Getreide-Saatgut 2024: Marktbedingungen, Herausforderungen und Perspektiven
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Holger Milk von der Secobra Saatzucht erklärte die Situation beim Getreide-Saatgut und die Chancen für 2024. Die Erntebedingungen für die Sommerungen waren schwierig, sodass nahezu europaweit wenig Saatgut mit der gewohnten Keimfähigkeit verfügbar ist. Zudem befindet sich der Markt für Getreide wie Brotgetreide liegt aktuell um 20 Euro pro dt, nachdem die Betriebe in den vergangenen zwei Jahren höhere Preise erzielen können.
Pflanzenschutz effizient planen
Nach einer Rechnung des LfL Bayern lohnt sich eine volle Behandlung der Getreidebestände mit Fungiziden und Wachstumsreglern bei Preisen unter 20 Euro pro dt nicht immer. „Kann ich auf einen zusätzlichen Pflanzenschutz mit Fungizid und Wachstumsregler verzichten, spare ich in Abhängigkeit der Sorte beim gegenwärtigen Preisniveau im Schnitt 120 Euro pro Hektar“, erklärte Milk. Die Sortenwahl ist also wichtiger denn je, da eine robuste Sorte mit hoher Ertragsstabilität ein Sparpotenzial bei Fungiziden und Wachstumsreglern mit sich bringt. Auch eine hohe Fallzahlstabilität und Frühreife sind bei wechselhaften Erntebedingungen laut Milk wichtiger geworden.
Vielversprechende Kandidaten zur Zulassung
Dr. Hubert Kempf stellte die neuen Zulassungskandidaten bei Winterweizen und Wintergerste vor. Die Züchtung hat auch eine politische Verpflichtung, gegen viele Erkrankungen resistent zu sein und Pflanzenschutzmittel zu sparen. Sechs aussichtsreiche Winterweizensorten und eine Wintergerstensorte verhandelt das Unternehmen derzeit mit dem Bundessortenamt (BSA). „Die Züchter müssen gegenüber dem BSA argumentieren, weshalb die Sorte einer Verbesserung darstellt.
Ambiente E/A hat eine sehr gute Backqualität, hohe Hektolitergewichte und hohe und stabile Fallzahlen. Im Backvolumen ist er genau an der Grenze zur E-Klasse. Er soll laut Kempf einen guten Kompromiss aus Ertrag und Proteingehalt dar, der eine hohe N-Effizienz aufweist. Ambiente ist etwas schwächer in Mehltau und Wasseraufnahme, dafür sehr gut in Braunrost und Fusarium.
Capri A soll sehr winterhart sein. Im Bundessortenversuch wies er in dieser Kategorie sehr gute Noten auf. Er verfügt über eine hohe Resistenz gegenüber vielen Erkrankungen in Kombination mit einem hohen Ertrag in Stufe 1.
Westport B ist ähnlich gesund wie Capri und weist vorteilhafte Resistenzkombinationen auf. Im Kornertrag sind die Erträge in Stufe 1 und Stufe 2 auf einem hohen Niveau. Die Pflanze ist relativ kurz, circa 7 cm kürzer als das Sortimentsmittel, was laut Kempf in den Sortenversuchen einen leichten Nachteil im Ertrag bringt, da die Pflanze durch ihre Versuchsnachbarn überragt wird. „Für Krankheiten oder das Abtrocknen ist die Kürze aber nicht nachteilig, weil mit dem kurzen Halm letztlich weniger Masse abtrocken muss“, erklärte Kempf. Eine gewisse Länge sollte man aber nicht unterschreiten, kürzere Sorten haben sich laut Kempf am Markt auch selten durchgesetzt.
Basilisk B soll eine gute Kombination aus Krankheitsresistenzen werden und zugleich eine herausragende Standfestigkeit aufweisen im Vergleich zu ähnlich ertragreichen Sorten. Die agronomischen Eigenschaften sollen besonders ausgeglichen im Vergleich zu anderen Sorten sein, was laut Kempf für stabile Erträge auch in Extremjahren sprechen soll.
Wayne A ist ertraglich in Stufe 1 gut und weist eine Note 3 in der Fusariumresistenz auf, die nach Kempfs Aussage andere Sorten nicht in vergleichbarem Maß aufweisen. Auch gegen Gelb- und Braunrost sei die Resistenz besonders gut. Es liege nun beim BSA, ob der Ertrag gut genug für eine Neuzulassung ist und die Krankheitsresistenzen eine Neuzulassung rechtfertigen.
Vinzenz E ist ein Öko-Winterweizen, der nur in der Öko-Wertprüfung lief. Er wurde zusammen mit der Landesanstalt in Weihenstephan entwickelt. Ihn hebt laut Kempf seine überlegene Unkrautunterdrückung und hohe Krankheitsresistenz ab. Der Kornertrag hebt sich von den anderen ökologischen Weizensorten ab, was auch für das Backvolumen gelten soll. Die Proteineffizienz (ml Backvolumen pro Prozent Rohprotein) lag in der Öko-Wertprüfung im Vergleich zu anderen Sorten auf einem sehr hohen Niveau. „Gerade im Öko-Landbau ist wichtig, dass das wenige Protein in Backvolumen umgesetzt wird“, erklärte Kempf.
Gerda ZZ ist eine zweizeilige Wintergerste mit sehr guter Resistenz gegen Rhynchosporium und Zwergrost. „Wir hoffen auf eine Sandra-Nachfolgerin“, erklärte Kempf. Im Marktwareanteil (S > 2,2mm) war sie im Versuch auf einem sehr hohen Niveau.
„Wir hoffen, in den kommenden Wochen den landeskulturellen Wert der Sorten nach Paragraf 34 nachweisen und die Sorten in den Markt bringen können“, erklärte Kempf.
Frostschäden trafen die Braugerste
Janosch Rüde stellte die Braugersten bei der Secobra Saatzucht vor. Immer mehr Trockenheitsereignisse und eine letztlich verregnete Ernte 2023 stellten die Braugerstenanbauerinnen und -anbauer vor Herausforderungen. Auch Frostschäden bei herbstgesäter Sommerbraugerste waren leider keine Seltenheit. Comtesse und Ostara sind dagegen winterharte Sorten.
Comtesse wurde im März 2023 zugelassen und war in vergangenen LSV eine der frühen und ertragsstärksten Winterbraugersten. Mit Vollgerstenanteil APS 9 und einem Hektolitergewicht APS 8 bietet sie laut Rüde eine hohe Vermarktungssicherheit, die trotzdem sehr gut winterhart und relativ krankheitstolerant ist.
Ostara ist laut Rüde ein guter Kompromiss aus Ertrag und Qualität mit sehr frühem Ährenschieben. Das mache sie für Höhenlagen und späte Termine ideal. Die Sorte ist in die großtechnischen Versuche des Berliner Programms 2024 aufgenommen. Der Ertrag lag in der Wertprüfung des BSA auf dem Niveau von RGT Planet, die Sortierung > 2,8 mm lag aber höher. Die Sorte weist laut Rüde einen geringen Weichgrad auf, was für Verarbeiter Energie einspart.
Turbulenter Braugersten-Markt
Dr. Alexander Rosenberger von Grainli (ein Baywa-Unternehmen). „Im Großen und Ganzen gelingt es der Landwirtschaft trotz Wetterextremen immer wieder, genügend Getreide zu produzieren und Reserven zu halten. 2024/2023 wurden 2225 Mio. t Getreide (ohne Reis) weltweit produziert und 2205 Mio. t Getreide verbraucht.
Mit 143 Mio. t Weltproduktion 2023/2024 zählt die Gerste eher zu den kleinen Kulturen. Die meiste Gerste stehe in Europa im Bereich von 50 bis 60 Mio. t., danach kommt Russland mit rund 20 Mio. t und Australien mit rund 10 Mio. t. „Man sieht die herausgehobene Bedeutung der EU plus England als Braugerstenproduzent“, erklärte er. Zugleich ist Deutschland Europas größter Mälzer und Nettoimporteur mit etwas über 2,2 Mio. t Vermälzungskapazität. „Davon werden etwa 50 Prozent auf heimischen Feldern erzeugt“, sagte Rosenberger. Darauf folgen bei der Vermälzungskapazität die Beneluxländer. Bei der Produktion ist Frankreich in der EU führend bei Braugerste, aber auch England und Dänemark sind Schwergewichte im Braugerstenexport. Seit dem Brexit verteilt sich der Braugerstenexport aus England aber mehr auf andere EU-Länder als auf Deutschland.
Dar Markt findet eine Lösung
Ende 2023 war der europäische Braugerstenmarkt defizitär, was an den schwierigen Erntebedingungen lag. Mittlerweile ist das Defizit ausgeglichen durch den vermehrten Anbau von Winterbraugerste, die überwiegend aus Frankreich kam. „Frankreich hat als eines der wenigen Länder 2023 eine relativ gute Ernte eingefahren“, sagte Rosenberger.
Im März 2022 ging der Gerstenpreis durch den russischen Angriffskrieg durch die Decke. Danach ging es aber zügig wieder bergab. „Die Märkte haben rasch Lösungen gefunden“, merkte Rosenberger an. Im Juni 2023 stieg der Preis dann wieder sprunghaft auf rund 300 Euro pro Tonne an. Hintergrund war die Missernte in Europa. „Diese war aber eine Anomalie in einem Abwärtspreistrend am Gerstenmarkt“, sagte Rosenberger. Insgesamt sei weniger Bier getrunken und weniger Malz verbraucht worden, sodass der Markt sich nach der Missernte rasch stabilisierte und dann leicht verlor.
Aktuell nehmen die Anbauflächen in Deutschland wieder zu. „Das liegt aber nicht an der Liebe der Anbauer zur Braugerste, sondern daran, dass die Aussaatbedingungen vor allem in Norddeutschland die Anbauer in Richtung der Aussaat von Gerste gedrungen haben“, erklärte Rosenberger.
2023 knickte die Malzproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 2022 ein, nachdem es 2022 nach Corona-Restriktionen wieder zu einem vermehrten Konsum von Bier kam. „2023 stellte sich eine Normalisierung des Konsums nach einer hohen Konjunktur 2022 ein“, erklärte der Fachmann.
Zusammenfassung für den Markt 2023
Wegen ungünstigem Wetter wurde 2023 in Deutschland eine unterdurchschnittliche Braugerstenernte in Qualität und Ertrag erzielt. Mindersortierung, Auswuchs, zu hohe oder niedrige Eiweißgehalte oder eine Kombination aus verschiedenen Mängeln war an der Tagesordnung. Lediglich die Winterbraugerste lieferte passende Ergebnisse. Aus der Ernte 2022 gab es noch Überhänge, zudem ging der Bierabsatz 2023 um 4,5 Prozent zurück. Deshalb kam die schlechte Ernte 2023 preislich nur verzögert bei den Bauern an. Die Branche arbeitete erst ihre Silobestände ab und wartete Neugeschäfte mit der Ernte 2023 lange ab.
Mittlerweile gibt es bei der europäischen Malzindustrie kein Versorgungsproblem mehr, da diese ihre Produktion für zwei Wochen (entsprechend 0,5 Mio. t Braugerste) gedrosselt hat. Zudem kam französische Winterbraugerste, die schlechte dänische Sommerbraugerste ersetzen konnte in der Größenordnung von weiteren 0,5 Mio. t. Die Produktionsbremse war notwendig geworden, da die hiesige und internationale Nachfrage nach Malz ab dem Sommer 2023 um fünf bis neun Prozent abkühlte. Die Braugerstenprämie geriet daraufhin unter Druck, nachdem sie zuvor durch die Missernte gestiegen war.
Ausblick auf den Markt 2024
Die Ernte 2024 muss zum großen Teil noch ausgesät werden. Im Vergleich zum übrigen Getreidemarkt ist die Braugerstenprämie (Preise in Relation zum Futtergetreide und zu Weizen) noch immer üppig. Das gilt vor allem für die Winterbraugerste, da diese noch als Winterbegrünung dient, die Fläche früh räumt und gute Erträge und Qualitäten liefert. Sommerbraugerste ist laut Rosenberger allerdings sparsamer beim N-Dünger und Pflanzenschutz und hilft in der Fruchtfolge gegen resistente Gräser. In Europa wird die Sommerbraugerstenfläche vor allem in Frankreich, Dänemark und England zulegen, da Wintergetreidefelder nach Vernässung umgewidmet werden. In Deutschland dürfte das ein Plus im Anbau von 20.000 Hektar ausmachen. Es ist jedoch aufgrund der anhaltenden Nässe unsicher, ob die Saattermine verstreichen und die Anbauer sich auf der Zielgeraden noch umentscheiden werden.
Die Nachfrage nach Braugerste aus der Ernte 2024 belebte sich im Januar etwas durch neue Malzgeschäfte und weil der Preis für Braugerste um 25 Euro pro t im Vergleich zum Dezember nachgab. Die Braugerstenprämie geriet im Februar weiter unter Druck, da eine Vergrößerung der Anbaufläche in Aussicht stand. Da nun ein Wettermarkt bei Aussaattermin und Fläche mit Unsicherheit verknüpft ist, ziehen die Preise wieder an.
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