. Dagegen war es in 2022 bei der Spätapplikation so trocken, dass der Pilz auf der unberegneten Fläche gar nicht sporulieren konnte.
Weitere Mittel im Test
Des Weiteren wurde in den letzten fünf Jahren das Produkt Soiltonic E getestet. Das Produkt enthält u. a. Terpen-Alkohole und wird über das aktive Kraut etwa vier bis sechs Wochen vor der Krautregulierung mit 4 bis 5 l/ha gespritzt. Anschließend dampfen die Kartoffelpflanzen den Alkohol über die Feinwurzeln aus. Das schreckt die Drahtwürmer in der fraßaktiven Phase ab. Unter optimalen Bedingungen (aktives Kraut) konnte in unseren Versuchen mit 5 l/ha ein Wirkungsgrad von max. 34 % erzielt werden (Streuung 8 bis 34 %). Sobald das Kraut aber durch Krankheiten oder Trockenheit zum Zeitpunkt der Applikation geschwächt war, war kaum eine Wirkung festzustellen.
Ergänzend hierzu wurden in langjähriger Zusammenarbeit mit der LfL Bayern weitere Produkte, u. a. auch Force Evo und Trika Expert geprüft. Die Wirkung beider chemischer Produkte ist wie Attracap von einer gleichmäßigen Verteilung in der Pflanzfurche abhängig. Die spezielle Mikrogranulat-Formulierung bewirkt, dass der Wirkstoff langsam abgegeben wird. Diese langsame Abgabe, bedingt durch die geringe Wasserlöslichkeit, bringt einen großen Vorteil bei der Wirkdauer. Die beiden Produkte werden ebenfalls mit einem speziell zugelassenen Granulatstreuer (Goldor Bait-Technik) in Bandapplikation ausgebracht. Ungünstige Witterungsbedingungen können die Wirkung auch bei den chemischen Produkten verringern. Wirkungsgrade, wie in Zeiten von Goldor Bait mit über 90 % konnten beim Einsatz der bisher getesteten Mittel leider nicht erreicht werden.
Die Erfahrungen zeigen, dass die Wirkung bei biologischen wie chemischen Produkten bei günstigen Bodentemperaturen und höherer Bodenfeuchtigkeit während der ersten Wochen nach dem Legen am erfolgreichsten war, da die Drahtwurmlarven in der obersten Bodenschicht vorhanden waren und damit im zeitlichen und räumlichen Wirkungsbereich der eingesetzten Präparate.
Hoffnung am Horizont?
Überraschend wurde Spintor GR mit dem Biowirkstoff Spinosad zur Befallsminderung bei schwachem und mittlerem Befall in Kartoffeln und Mais in der Furchenanwendung zur Pflanzung oder Saat mit 12 kg/ha durch einen Mikrogranulatstreuer mit einem Breitverteiler bis zum 30. April 2024 zugelassen. Die Mittelmenge wird wohl nicht für alle gefährdeten Kartoffel- und Maisflächen ausreichen. Nach ersten Erkenntnissen aus Frankreich reduziert Sprintor GR Drahtwurmschäden ähnlich gut wie ein Pyrethroid-Produkt.
Eigene Erkenntnisse bezüglich der Wirksamkeit des Produktes in Kartoffeln liegen nicht vor. Zusammen mit dem BD Heilbronn hat das LTZ den Wirkstoff Spinosad nicht als Mikrogranulat (war in 2021/22 für Deutschland nicht verfügbar), sondern als Beize an der Knolle zusammen mit Panonia Gold (Maisschlempe als Lockköder) getestet. Die Ergebnisse können daher leider nicht mit dem Mikrogranulat ohne Lockstoffköder verglichen werden.
Sprintor GR wirkt nach Aussage der Vertriebsfirma Corteva zwar unabhängig von der Bodenfeuchtigkeit, aber die Drahtwürmer sollten nach unseren Erfahrungen in der obersten Bodenschicht vorhanden sein (da ist dann doch eine gewisse Bodenfeuchtigkeit erforderlich), damit das Präparat auch voll zur Wirkung kommt. Wünschenswert wäre, wenn der Zulassungsinhaber zum Präparat hinzu noch einen Lockstoffköder integrieren könnte. Je mehr Drahtwürmer in den folgenden sechs bis acht Wochen nach der Applikation in der obersten Bodenschicht verweilen, umso besser ist die Wirkung.
Anwendungsbedingungen und Auflagen
Folgende Anwendungsbedingungen und Auflagen sollten bei der Applikation mit Sprintor GR beachtet werden:
Zugelassene Ausbringungstechnik verwenden: Die Anwendung des Mittels muss mit einem vom JKI geprüften Granulatstreugerät erfolgen, das in der Liste mit Granulatstreugeräte eingetragen ist. Die Liste der geeigneten Granulatstreugeräte kann auf der Homepage des JKI eingesehen werden.
Bezüglich weiterer oder aktueller Auflagen ist vor der Verwendung stets das Etikett und die Produktinformation zu lesen.
Gute fachliche Praxis: Vor dem Einsatz muss gewährleistet sein, dass eine exakte Applikation des Produktes sichergestellt ist. Daher muss vor dem Einsatz der Geräte immer die Funktionsfähigkeit der Antriebe einschließlich der Notabschaltung überprüft werden. Eine jährliche Abdrehprobe ist nötig, um zu gewährleisten, dass die vorgeschriebene Menge (je nach Beschaffenheit des Granulats) ausgebracht wird. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass durch die Zustreichgeräte der Legemaschine eine vollständige Bedeckung des Granulates mit Ackerboden sichergestellt ist. Die Geräteeinstellung muss auf die speziellen Anwendungsbedingungen der vorliegenden Bodenart abgestimmt sein. Bei gleichzeitiger Ausbringung von Flüssigbeizen ist darauf zu achten, dass sich an den Aggregaten kein angefeuchtetes Granulat absammelt und an der Bodenoberfläche abgestreift wird.
Fazit
Die Drahtwurmbekämpfung ist schwierig. Nur jahrelanges, konsequentes Handeln in Fruchtfolgegestaltung, Bodenbearbeitung und Pflanzenschutzmaßnahmen führt dauerhaft zum Ziel.
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